Erbbaurecht in West und Ost II

01.12.1993

Das Erbbaurecht in West und Ost

Bericht über ein Innovatives Projekt - Teil II

Nachdem Teil I das Zustandekommen dieses Forschungsprojekts sowie Eindrücke bei der Praxiserkundung, -beratung und -schulung schilderte, soll dieser Teil II die Erbbaurechtskonzeption des Seminars für freiheitliche Ordnung unter zwei Aspekten kritisch beleuchten: Zum einen geht es darum, neben den vom Seminar erhofften günstigen Auswirkungen einer Bodennutzungsvergabe nach Meistgebot auch die ungünstigen ins Auge zu fassen und abzustecken, unter welchen Rahmenbedingungen eine solche Handhabung vielleicht erst erträglich wird (1.). Zum anderen sollen die praktischen Hemmnisse benannt werden, die einer Realisierung des Konzepts in den neuen Bundesländern entgegenstehen (2.).

1. Folgen ausbalancieren

a) Auswirkungen des Meistgebotsprinzips

Dass Stadtplanung erleichtert wird, wenn Kommunen Grundstücke im Erbbaurecht vergeben und den Erbbauzins marktgerecht anpassen, leuchtet durchaus ein. Es schwindet der Druck auf wertsteigernde Planungsfestsetzungen und Dispense. Der stetige Druck des marktgerechten Erbbauzinses fördert die volle Ausnutzung der Grundstücke. Der Bodenmarkt wird mobiler, spekulative Bodenpreisspitzen schwinden und die Grundstücke wandern zum »besten Wirt«.

Doch wer ist der »beste Wirt«? Bei ökonomischer Steuerung der Bodenzuordnung über das Nutzungsentgelt erweist sich als bester Wirt derjenige, der auf dem jeweiligen Grundstück die rentabelste Nutzung realisiert. Die Frage ist, ob bzw. unter welchen Rahmenbedingungen eine solche Durchmonetarisierung der Bodenzuordnung anstelle von Privateigentum eine lebenswerte Stadt ergeben kann. Oder wird hier am Ende der Teufel durch Belzebub ausgetrieben, indem das Bollwerk des Privateigentums eingerissen und jeder Standort durch entsprechendes Nutzungsentgeltangebot »käuflich« wird? Was dank Privateigentums am Boden verwurzelt und gewachsen ist und sich durch viele Stürme behaupten konnte, droht jetzt durch rentablere Nutzungen hinweggefegt zu werden.

Wird sich nicht die Verödung unserer Städte durch Kommerzialisierung nur noch beschleunigen, indem die rentabelsten Nutzungen sich durchsetzen und die Stadtzentren prägen? Wird die Gefahr, dass sich z.B. am historischen Marktplatz in Wismar die fünfte oder sechste Bankfiliale niederlässt, mit dieser Erbbaurechtskonzeption nicht nur noch größer? Wie sollen Städte wie Rostock und Schwerin verhindern, dass Versicherungen und Büroräume das Wohnen im Zentrum verdrängen?

Liegen doch Reiz und Lebensqualität insbesondere alter Städte in ihrer gewachsenen Nutzungsmischung und im sichtbaren Nebeneinander von Zeugnissen aus verschiedenen Zeiten. Wenn nicht bestimmte quartierprägende Nutzungen auch gegen alle Rentabilitätsberechnungen möglich bleiben, werden unsere Städte vollends unwirtlich. Welchen unschätzbaren Wert für örtliche Atmosphäre, Orientierung und Identität haben z.B. Gasthäuser und Apotheken, die, gesichert durch Privateigentum am Boden, oft Jahrhunderte überstehen. Wird nicht all dies durch marktgerechten Erbbauzins und die gewollte Mobilisierung des Bodenmarkts gefährdet, bzw. was muss begleitend geschehen, um diese Gefahren zu bannen? Der Verdrängungseffekt des Meistgebots beim Bodennutzungsentgelt wird vom Seminar gewollt, aber nur von seiner positiven Seite geschildert. Die Darstellung ist deshalb etwas einseitig und allzu optimistisch. Wenn Eckhard Behrens die Standortentscheidungen als »Suchprozess des Investors« charakterisiert (FdF Heft 220, S. 4), mag dies für gewerbliche Filialen zutreffen, aber doch nur begrenzt für den Eigenheimbau und schon gar nicht für den Landwirt und Gärtner. Dass Familien durch Generationen an einem Standort bleiben wollen, der Sohn im Garten des Vaters baut, dass Nachbarn, Freunde, Kirchengemeinden und Vereine, Gaststätten, Straßenräume, Bäume und Landschaften die Menschen an einen Standort binden und dass diese Bindungen durch monetäre Verdrängungseffekte zerstört werden können, all dies wird im Seminarkonzept zumindest nicht ausdrücklich erwogen.

