Wilhelm Schmundt

* 1898  1992

Die Relativierung der sozialen Dreigliederung

Wilhelm Schmundt hat schon Anfang der 1950er Jahren die Trennung von Geistesleben, Rechtsleben und Wirtschaftsleben, wie sie Rudolf Steiner 1919 in seinen Kernpunkten der sozialen Fragen in den Lebensnotwendigkeit der Gegenwart und Zukunft vertritt, abgelehnt. In Steiners Nationalökonomischem Kurs von 1922 glaubte er eine Abkehr von diesem Prinzip der Trennung hin zum Prinzip einer gegenseitigen Durchdringung von Geistesleben, Rechtsleben und Wirtschaftsleben erkennen zu können. Die Kernpunkte gehörten damit der Vergangenheit. In diesem Sinne verstand Wilhelm Schmundt seine Elementarlehre als eine Weiterführung Rudolf Steiners. Erst wenn dies in Frage gestellt wurde, berief er sich auf die Notwendigkeit, selbständig zu denken.

Wilhelm Schmundts eigentliches Motto lässt sich wie folgt auf den Punkt bringen, auch wenn er selber diese Begrifflichkeit meidet:

  • Alles ist Geistesleben
  • Alles ist Rechtsleben
  • Alles ist Wirtschaftsleben

Die Vereinseitigung der sozialen Dreigliederung

Wilhelm Schmundts Elementarlehre wurde lange von seinen Kollegen nicht beachtet. Erst in den 1970er Jahren, als in der Studentenbewegung und Achberger Dreigliederungsbewegung das Motto „Alles ist politisch“ aufkam, fing sie an, dort Anklang zu finden. Im Kampf gegen die Marxisten, die alles auf das Ökonomische zurückführten, erhoffte sich Wilfried Heidt Schützenhilfe durch Wilhelm Schmundts Interpretation des Nationalökonomischen Kurses Rudolf Steiners. Der Vorteil dieser Interpretation: Aus dem Denken in rechtlichen Kategorien brauchte der Alldemokrat Wilfried Heidt nicht herauskommen, weil Wilhelm Schmundt zu abstrakt dachte, um das Spezifische des Wirtschaftslebens, den konkreten Vertrag im Unterschied zum abstrakten Gesetz, erfassen zu können. Wilhelm Schmundt konnte das Wirtschaftsleben nur in solchen Kategorien wie Rechte und Pflichten denken. Unternehmen mit „Unterschüssen“ sollten ein Recht auf die Überschüsse der anderen Unternehmen bekommen. Um die Verwechslung mit Rudolf Steiner perfekt zu machen, nannte es Wilhelm Schmundt auch noch „Assoziation“. Diese Idee einer Pflichtfinanzierung der defizitären Initiativen wurde von Wilfried Heidt dankbar aufgegriffen. Er hielt viel auf sein Geistesleben und versprach sich davon, finanziert zu werden, ohne ständig Menschen überzeugen zu müssen.

Wilhelm Schmundt machte aber nicht nur Rudolf Steiners „Assoziation“ zur Karikatur, sondern drehte auch dessen Aussagen zu Geld und Währung ins Gegenteil. Rudolf Steiner macht sowohl in seinen Kernpunkten als im Nationalökonomischen Kurs klar, dass die Währungsfrage nicht mehr durch Gesetze, sondern nur innerhalb des Wirtschaftslebens gelöst werden kann. Als Grund dafür gibt Rudolf Steiner die heutige Weltwirtschaft. Wilhelm Schmundt spricht zwar auch von Weltwirtschaft, zieht aber nicht die notwendigen Schlüsse daraus, sondern bleibt dem Gedanken verhaftet, dass die Währungsfrage demokratisch durch Gesetze zu lösen sei.

Mit dieser Demokratisierung des Geldes glaubt Wilhelm Schmundt der Arbeit den Warencharakter nehmen zu können. Zu diesem Zweck setzte Rudolf Steiner aber nicht auf eine illusorische Demokratisierung des Geldes, sondern auf eine Demokratisierung der Arbeit. Ironisch ist, dass unter dem Einfluss von Wilhelm Schmundt versucht wird, im Namen der sozialen Dreigliederung allerlei zu demokratisieren, was sich nicht demokratisieren lässt, dabei aber gerade dasjenige ausgeblendet wird, was nach Rudolf Steiner demokratisiert gehört: die Arbeit.

Wilhelm Schmundts erklärtes Motto hiess, die soziale Dreigliederung ins Rechte zu denken. Das ist ihm leider gelungen. Ausser da, wo es Sinn gemacht hätte.

Sylvain Coiplet

Stand: 02.04.2024

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