Kinder beklaun ist feige

01.04.2005

Worum geht es?

Die Brandenburger Landesregierung plant eine Kürzung der Personalkostenzuschüsse für Schulen in freier Trägerschaft von derzeit 95 auf 92 Prozent der vergleichbaren Personalkosten einer staatlichen Schule.

Auf die erste staatliche Finanzhilfe sollen neu gegründete Schulen – statt wie bisher zwei – nunmehr drei Jahre warten müssen. Einzügige Sekundarschulen in freier Trägerschaft sollen zukünftig nicht mehr genehmigt werden. In der Rechtsfolgenabschätzung gibt die Landesregierung offen zu: „Standardeinschränkungen sind durch die geringeren Zuschüsse für die Schule in freier Trägerschaft nicht auszuschließen“. Auch das Anliegen, Gründungen zu verhindern, wird mehr oder weniger offen zugegeben.

Von den Plänen betroffen sind 108 Brandenburger Schulen, in denen 11.963 Kinder und Jugendliche unterrichtet und betreut werden. Für sie sollen sich ohne erkennbaren Grund die Lern- und Lebensbedingungen verschlechtern. Dagegen protestieren die Eltern, Schüler, Lehrer und Schulträger freier Schulen mit der aktionORANGE

Wir sagen: Kürzungen bei Jugend und Bildung nach PISA sind zukunftsfeindlich.
Wir sagen: Hände weg von Schulen in freier Trägerschaft!
Wir fordern die Streichung des Artikel 2 im Haushaltstrukturgesetz 2005

Um dieser einfachen Forderung Nachdruck zu verleihen, starten wir nun schon zum wiederholten Mal landesweit die aktionORANGE

Warum fordern wir die Streichung der geplanten Gesetzesänderungen?

  1. Schulen in freier Trägerschaft sind durch ihre attraktiven Rahmenbedingungen ein wichtiger „weicher“ Standortfaktor für jede Kommune. Eine lebendige Schule bringt Lebensqualität in den Ort und ist indirekte Wirtschaftsförderung.
  2. Schulen in freier Trägerschaft stärken das bürgerschaftliche Engagement. Sie setzen auf Elternbeteiligung und fördern regionale Netzwerke. Sie sind Treibhäuser einer Bürgerdemokratie.
  3. Schulen in freier Trägerschaft sind Keimzellen pädagogischer Innovation. Sie garantieren Bildungsvielfalt und befördern mit zukunftsorientierten Schulkonzepten die Reform des Brandenburger Bildungssystems.
  4. Mit dem vorliegenden Haushaltsstrukturgesetz werden gesetzlich garantierte Bürgerrechte verletzt. Änderungen im Schulgesetz sind nur nach Anhörung von Vertretern der freien Schulträger zulässig.
  5. Mit den geplanten Änderungen des Schulgesetzes festigt der Staat seine Monopolstellung im Bildungsbereich. Politische Macht verhindert den fairen Wettbewerb zwischen staatlichen und freien Schulträgern und blockiert die Entwicklung eines modernen Bildungssystems in Brandenburg.

Aus dem Tagebuch der aktionORANGE 2005

"Bildung muss finanziert werden," fordert Jupp Schindler, Schüler einer 11. Klasse an der Freien Waldorfschule Cottbus und Schüler-Aktions-Koordinator, in seinem Aufruf. 23 Februar, 2005

Landesregierungs-Gästebuch

Gestern haben wir von der Freien Schule Strausberg zu später Stunde damit begonnen, das Gästebuch der Landesregierung mit unserem Anliegen zu füllen. Einige unserer Eltern haben sich bereits beteiligt. Wir hoffen aber auch auf weitere Mitmacher auf dem Kreis der Eltern anderer freier Schulen. Zum Mitmachen geht es hier lang: http://www.brandenburg.de/cgi-bin/book/GuestBook.pl 23 Februar, 2005

Nur heiße Luft

Der DHL-Expressdienst der Deutschen Post-AG feiert seinen 10jährigen Geburtstag mit einer Sonderaktion. Unter der Überschrift "Freitag ist Freipaket-Freitag" kann jeder Haushalt mit der Jubiläums-Paketmarke von DHL ein Paket verschicken. Kostenlos. Deutschlandweit.