Dass dem Wunsch nach zügiger und vollständiger Realisierung von Stadtplanung berechtigte Bedürfnisse z.B. nach Erweiterungsgelände und Offenheit für neue Entwicklungen entgegenstehen und statt perfekter eher flexible Lösungen fordern, wird nicht in Rechnung gestellt. Städtebau ist nie fertig, sondern ein ständiger Prozess, der wesentlich von den Spielräumen lebt, die durch mangelnde Realisierung einstmals Geplanten entstehen. Eine Schule oder einen Betrieb zu verlagern, nur weil man sich in der ersten Ausbaustufe zu wenig Erweiterungsgelände vorbehielt, erweist sich oft als bedauerliche Ressourcenverschwendung und Standortverschlechterung. Zwischennutzungen bis zum endgültigen Ausbau müssen ermöglicht werden.

Die Seminarkonzeption verstärkt die Macht des Geldes und berücksichtigt zu wenig, dass diese Macht extrem ungleich verteilt ist. Der Kampf um prestigeträchtige Standorte dürfte sich verstärken wie auch Versuche, missliebige Konkurrenten durch Überbieten ihres Erbbauzinses zu verdrängen oder gar in den Ruin zu treiben. Zonen für Reiche und Arme werden sich stärker separieren. Das Instrumentarium, schwächere Bewohnerschichten durch Wohnungsmodernisierung und Umwidmung in Eigentumswohnungen zu verdrängen, wird durch marktgerechte Anpassung des Erbbauzinses erweitert. Zahlungskräftige Yuppies können sich ganze Stadtteile erobern.

Je breiter diese Erbbaurechtskonzeption angewendet wird, desto dringlicher werden Gegengewichte und ergänzende Reformen. Reißt man, wie Silvio Gesell es wollte, auch nationale Grenzen ein, ermöglicht das Meistgebotsprinzip der Bodenzuordnung den Reichen, sich (im Rahmen des örtlichen Baurechts) überall niederzulassen und ärmere Schichten nach Belieben zu vertreiben - eine neue Variante moderner Kriegführung.

All dies macht deutlich: Nicht maximale, sondern optimale Bodenmobilität muss das Ziel sein. Das Steuerungsinstrument des Bodennutzungsentgelts für die Bodenzuordnung ist nur in gezügelter Form erträglich und bedarf eines Rahmens. Dieser ist dichter zu ziehen, als es das Seminarkonzept vermuten lässt. Einige wichtige Elemente dieses Rahmens der Bodennutzung sollen im folgenden beleuchtet werden.

b) Rahmen und Gegengewichte

(1) Bauleitplanung

Die Bauleitplanung müsste in Richtung eines Nutzungsprogramms verdichtet werden. Entgegen der Darstellung des Seminars sind Bauleitpläne und die Entscheidung, wer ein Grundstück nutzen darf, nicht völlig verschiedene Fragen, von denen die eine politisch und die andere wirtschaftlich zu entscheiden sei, sondern eng miteinander verzahnt; denn Flächennutzungs- und -bebauungspläne bestimmen nicht nur Art und Maß der baulichen Nutzung (z.B. Gewerbe- oder Wohnbauflächen) und die Bauweise (geschlossen oder offen) und schränken schon dadurch den Kreis potentieller Nutzer erheblich ein, sondern fixieren schon jetzt Standorte insbesondere für öffentliche Einrichtungen, z.B. Schulen, Sportstätten und Grünanlagen. So wie der Standort für Kirchen, Gemeinde- und Pfarrhäuser bestimmt wird, müsste jede Stadt bei breiter Verwendung des Erbbaurechts künftig prüfen, ob sie zur Aufrechterhaltung lebendiger Innenstadträume nicht darüber hinaus Standorte für bestimmte weniger rentable Dienstleistungen absichern sollte. Das Baugesetzbuch bietet für solche Festlegungen bisher keine ausreichende Ermächtigung. Insbesondere wird dem § 9 Abs. 1 Ziff. 9 BauGB, wonach »der besondere Nutzungszweck von Flächen, der durch besondere städtebauliche Gründe erforderlich wird«, festgesetzt werden kann, wegen der Tatbestandsvoraussetzung »besondere städtebauliche Gründe« nur ein sehr enger Anwendungsbereich zugebilligt, z.B. für Tankstellen, Warenhäuser und Ausflugslokale. Hier wäre eine gesetzliche Erweiterung notwendig. Schon jetzt ermöglichen Ziff. 7 der genannten Vorschrift die Festlegung von Flächen für den sozialen Wohnungsbau und Ziff. 8 »für Personengruppen mit besonderem Wohnbedarf« (z.B. Kinderreiche, Behinderte, Alte).

