Das Kultur- und Geistesleben verkümmert, wenn es zur Angelegenheit des Staates gemacht und über Steuern finanziert wird, und zwar gerade dann, wenn der Staat seinem Ideal entspricht, also ein wahrhaft demokratischer Staat ist. Denn so richtig es ist, dass eine Mehrheit bestimmt, was recht ist, so falsch ist es, wenn eine Mehrheit auch den Inhalt der kulturellen und geistigen Produktion des Individuums bestimmen darf: Im Kultur- und Geistesleben dürfen nicht 51% die 49%, die etwas anderes tun wollen, überstimmen, sondern da müssen beide nebeneinander existieren können. Jeder echte Selbstbestimmungs-Impuls im kulturellen Bereich muss daher notwendigerweise nach finanzieller Unabhängigkeit von Wirtschafts- und von Staatsmacht streben. Das von Thomas Brunner gegründete Initiativkonto für selbstbestimmtes Handeln durch Gegenseitigkeit ist ein Versuch, eine auf die Lebensbedingungen des Kultur- und Geisteslebens zugeschnittene Finanzierungsform zu entwickeln:

"Das Initiativkonto ist ein künstlerisch-sozialer Versuch auf dem Weg der Herausbildung des dreigliedrigen sozialen Organismus. Neben Markt und Staat gilt es auch eine Sphäre freien Geisteslebens, also einen rein zivilgesellschaftlichen Zusammenhang auf zu bauen, um durch gegenseitige Wahrnehmung und Förderung notwendigen (gesellschaftlichen) Innovationen Raum zu geben. Die zur Zeit etwa 40 Mitglieder haben sich zur überregionalen Initiativkonto-Gemeinschaft zusammen gefunden, die ein gemeinsames Konto bei der GLS-Bank führt (KtoNr. 14 281 800 / BLZ 430 609 67).

Vierteljährlich bietet ein Stichtag die Möglichkeit, Projekte vorzustellen und wahrzunehmen; jedes Mitglied erhält die beim Treuhänder eingereichten Projektdarstellungen per Post zugeschickt; neben der konkreten finanziellen Unterstützung können so vielfältigste Anregungen, menschliche Bezüge und Anknüpfungspunkte für eine Zusammenarbeit entstehen. Jedes Mitglied kann in freier Initiative zu Initiativkonto-Treffen einladen. Außerdem ist ein unregelmäßig erscheinender Rundbrief entstanden, der von allen Mitgliedern zur freien Kommunikation und als literarisches Forum genutzt werden kann.

Jedes Mitglied verfügt über den gleichen Anteil am Gesamt-Kontostand. Über die eingebrachten Initiativen werden also keine Mehrheitsentscheidungen getroffen, sondern jedes Mitglied entscheidet (im Laufe eines Monats) über die Verwendung des eigenen Anteils: Der Förderbetrag für die einzelne Initiative ergibt sich jeweils daraus, wie viel Geld ihr aus den Anteilen zugewiesen wird. Nicht vergebene Anteile fallen dem Konto und damit dem nächsten Stichtag zu.

Für die Mitglieder heißt diese Vorgehensweise, dass die in heutigen Parlamenten übliche Übergehung von Minderheiten durch oftmals fragwürdige Mehrheitsentscheidungen wegfällt. Auch ist durch die stets gleichen anteiligen Verfügungsrechte jeder Vetternwirtschaft der Boden entzogen. Nur die Rechtsrahmen-Bedingungen werden mit demokratischer Mehrheit ermittelt. Auch ist die von der Gemeinschaft beauftragte Treuhandschaft jederzeit abrufbar. Alle das Initiativkonto betreffenden Informationen stehen allen Mitgliedern in gleicher Weise transparent zur Verfügung. Grundsätzlich ist die Gemeinschaft für jeden Menschen offen. Dass es nur 15 Euro monatl. Mindestbeitrag sind, kann als bewusster Akt der Offenheit und als Motivation angesehen werden, die Gemeinschaft beweglich zu erhalten; wobei es jedem Mitglied selbst überlassen bleibt, seine eigene Möglichkeit und Beteiligungsbereitschaft einzuschätzen. So fließen auch über den Mitgliedsbeitrag hinausgehende Spenden in's Initiativkonto, die jedoch unmittelbar in die anteilige Verfügung aller Mitglieder übergehen."

Thomas Brunner

Kontakt:
Thomas Brunner,
Kahrener Hauptstr. 19,
03051 Cottbus
Fon/Fax: 0355-4887480
Email: votiv@web.de

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01.05.2000
Aufsatz