Wir nutzen die günstige Gelegenheit und schicken den Abgeordneten des Brandenburger Landtages unter der Überschrift "Nur heiße Luft" am 25. Februar 2005 mit dem freundlichen Angebot von DHL ihren Koalitionsvertrag (Punkt 2.1 "Freie Träger von Schulen stehen für eine größere Vielfalt an Bildungschancen und Bildungsangeboten und sind daher zu unterstützen.") zurück.

Die Höchstmaße für Pakete mit Jubiläums-Paketmarke sind 120x60x60 cm. Kleiner muss gar nicht sein. 23 Februar, 2005

Heiße Luft ist prima Idee

Auch wir von der Freien Schule Roddahn schicken am Freitag massenhaft Pakete. Danke DHL! Wir packen auch Origami-Kraniche hinein - natürlich orange! Vielleicht fliegt das Koalitionspapier dann besser. Wir nehmen den Kranich als Zeichen der Hoffnung, letztlich sogar für das Seelenheil der Abgeordneten. Wir müssen ihnen helfen und sie vor dummen Ideen bewahren. André Ferdinand, Freie Schule Roddahn, 23 Februar, 2005

Bildung im Eimer


Nachbachschaftsschule Roddahn. 23 Februar, 2005

Zu Besuch im Landtag

Am 23. Februar 2005 fuhren 27 Kinder und 4 MitarbeiterInnen der Montessorischule Niederbarnim aus Bernau zum Landtag nach Potsdam. Wir haben in Gesprächen mit Kindern, Eltern und Mitarbeiterinnen beschlossen, innerhalb der aktionORANGE persönlich im Landtag unsere Meinung und Gefühle zu den geplanten Kürzungen durch das Haushaltsstrukturgesetz zum Ausdruck zu bringen. Kleine Briefe mit frischen Möhrenanhängern, eine Unterschriftensammlung unter dem Motto "Give our school a chance" und ein offizieller Brief des Schulträgervereins wurden Wolfgang Birthler, SPD, überreicht. Wir verfolgen aufmerksam den weiteren Verlauf der Beschlussfassung! 25 Februar, 2005

Eltern diskutierten mit der stellv. PDS-Fraktionsvorsitzenden

Kerstin Kaiser-Nicht war heute in der Freien Schule Strausberg zu Gast. Die stellvertretende PDS-Fraktionsvorsitzende und sozialpolitische Sprecherin sagte ihre Unterstützung bei der Abwendung des drohenden Unheils zu. Sie plädierte dafür, dem Protest eine breitere Basis zu geben und die staatlichen Schulen mit ins Boot zu holen. Außerdem wies sie darauf hin, dass noch wesentlich mehr Zeit für politische Einflussnahme ist: bis 15.4.2004! Bis zu diesem Datum werden dem Finanzausschuss die Stellungsnahmen der mitberatenden Ausschüsse vorgelegt. Eine zweite Demo mit ALLEN Schulen hielte sie für gut. Unser Problem: wir sind noch zu wenige Mitmacher und genau so wird das in Politikerkreisen auch gesehen. 25 Februar, 2005

Klara Geywitz an der Waldorfschule Potsdam

Am 24. Februar besuchte die Abgeordnete Klara Geywitz, SPD, die Waldorfschule Potsdam, um sich kritischen Fragen zu den geplanten Kürzungen der Finanzhilfen für freie Schulen zu stellen. An dem Gespräch nahmen einige Eltern und Lehrer sowie die Geschäftsführerin der Waldorfschule Potsdam teil.