Ein mobilerer und nach dem Rentabilitätsprinzip funktionierender Bodenmarkt würde auch das Bedürfnis nach Negativfestsetzungen verstärken, um z.B. Innenstädte vor einseitiger Prägung durch Banken und Versicherungen zu bewahren. Für solche Ausgrenzungen bedürfte es einer gesetzlichen Ermächtigung, deren Wahrnehmung zur Minderung von Erbbauzinsen und deshalb gegenüber Erbbauberechtigten (im Unterschied zu Eigentümern) keine Entschädigungspflicht auslösen, wohl aber im Hinblick auf Art. 12 und 3 Grundgesetz problematisch würde, wenn auf diese Weise für bestimmte Branchen Bedürfnisprüfungen eingeführt und vorhandene Betriebe damit privilegiert und vor Konkurrenz geschützt würden. Da der Erbbauzins sich an der möglichen Nutzung orientiert, andererseits das Bedürfnis nach Erweiterungsgelände in vertretbarem Umfang und zu zumutbaren Bedingungen erfüllt werden sollte, müssten Bebauungspläne Ausbaustufen und Zwischennutzungen vorsehen (z.B. als Grünflächen oder Parkplatz), die entsprechend niedrigere Erbbauzinsen verursachen.

(2) Bestandsschutz

Die mit breiter Erbbaurechtsanwendung und marktgerechtem Erbbauzins verbundene größere Mobilität des Bodenmarkts erleichtert zwar fortlaufende Anpassung an aktuelle Erfordernisse, gefährdet aber auch Erhaltenswertes. Um diesen Gefahren zu begegnen, gibt es ein rechtliches Instrumentarium, das wichtiger wird und ausgebaut werden müsste. Noch dringlicher wird es z.B., die nach Denkmalschutzrecht vor Abbruch und Veränderungen zu schützenden baulichen Objekte und Ensembles zu erfassen und dies fortzuschreiben, wobei die Unterschutzstellung einen Teil der finanziellen Folgen mittels niedrigerer Erbbauzinsen auf die Kommunen als Grundstückseigentümer verlagern würde. Als ausbaubedürftig wird sich das Instrument der Erhaltungssatzung nach § 172 ff. BauGB erweisen. Danach können in bestimmten Gebieten Abbruch, Änderung und Nutzungsänderungen baulicher Anlagen durch Satzung (unbeschadet sonstiger Vorschriften) genehmigungspflichtig gemacht werden, aber nur mit folgenden Zielen:

  1. zur Erhaltung der städtebaulichen Eigenart des Gebiets aufgrund seiner städtebaulichen Gestalt (in diesem Fall kann auch die Errichtung baulicher Anlagen besonderer Genehmigungspflicht unterworfen werden),
  2. zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung oder
  3. bei städtebaulichen Umstrukturierungen.

Nr. 1 dient dem städtebaulichen Denkmalschutz; geschützt sind Ortsbild, Stadtgestalt oder Landschaftsbild prägende und sonstige bauliche Anlagen von städtebaulicher, insbesondere geschichtlicher oder künstlerischer Bedeutung. Nr. 2 und 3 verfolgen auch sozialgestalterische Zwecke. Von der Ziff. 2 (sog. Milieuschutzsatzung) werden Städte verstärkt Gebrauch machen müssen. Bislang bedarf es für die Versagung der Genehmigung allerdings besonderer »städtebaulicher Gründe«; rein soziale Gründe, etwa des Mieterschutzes, reichen nicht aus.

Vom Gesetz nicht erfasst ist der Schutz weniger rentabler gewerblicher Nutzungen. Es wird sich als notwendig erweisen, diese Ermächtigungsvorschrift zu einem generellen Schutztatbestand für die verschiedenen städtebaulichen und sozialen Funktionen eines Gebiets auszuweiten.

