Das Regiogeld

01.06.2004

Verschiedene Initiativen entwickeln in der Gegenwart ein regional gültiges Geld. Dies ist für mich Anlaß das Thema Geld weiter zu vertiefen und mich für eine eigene Initiative im Freiburger Raum einzusetzen. Gleichzeitig lade ich alle Menschen aus der Freiburger Region dazu ein, Kontakt mit mir aufzunehmen und sich an der Initiative zu beteiligen.

Hier werden mit den Begriffen Regiogeld, Lokalgeld, Komplementärwährung die gleichen Inhalte verknüpft; davon verschieden sind Freigeld, Landes- und sonstige Währungen.

Komplementärwährung bedeutet eine Währung, die die Landes- oder Eurowährung ergänzt, d.h. Regiogeld kann den Euro nicht ersetzen, nur innerhalb einer Region mit vielfältigen positiven Wirkungen ergänzen.

Was soll das?

Regiogeld kann bei oberflächlicher Betrachtung vielleicht überflüssig erscheinen. Der Euro besteht noch nicht lange und scheint, von "kleinen Problemen" abgesehen, recht vorteilhaft für die Wirtschaft zu sein (Handelserleichterung etc.). Eines dieser kleinen Probleme hat der Euro von den alten Länderwährungen geerbt: Er erlaubt den fast ungebremsten Zuwachs der Geldmenge durch Geldschöpfung im Bereich des Leihgeldes verbunden mit einer hypertrophierenden Zins- und Zinseszinspolitik.

Der belgische Finanzexperte, Bernhard Lietaer, beschreibt in seinem Buch "Das Geld der Zukunft" die ungeheuerliche Tatsache, daß nur noch 2 - 3 % der Geldmenge für den Austausch von Waren und Dienstleistungen nötig ist. Der Hauptteil wird für spekulative, zinswirtschaftliche Zwecke, in Börsen- und Immobiliengeschäften rund um den Erdball eingesetzt.

Dieses Spekulationsgeld (98 %) existiert überwiegend als Buchgeld. Es ist nur eine Frage der Zeit, daß diesem nur auf Bankkonten existierendem Geld kein Vertrauen mehr geschenkt wird und eine weltumspannende Währungskrise eintritt, weil viele Menschen eine "Flucht in Werte" suchen. Allein vor diesem Hintergrund ist es ratsam, früh Erfahrungen mit Alternativen zum Euro oder anderen gesetzlichen Währungen zu sammeln.

Regiogeld bietet gleichzeitig die Möglichkeit in der Globalisierung die Kraft der Regionen zu stärken. Unser heutiges Geld ist sehr anonym geworden, d.h. Banken und Großkonzerne entscheiden, wieviel wo eingesetzt wird. Bleibt der Geldumlauf auf eine Region beschränkt, so kann die Unterstützung unliebsamer Zwecke leichter kontrolliert werden (Rüstung, Spekulation etc.). Mittelständische und kleine Unternehmen können stärker davon profitieren, als beim Euro, da die Kreditvergabe nach in der Region festgelegten und nicht allein nach Renditegesichtspunkten möglich ist.

Wo die regionale Wirtschaft eine größere Kraft durch solches Regiogeld entwickelt, da bietet dieses Geld den weiteren Vorteil die Überschüsse auch für das regionale Kultur- und Geistesleben einzusetzen. Dies kann den Beginn gemeinnütziger Assoziationen und durch deren überregionale/internationale Vernetzung auch den Beginn von assoziativer Wirtschaft überhaupt bedeuten.

Solange diese überregionale Vernetzung nicht besteht, muß uns der Euro die Ergänzung liefern für Waren- und Dienstleistungen aus fernen Regionen, denn keinesfalls soll hier einer selbstversorgerischen Abschottungsmentalität das Wort geredet werden. Doch ohne euphorisch zu werden, glaube ich, daß Euro und Regiogeld sich so gegenüberstehen, wie konventionelle Tiefkühlpizza und selbst gebackene Pizza mit Gemüse aus biologischem Anbau.

Ist Regiogeld überhaupt zulässig?