Zunächst wurde thematisiert, was die geplanten Maßnahmen konkret für den Haushalt der Schule bedeuten würden und auf welche Weise die befürchteten Einschnitte aufgefangen werden könnten. Es wurde deutlich gemacht, dass hierbei besonders die Eltern mit ihren Beiträgen entstehende Defizite mitzutragen hätten. Dies sei eine Tendenz, die langfristig zu einer ausdrücklich nicht gewünschten sozialen Selektivität führen könnte.

Weiterhin sprachen die Anwesenden ihre Enttäuschung über diesen politischen Kurs aus, hinter dem von manchem eine bewusst geplante Schwächung der freien Schulen vermutet wird. Diesen Vorwürfen setzte die Abgeordnete Sachzwänge entgegen, die nach ihren Angaben Movens der geplanten Maßnahmen seien. In erster Linie stelle demnach ein demographisch bedingter Schülerschwund die Bildungsplanung vor das Problem überflüssiger personeller und räumlicher Mittel, aus dem sich die Entsagung der Förderung zusätzlicher freier Schulen ergäbe. Insbesondere durch ihre autonome Verwaltungsstruktur sowie der Unberechenbarkeit von Gründungsinitiativen freier Schulen entziehen sich diese der Gestaltungshoheit der Bildungsplaner.

Das von Frau Geywitz angeführte Verwaltungsproblem besteht demnach in der Aufrechterhaltung eines öffentlichen, flächendeckenden Schulangebotes unter erheblichem finanziellen Druck. Die freien Schulen in direkter Frontstellung zum öffentlichen Angebot spielten dabei die Rolle einer zusätzlichen Belastung. Als Anregung gaben ihr die Anwesenden noch zu bedenken, den Gestaltungsspielraum auch im öffentlichen Schulsystem zu erweitern, um auf diesem Wege in wachsendem Maße den Elternwünschen zu entsprechen sowie die Qualität insgesamt anzuheben, ohne auf Kosten der freien Schulen zu operieren. 25 Februar, 2005

Freie Schule unter freiem Himmel

Schülerinnen und Schüler der Freien Schule Potsdam haben heute vormittag auf dem Potsdamer "Platz der Einheit" Möhren, Mandarinen und Flugblätter an Passanten verteilt. Die Potsdamer reagierten freundlich auf das Anliegen der kleinen Brandenburger und äußerten Unverständnis für die Kürzungspläne der Landesregierung. 28 Februar, 2005

demoORANGE am 03. März 2005 in Potsdam

Hunderte sind gekommen, am Fuß des Landtages zu protestieren - gegen die im Haushaltsstrukturgesetz vorgesehenen Kürzungen im Bildungsetat. Es muss gespart werden im Land Brandenburg. Die kleinen und großen freien Schulträger haben nach den Kürzungen von 1999 und 2003 bereits ihren Beitrag geleistet. Wir sagen: Hände weg von Jugendeinrichtungen und Schulen! Wir sagen: Hände weg von unserer Zukunft! 4 März, 2005

Wer spart an der Saat, der verliert an der Ernte

Vor zwei Jahren hatten die ELTERN der Freien Schule Angermünde für die Demo in Potsdam dieses Banner gemalt. Diesmal haben sich zwei Mitglieder des pädagogischen TEAMS mit den nun schon demoORANGE erfahrenen SchülerInnen auf den Weg nach Potsdam gemacht. Käte, Schülerin der Älteren Stammgruppe, erinnert sich an den gestrigen Tag: Mechthild, die friert. Anja sieht irgendwas Lustiges. Sophia hört gespannt zu. Sie guckt immer genau so, wenn sie etwas doof findet. Und ich? Ich fragte mich, wer dort oben eigentlich steht. Und so, wie ich meine Hand halte, dachte ich wahrscheinlich: "Dieses Blatt, auf dem steht, wir sollen sparen, können die doch einfach durchschneiden." 4 März, 2005

Aus den Nachbarländern ...