(3) Vertragliche Bindungen

Soweit planungsrechtliche Vorschriften nicht ausreichen, gewünschte Nutzungsarten zu gewährleisten, bedarf es vertraglicher Bindungen, die vom Seminar aber abgelehnt werden. So überzeugend es ist, dass das ökonomische Steuerungsinstrument des marktgerechten Erbbauzinses viele bisher in Erbbaurechtsverträgen festgelegten Bau- und Nutzungsverpflichtungen sowie Zustimmungsvorbehalte für Veräußerungen und Belastungen entbehrlich machen, darf man das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Insbesondere bei Übertragung öffentlicher Einrichtungen in freie Trägerschaft, dem gegenwärtigen Hauptanwendungsbereich des Erbbaurechts in den neuen Bundesländern, wäre es riskant, auf solche Bindungen zu verzichten. Wegen des öffentlichen Bedarfs wird die Kommune sicherstellen, dass aus dem Altenheim kein Hotel gemacht wird. Ähnlich wird sie bei der Vergabe eines kostbaren Grundstücks am Stadtpark dafür sorgen müssen, dass es wie beabsichtigt für ein Hotel und nicht für ein Bürogebäude verwendet wird.

Bei zentral gelegenen Grundstücken kann sich eine Stadt nicht leisten, jemandem aufzusitzen, auf den der Erbbauzins deswegen nicht wirkt, weil er nicht rechnen kann oder nicht zu rechnen braucht. Die schwer durchsetzbaren öffentlich-rechtlichen Baugebote können den vertraglich vereinbarten Heimfall bei Nichterfüllung der Bauverpflichtung in solchen Fällen nicht ersetzen.

(4) Vergaberichtlinien

Die Erbbaurechtskonzeption des Seminars nährt die Illusion, man könne die Vergabe von Grundstücken einem Computer überlassen, der dem Meistbietenden den Zuschlag erteilt. Was in Einzelfällen ein zutreffendes Entscheidungsverfahren sein mag, verbietet sich dann, wenn eine Vielzahl von Grundstücken zu vergeben ist, z.B. nach Erschließung eines neuen Baugebietes. Je nachdem, ob eine Gemeinde Baugelände auf Vorrat erschließt oder zögert und dadurch einen Nachfragestau hervorruft, würde sie niedrige oder hohe Erbbauzinsen erzielen und wäre versucht, ihr Planungsmonopol zu missbrauchen.

Insbesondere bei Einfamilienhausgebieten würde eine solche Vergabe nach Meistgebot in einer vorübergehenden Knappheitslage zu einer untragbaren Bevorzugung der wohlhabenden Interessenten führen, was zu Recht einen Sturm der Entrüstung entfachen würde. Was selbst Gemüsehändlern verübelt wird, nämlich eine Knappheitssituation allzu sichtbar zur Anhebung der Preise auszunutzen, wird einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft mit Monopolstellung erst recht nicht zugebilligt. Grundstücksinteressenten erwarten, dass sich Gemeinden als verlässliche Partner erweisen, indem sie mäßigend und verstetigend auf Bodenpreise wirken. Bei zeitweiser Übernachfrage wird die Gemeinde deswegen andere Auswahlkriterien wählen: Berücksichtigung in der zeitlichen Reihenfolge der Bewerbung oder des Zugriffs, Quoten für benachteiligte Gruppen wie Kinderreiche, Bezieher niedriger Einkommen, Ausländer usw.

(5) Subventionen

Um eine günstige Mischung sozialer Schichten und unterschiedlich rentabler Nutzungen zu erreichen, dürfte es bei breiter Verwendung des Erbbaurechts zu marktgerechten Zinsen notwendig werden, verstärkt mit Subventionen zu arbeiten. Dies liegt insbesondere dann nahe, wenn freie Träger öffentliche Aufgaben erfüllen, z.B. Sportstätten, Altenheime und Polikliniken. Die anstelle ermäßigter Erbbauzinsen gesondert gezahlte Subvention wahrt immerhin den Anreiz zu sparsamer Grundstücksnutzung, ist transparenter und leichter reversibel. Um Minderbemittelte nicht zu verdrängen, wird Wohngeld breiteren Anwendungsbereich erlangen und wesentlich mehr Mittel erfordern. Auch im gewerblichen, insbesondere im Dienstleistungsbereich wird der Ruf nach Subventionen sich verstärken, um weniger rentable Nutzungen, z.B. Buchläden und Galerien, in Stadtzentren zu halten oder Lebensmittelläden in Stadt- und Ortsteilen.

Die Gefahr ist groß, dass sich hier neben der ohnehin arbeitsaufwendigen Verwaltung von Erbbaurechten eine zusätzliche Subventionsbüro-kratie entfaltet mit allen Wucherungen, die solcher Art Verwaltung kennzeichnen.