Hier muß ich auf die gute Ausarbeitung von Manfred Steinbach auf der Bremer Internetseite des Roland-Gutscheinsystems verweisen (s. unten: www.roland-regional.de und dort unter "Recht"). Sicher ist diese Beurteilung von Menschen anfechtbar, die das etablierte System der gesetzlichen Währungen "schützen" wollen oder aus sonstigen Motiven für eine Unzulässigkeit plädieren. Hierzu ein Zitat:

"Der E-Money-Experte Hugo Godschalk (PaySys, Frankfurt) macht darauf aufmerksam, "daß die Gesetze in der Bundesrepublik die Ausgabe von echtem Nebengeld in Papierform verbieten". Gutscheine seien zwar erlaubt - "aber nur solange sie nicht durch Akzeptanz bei Dritten eine Geldfunktion aufweisen", so Godschalk." (Quelle: www.tauschring-archiv.de)

Das Wort "echt" vor Nebengeld ist hier wohl zusätzliche Verwirrung, denn Fälschungen sollten von keinem Geld erlaubt sein.

Ich empfinde ebenso wie von Manfred Steinbach dargestellt, daß die Vertragsfreiheit ein Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit mündiger Staatsbürger ist. Diese Vertragsfreiheit beinhaltet die Vereinbarung eines Zwischentauschmittels freier Wahl. Käufer und Verkäufer können sich auf jedes erlaubte Zahlungsmittel (und seien es Kuhglocken, Schuhsohlen oder sonstige exotische Sammlerstücke) einigen.

Das gesetzliche Zahlungsmittel kann ich nur als ein Angebot verstehen, das der privatrechtlichen Vereinbarung gegenüber sachlich nachrangig ist. Dies wäre also ein Aspekt der staatlichen Subsidiarität, der mit dem humboldtschen und dreigliedrigen Staatverständnis in vollem Einklang steht. Der Staat sieht sich nicht als Selbstzweck, sondern greift nur in notwendigem Umfang in die persönlichen Freiheitssphären der Menschen ein. Vielmehr soll der Staat einem vielfältigen Kultur- und Geistesleben notwendigen Freiraum lassen, damit die Menschen durch Eigeninitiative zu einer kräftigen, individuellen Entwicklung kommen.

Steinbach leitet die Zulässigkeit auch aus dem Blickwinkel der künstlerischen Gestaltungsfreiheit vor dem Hintergrund des erweiterten Kunstbegriffs von Joseph Beuys ab. Dies ist eine weitere, bereichernde Blickrichtung. Außerdem weist er darauf hin, daß die EU-Kommission an der Finanzierung von vier Komplementärwährungen beteiligt ist. Zu Recht fragt er: "Würde die EU-Kommission Geldprojekte finanziell unterstützen, die sie selbst als für rechtlich nicht zulässig betrachtet? "

Wenn viele Supermarktketten Bonuspunktsysteme zur Kundenbindung und Umsatzsteigerung einführen, könnte man darin auch eine Ergänzungswährung sehen. So ist es ein gutes Recht aller Menschen, die mit der überstaatlichen Währung Euro nicht einverstanden sind, weil Sie Spekulation, Krieg, Gentechnik, Zinseszinswirtschaft etc. verhindern wollen, ein von diesen Übeln befreites Zahlungsmittel zu benutzen.

Erst die an der Wirtschaft interessiert beteiligten Menschen werden selbst ein gerechtes Geld entwickeln. Darauf zu hoffen, daß der Staat dies schafft, ist bei der Verfilzung der Interessen zwischen Staat und Wirtschaft nicht zu erwarten und auch systembedingt durch die schwerfälligen Gesetzgebungsverfahren nicht zu erreichen. Das Geld gehört nach und nach - soweit sich assoziativer Gemeinsinn ("Graswurzelarbeit") entwickelt - in die Hände der Wirtschaft.

Die Grundlage des Regiogeldes - "Rost" oder Frist

Für Geld im allgemeinen und für Regiogeld im besonderen gilt, daß es eine Art Buchführung oder "Spiegel" der jeweiligen Wirtschaftsvorgänge darstellt (s. hier Thema "Geld"). Diese Wirtschaftsvorgänge sind Lebensprozesse mit einem Anfang und einem Ende. Jede Ware verdirbt einmal oder wird unbrauchbar. Jedes Produktionsmittel veraltet einmal, sei es durch Verschleiß oder technischen Fortschritt. Geld steht in einem "fließenden Gleichgewicht" zu diesen Geburts- und Todesprozessen der Wirtschaft, die auf der Endlichkeit von Erde und Mensch selbst beruhen.