Auch im Norden stellen sich ähnliche Fragen. Folgende dpa-Meldung stand heute in der "Ostsee-Zeitung" aus Rostock: Der Verband Deutscher Privatschulen (VDP) in Mecklenburg-Vorpommern lehnt eine längere Wartefrist auf Fördergeld vom Land ab. Dies werde möglicherweise weniger Neugründungen von Schulen freier Träger zur Folge haben, sagte Verbandsvorsitzende Barbara Dieckmann. Der neue Entwurf zum Landesschulgesetz sieht vor, dass freie Bildungsstätten künftig drei statt bisher zwei Jahre Jahre existieren müssen, ehe sie vom Land finanziert werden. 5 März, 2005

Jutta Lieske plädiert für Gleichstellung der Schulen

Viel Zeit für die Probleme der Freien Schule Strausberg hat sich SPD-Landstagsabgeordnete Jutta Lieske heute genommen. Sie beobachtete lange den Unterricht mit seinem methodisch modernen Konzept und sprach mit Schulleiterin Bergit Kassek über die pädagogischen Ansätze. Im Anschluss diskutierte sie mit dem Träger über die Bildungslandschaft in Brandenburg. Dabei sprach sie sich dafür aus, staatliche und freie Schule langfristig gleichzustellen, Qualitätsstandards einzuführen und zu kontrollieren. "Das ist ein langer Weg, aber man muss dranbleiben und sollte es unterstützen", sagte die Politikerin.

Bezüglich der aktuellen Kürzungsdiskussion sieht sie in ihrer Partei die Linie, die Zweizügigkeit nicht einzufordern und bezüglich der Wartezeit: "Es wird bei zwei Jahren bleiben". Der Personalkostenzuschuss wird laut Jutta Lieske am Ende bei 93 Prozent liegen. Weiterhin hält sie eine Regelung für bewährte Träger für wahrscheinlich bzw. durchsetzbar. Als Neuling in der Landpolitik zeigte sie sich überrascht von den geschilderten Hürden, die das Ministerium in der Praxis für die freien Schulen errichtet. Die ehemalige Erzieherin bekräftigte in diesem Zusammenhang, dass Bildung für sie ein prioritäres Thema ist. "Stellen Sie die Weichen, brechen Sie die Strukturen auf - Sie haben die Macht dazu", gab ihr Lutz Krannich, Geschäftsführer des Strausberger Schulträgers, mit auf den Weg.7 März, 2005

Bildungs-Staatssekretär Gorholt spricht es aus

Martin Gorholt, Staatssekretär im Potsdamer Bildungsministerium, erklärte am 07. März 2005, dass man das geplante evangelische Gymnasium in Doberlug-Kirchhain verhindern wolle. "Wir werden prüfen, welche Möglichkeiten es gibt, um eine Genehmigung nicht zu erteilen. Verfassungsrechtlich sind uns da aber enge Grenzen gesetzt." Damit gelangen wir allmählich zum Kern der aktuellen Debatte. Nicht die immer wieder angeführten Sparzwänge, sondern die Sorge um das Bildungsmonopol des Staates sind Ursache der geplanten Änderungen im Brandenburger Schulgesetz. 9 März, 2005

SPD ignoriert landesweite Proteste

Während der heutigen Sitzung der SPD-Landtagsfraktion fiel die Entscheidung, für Schulen in freier Trägerschaft künftig die Wartefrist auf Personalkostenzuschüsse um ein weiteres Jahr auf drei Jahre zu verlängern. Als Ausgleich soll der bislang zur Streichung vorgesehene Paragraph 124, Absatz 3, des Schulgesetzes ("Ersatzschulen, für die vom für Schule zuständigen Ministerium ein besonderes öffentliches Interesse festgestellt wird, können Zuschüsse ... bereits vom Zeitpunkt der Eröffnung oder Umstellung an gewährt werden.") erhalten bleiben.

Dieses symbolische Einlenken dient einzig zur Beruhigung des Abgeordnetengewissens. Bislang ist es nämlich noch keiner freien Schule gelungen, ein "besonderes öffentliches Interesse" und damit eine sofortige Förderung nach dieser Regelung für sich gelten zu machen. 15 März, 2005


Quelle: Webseite der aktionORANGE, erschienen in Trigolog Berlin 04/2005