(6) Verzögerte Erbbauzinsanpassung

Wie die Eingangsbeispiele zeigen, kann die marktgerechte Anpassung des Erbbauzinses schädliche Verdrängungseffekte zeitigen. Dem versucht das Seminar mit einer Stufenregelung für Eigennutzer zu begegnen, indem die Anpassung des Erbbauzinses längstens 30 Jahre hinausgeschoben wird, es sei denn, das Anwesen wird vermietet, verpachtet oder verkauft. Diese eher als ausnahmsweise Abweichung vom Tugendpfad des marktgerechten Erbbauzinses ins Auge gefasste Verzögerung der Zinsanpassung wird sich für breitere Anwendungsbereiche anbieten. Die wechselnde Höhe von Erbbauzinsen ergibt immer Stufen, so dass es keine Prinzipienfrage, sondern eine pragmatisch zu beantwortende Frage des Grades ist, wie lang und hoch man diese Stufen wählt, fünf, 30 oder 99 Jahre. Einerseits sprechen bodenordnungspolitische Gründe für möglichst zeitnahe Anpassung des Erbbauzinses, damit dem Erbbauberechtigten kein spekulativ verwendbarer Vorteil zuwächst. Auch zeigen die praktischen Erfahrungen in westdeutschen Städten, dass Verzögerungen die Anpassung eher erschweren als erleichtern, weil die Stufen dann psychologisch störend groß werden.

Andererseits gilt es Verdrängungseffekte zu vermeiden, die gewachsene soziale Zusammenhänge zerstören. Die vom Seminar empfohlene Höchstdauer von 30 Jahren wird sich in der Praxis als zu starr erweisen. Wenn man die Lebenserwartungen von Häuslebauern berücksichtigt und außerdem das Zusammenleben der Generationen fördern und ermöglichen will, dass Familien ihr Haus auch durch Zeiten der Arbeitslosigkeit halten können, wird man die familiären Verhältnisse flexibler berücksichtigen müssen.

Im gewerblichen Bereich ist das Kriterium des »Eigennutzers« wenig hilfreich; denn es kann nicht entscheidend sein, ob der Erbbauberechtigte das Gebäude selbst nutzt, es vermietet oder verpachtet hat (vielleicht aus steuerrechtlichen Gründen an seine Frau) oder ob Erbbauberechtigter eine Gesellschaft mit wechselnden Gesellschaftern ist. Wichtiger ist die Art der Nutzung. Ist sie weniger rentabel und in dieser Lage trotzdem erwünscht, wird die Gemeinde evtl. trotz Nutzerwechsels von einer Zinsanpassung absehen, zumindest dann, wenn angenommen werden kann, dass dies dem tatsächlichen Nutzer (und nicht nur dem Vermieter oder Verkäufer) zugute kommt.

Für ein Verzögern der Erbbauzinsanpassung spricht auch die Tatsache, dass parallel zum Erbbaurecht für lange Zeit noch Privateigentum an anderen Grundstücken besteht, Boden also weiterhin als Kapitalanlage missbraucht und künstlich verknappt wird. In der Hoffnung auf späteren Veräußerungsgewinn werden Bodenpreise spekulativ in die Höhe getrieben und übersteigen den kapitalisierten Wert dessen, was an Bodenrente tatsächlich erwirtschaftet werden kann. Andererseits verzerren sich Konkurrenzsituationen, weil der Bodeneigentümer - im Gegensatz zum Erbbauberechtigten - der Kostenkalkulation nicht den aktualisierten Bodenwert zugrunde legen muss und deshalb begünstigt ist.

(7) Fairnessgrenzen

Das Seminar will zur Richtlinie der Erbbauzinsanpassung den Wert machen, »der für das Grundstück erzielbar wäre, wenn das Erbbaurecht zum Zeitpunkt der Anpassung vom Grundstückseigentümer neu ausgegeben würde; davon können die Vertragsteile bei der Neufestlegung der Erbbauzinshöhe nach unten bis zu ... % nach billigem Ermessen (§ 15 BGB) abweichen« (Mustervertrag Abschnitt IV § 2). Das Seminar will also nicht nur die tatsächlich erzielte Bodenrente abschöpfen, sondern diejenige, die der »beste Wirt« des jeweiligen Grundstücks erzielen könnte. Ein marktgerechtes Nutzungsentgelt soll den Erbbauberechtigten veranlassen, das Grundstück optimal zu nutzen oder es einem anderen zu überlassen, der es rentabler zu nutzen versteht.