Geld wird "geboren" mit dem Entstehen von Waren in der Produktion. Solange die Waren ohne großen Kapitalaufwand (in Agrargesellschaften) entstehen können, ist ein Gleichgewicht von Geld und Waren, die nur leicht bearbeitet der Natur entstammen, allein nötig. Mit dem Heraufkommen der Arbeitsteilung und einer stark kapitalintensiven Wirtschaft ist die Bedeutung von Leihgeld enorm gewachsen. Hinter der Warenproduktion steht heute eine riesige Produktionsgüterproduktion und ein gewaltiger Aufwand an Wissenschaft und Forschung. Geld wird heute deshalb nicht erst mit den Waren geboren, sondern sozusagen mit deren Vorstufe, dem Kredit für die Produktionsmittel und Forschung. Mit deren Wertverlust und Alterung muß es daher auch sterben.

Für einen Alterungsprozess beim Geld stehen zwei Möglichkeiten zur Diskussion:

  • allmähliche Wertminderung
  • befristete Gültigkeit

Für eine allmähliche Wertminderung hat sich Silvio Gesell mit seinen Ideen zum Freigeld ausgesprochen. Eine regelmäßig fällige Gebühr soll entsprechend dem Warenschwund das Geld im Wert "schwinden" lassen und das Geld in Umlauf halten. Dieses "rostende" Geld wird daher auch als Schwundgeld bezeichnet.

Für eine Befristung der Gültigkeit hat sich Rudolf Steiner ausgesprochen. Die Unterschiede in der Zinsfrage möchte ich später behandeln.

Wenn auch das Schwundgeld gewisse Vorteile bietet, so zielt es nach meinem Empfinden darauf ab, Gleichgewicht zwischen Waren und Geld herzustellen. Damit wird es nur historischen Agrargesellschaften, aber nicht den heutigen Industriegesellschaften gerecht. Diese müssen das Gleichgewicht zwischen den Produktionsmitteln und dem Geld durch das "Tor" des Leihgeldes bewirken. Heute sind die Produktionsmittel die Grundlage des Geldes der Industriegesellschaften. Sie geben das Maß für die Geldmenge.

Erhält das Geld eine Befristung so entsteht etwas ganz neues neben dem eigentlichen Tauschwert, das ist eine mit der Zeit abnehmende Verwertungskraft für Kredite zur Unternehmensfinanzierung, also ein Zeitwert. Unternehmen werden sich möglichst um junges Geld bemühen. Junges Geld wird mehr Zinsen kosten als älteres. Schließlich hat das Geld nur noch konsumtiven Wert und kann nicht mehr verliehen werden.

Ist Geld kurz vor seinem Ablauf kann es nur ausgegeben oder verschenkt werden. Von ganz allein wird sich eine Kultur des Schenkens entwickeln, wenn die Befristung eingeführt sein wird. Ein großer Teil des heute erscheinenden Egoismus steckt im Geldsystem selbst. Ein befristetes Regiogeld zwingt die Menschen nicht über eine Wertminderung als Kaufgeld, sondern über die Minderung des Nutzens als Leihgeld zu einer gemeinwohlorientierten "Restverwertung".

Dabei bietet Regiogeld die Möglichkeit die schädlichen Stauungen z.B. im Immobilienbereich abzuschaffen, indem eine Verpflichtung zum Personalkredit statt dem heute verbreiteten Realkredit (Kredit mit Grundstück als Pfand= Hypothek) Voraussetzung für die Mitgliedschaft in der assoziativen Gemeinschaft sein müßte.

Die Vernunft wird die Menschen dann dahin bringen, nicht alles Geld für den eigenen Konsum "restzuverwerten", sondern für Zukunftsinvestitionen in den Kultur- und Bildungssektor, für Kunst, Wissenschaft und Religion, abzugeben.

Zur weiteren Aufhellung möchte ich auf die Beiträge von Sylvain Coiplet
Vergleich Steiner/Gesell  und
Komplementärwährungen
und Stefan Reeder
Befristetes Geld versus "rostende" Banknoten  hinweisen.

Wo gibt es Informationen im Internet?


Allgemein

www.regiogeld.de
www.alternativen.biz
www.freigeld.de

Nach Regionen

www.roland-regional.de
www.chiemgauer-regional.de

Nach Ländern

ithacahours in den USA
WIR Lokalgeld in der Schweiz
Lokalgeld und Tauschringe in Japan


Quelle: www.soziale-dreigliederung.de