Durch ein ökonomisches Instrument ökologisch sparsame Bodennutzung zu fördern, ist durchaus überzeugend; doch die Ausgestaltung ist noch nicht gelungen. Wenn die Gemeinde sich an dem Wert orientiert, der bei Neuausgabe des Erbbaurechts erzielbar wäre, übersieht sie die zeitliche Begrenzung des Erbbaurechts und die Tatsache, dass sie sich für diese Zeit an einen Vertragspartner gebunden hat. Was bei einem ewigen Erbbaurecht noch logisch wäre, ist es bei einem zeitlich befristeten nicht. Denn letzteres mindert sich gegen Ende des Zeitraums in seinem Wert, weil selbst eine volle Entschädigung der baulichen Anlagen die eingeschränkte Dispositionsfreiheit des Erbbauberechtigten nicht aufwiegt. Nach dem Musterentwurf soll der Erbbauberechtigte sein Nutzungsrecht bis zum letzten Jahr so entgelten, als ob es ewig weiterliefe. Das ist wohl kaum zumutbar.

Im übrigen wirkt die Anpassungsklausel wie die Vorwegsanktionierung eines einseitigen Vertragsbruchs. Faktisch wird das vertragliche Entgelt weitgehend zur einseitig (hoheitlich) veränderbaren Abgabe umfunktioniert. Als Planungsinstanz kann die Gemeinde die Rahmenbedingungen für die Grundstücksnutzung einseitig ändern und als Grundstückseigentümerin über Anhebung des Erbbauzinses alsbald Druck auf Ausschöpfung der erweiterten Nutzungsmöglichkeiten ausüben. Das Risiko eines hierfür suboptimalen Vertragspartners wälzt sie auf diesen ab, so dass dieser entweder bluten oder weichen muss. Eine solche Konzeption mag zwar Stadtplaner begeistern, nicht jedoch Investoren und Häuslebauer.

Der Druck von Grundstückseigentümern auf die Stadtplaner, bodenwerterhöhende Nutzungserweiterungen zu ermöglichen, wird bei Anwendung der Erbbaurechtskonzeption des Seminars zumindest teilweise ersetzt durch Druck von Erbbauberechtigten, genau solche Veränderungen zu unterlassen, solange sie diese nicht ausnutzen und deshalb weder Verlagerungskosten noch erhöhte Erbbauzinsen akzeptieren. In manchen Fällen mag der durch erhöhten Erbbauzins ausgelöste Druck auf intensivere Grundstücksnutzung zumutbar und berechtigt sein, in anderen nicht. Völlig interessenfrei wird Stadtplanung nie, auch nicht durch das Erbbaurechtskonzept des Seminars. Das eigene Interesse der Kommune am erhöhten Erbbauzins kommt sogar hinzu. Dem erwähnten Interesse an Nichtausweitung der Nutzungsmöglichkeiten kann die Stadt nur ausweichen, wenn sie von einer entsprechenden Erhöhung des Erbbauzinses einstweilen absieht.

Eine marktgerechte Erbbauzinsanpassung ist nur im Rahmen fairer Partnerschaft erträglich, die ein vernünftiges Eingehen auf Besonderheiten des Einzelfalles bzw. einzelner Fallgruppen erfordert. Die wechselseitige Bindung verbietet einseitige, unzumutbare Änderungen. In die oben zitierte Anpassungsklausel wäre vor den Worten »neu ausgegeben« ergänzend einzufügen: »für die restliche Vertragsdauer«. Diese Einschränkung dürfte zusammen mit dem schon vorgesehenen Billigkeitsabschlag vor allem gegen Vertragsende zu einer Mäßigung der Erbbauzinsanpassung führen.

(8) Rückverteilung des Erbbauzinses

Weil die Erde allen gehört und um auch sozial Schwachen den Boden zugänglich zu machen, schlägt das Seminar in Anlehnung an Silvio Gesell vor, die Erbbauzinsen für Wohngrundstücke pro Kopf an die Einwohner zurückzuverteilen. Die Entmischungs- und Verdrängungseffekte des marktgerecht angepassten Erbbauzinses würden dadurch vielleicht etwas gemildert, aber nicht behoben. Die beschriebenen Gegengewichte bleiben also gleichwohl notwendig.

Im übrigen handelt es sich bei dieser Rückverteilung der Erbbauzinsen um eine zeitlich erst in ferner Zukunft liegende Lösung, weil die Gemeinden - wahrscheinlich auf die Dauer mehrerer Generationen - die Einnahmen benötigen, um weiteren Grunderwerb zu finanzieren. Deswegen können die kommunalhaushaltsrechtliche Beurteilung und mancherlei weitere in diesem Zusammenhang auftauchende Fragen vorerst unerörtert bleiben: Warum Rückverteilung nur der Wohngrundstücks-Erbbauzinsen (was die Ausweisung von Wohngebieten im Vergleich zu Gewerbegebieten für Kommunen unattraktiv macht)? Auszahlung nur an Erbbauzinszahler oder auch an die restlichen Eigentümer (wohl letzteres)? Zahlung an alle Einwohner (mit Zweit- und Drittwohnsitz) oder nur an Bürger? Lohnt sich der gewaltige Verwaltungsaufwand, wenn ein Großteil der Grundstücke in Größe und Wert etwa gleich ist? Ist die gezielte Verwendung für Kindererziehung nicht doch eine sinnvollere Lösung?

So faszinierend der Gedanke ist, einen solchen Ausgleich der Bodennutzungsentgelte sich länderübergreifend, ja erdumspannend vorzustellen, so problematisch wird er bei näherem Hinsehen, u. a. weil die Differenzen der Bodenrente nicht nur aus natürlichen Gegebenheiten herrühren, sondern weit stärker aus Standortentscheidungen und Infrastrukturmaßnahmen der Menschen, Geschichte, Entwicklungsstand, Produktivität, Wohlstand und Fähigkeiten der Benutzer. Reduziert man den Ausgleich auf Unterschiede in Klima, Wasservorrat, Bodenschätzen und Bodenfruchtbarkeit, wäre armen Ländern mit der Beendigung der von uns ausgehenden Ausbeutung vermutlich mehr geholfen als mit einer solchen Umverteilung, deren Berechnung überaus kompliziert und deren Verwaltung einen erheblichen Teil des Aufkommens auffressen würde.

2. Anwendungshemmnisse

a) Mangelnde Akzeptanz

(1) bei Nutzern

Man könnte meinen, dass die Menschen in den neuen Bundesländern durch das System von Bodennutzungsrechten gemäß DDR-Zivilgesetzbuch bestens auf das Erbbaurecht vorbereitet wären und dieses Rechtsinstrument von kapitalschwachen Eigenheimerbauern und gewerblichen Investoren gern wahrgenommen würde. Diese Annahme trifft nur sehr eingeschränkt zu. Zwar findet man durchweg Verständnis und in Einzelfällen auch gezieltes Interesse an dieser Investitionserleichterung. Doch der Erbbauzins und erst recht dessen unkalkulierbare spätere Entwicklung sind im Vergleich zu den bisher weitgehend unentgeltlichen Nutzungsrechten ein gar zu misslicher Nachteil.

Jeder Grundstücksinteressent kann sich ausrechnen, dass er selbst bei bloßer Lebenshaltungskostenindex-Anpassung des Erbbauzinses im Endeffekt mehr zahlt als bei Kauf, ohne Eigentümer zu werden. Deshalb und um darüber hinausgehende Bodenwertsteigerungen lieber selbst einzustecken, wird jeder ökonomisch denkende Grundstücksinteressent den Kauf bevorzugen, sobald er dies finanzieren kann. Werden Kauf und Erbbaurecht wahlweise nebeneinander angeboten, wird sich das Erbbaurecht nur bei Ermäßigung des Erbbauzinses bzw. Verzicht auf marktgerechte Anpassung behaupten, wie die Erfahrungen in westdeutschen Städten zeigen.

In den neuen Bundesländern kommt hinzu, dass die Menschen nachholen wollen, was ihnen in den letzten 40 Jahren vorenthalten wurde. Dazu gehört auch das Bodeneigentum, das in der DDR zwar formal, nicht aber ökonomisch gewährleistet war. Je ländlicher der Raum, desto stärker ist das Bedürfnis, alle Vorteile zu genießen, die Bodeneigentum bietet: Sicherheit, Verfügungsmacht, Besitzerstolz, Wertsteigerung usw. Der durch den Sozialismus erzwungene Fortschritt wird geradezu zwangsläufig abgelöst durch einen Rückfall in das Eigentumsdenken des 19. Jahrhunderts.

Aus den vielen Gesprächen und Schilderungen über die Einstellung der Menschen habe ich den Eindruck gewonnen, dass dieser Rückfall nicht nur vom Westen aufgenötigt wurde, sondern auch den Sehnsüchten der Bevölkerungsmehrheit entsprach und dass für den erhofften Schritt nach vorn im Bodenrecht die Zeit leider noch nicht reif war. Allzu deutlich hatte die Modrow-Regierung bereits die Weichen in Richtung privaten Bodeneigentums gestellt, indem den Nutzungsberechtigten der Grunderwerb zu Niedrigstpreisen angeboten und von diesen auch breit wahrgenommen wurde.

Dass nun auch die Wohnungsgenossenschaften mit Nachdruck nach dieser Lösung verlangen, kann man ihnen nicht verdenken. Dass ihnen der Erbbauzins für viele Jahre erlassen werden könnte und es für den Wohnungsbau in der Stadt besser wäre, wenn später durch schrittweises Heranführen des Erbbauzinses an den Marktwert gleiche Bedingungen mit dem freien Wohnungsbau herbeigeführt würden, vermag den Vorteil des Bodeneigentums und seiner erhofften Wertsteigerung offenbar nicht aufzuwiegen. Sofern nicht einzelne Städte gegen die inzwischen geschlossene Meinungsfront der Ministerien in dieser Frage Widerstand leisten und die Auslegung der Protokollnotiz 13 zum Einigungsvertrag durch ein Gericht klären lassen, dürfte der Kampf für das Erbbaurecht im komplexen Wohnungsbau wohl verloren sein. In künftigen Fällen wird es voraussichtlich nur dann akzeptiert, wenn die Alternative Kauf gar nicht erst angeboten wird.

Der Tendenz nach ähnlich dürfte die Entwicklung für die noch bestehenden Nutzungsrechte verlaufen, die durch das in Vorbereitung befindliche Sachenrechtsbereinigungsgesetz in Erbbaurechte umgewandelt werden. Da ein Ankaufsrecht vorgesehen ist, werden je nach Ausgestaltung der Erbbauzins- und Kaufbedingungen wohl die meisten Nutzungsberechtigten früher oder später den Kauf wählen.

(2) bei Banken

In vielen Städten wurde mir berichtet, dass die Banken bei Kreditverhandlungen das Erbbaurecht ablehnen und Sicherheiten an privatem Bodeneigentum verlangen. Diese Haltung könnte vordergründig in mangelnden Informationen und Erfahrungen begründet sein oder darin, dass Banken an hoher Kreditausgabe interessiert sind und deshalb tendenziell unfreundlicher reagieren, wenn der Kunde seinen Kreditbedarf durch Erbbaurecht mindert.

In westdeutschen Städten mit breiter Erbbaurechtspraxis sind die Auskünfte weit positiver, was allerdings eng mit der milden Erbbauzinspraxis zusammenhängt. In Wolfsburg z.B. empfiehlt die Sparkasse Existenzgründern häufig das Erbbaurecht, um die Anfangsbelastung zu reduzieren. Interessant ist auch, an den von Fritz Andres in einer Gesprächsnotiz mitgeteilten Beispielen festzustellen, wie der Verkehrswert des Erbbaurechts über den Gebäudewert dadurch hinausgeht, dass der Erbbauzins in Wolfsburg erheblich unter dem Marktwert liegt. Auf diese Weise wird dem Erbbauberechtigten ein Bodenwertanteil zugeschoben, bei Eigenheimen in normaler Lage häufig um 50000 DM, in extrem guter Lage bis 170000 DM. Im Verkehrswert wird die künftige Wertsteigerung des unterbezahlten Erbbaurechts teilweise vorweggenommen. Bei ausreichend langer Restlaufzeit des Erbbaurechtsvertrags und extrem guter Lage wird das Erbbaurecht angesichts der fehlenden Erbbauzinsanpassung in Wolfsburg fast so hoch wie Eigentum bewertet. Aus diesem Sonderfall herzuleiten, die Kreditinstitute in Wolfsburg würden bei der Beleihung »keinen Unterschied« machen, ob der Investor Grundstückseigentümer oder Erbbauberechtigter ist (so das Seminar-Merkblatt »Privatisierung der Grundstücksnutzung durch Vergabe von Erbbaurechten«, IX.), ist allerdings irreführend, da dies bei marktgerechtem Erbbauzins gerade nicht zutrifft.

Ganz so schematisch, wie von Fritz Andres wiederholt dargestellt (siehe u. a. in FdF 218, S. 35/42), ist die Vermögensverschiebung zwischen Grundstückseigentümer und Erbbauberechtigtem durch Ermäßigung des Erbbauzinses im übrigen nicht. Logisch würde eine 100%ige Verschiebung des Bodenwerts vom Grundstückseigentümer zum Erbbauberechtigten ein ewiges und kostenloses Erbbaurecht ohne jegliche Bindungen voraussetzen. Nach der Rentenbarwerttabelle vermindert die zeitliche Begrenzung des Erbbaurechts z.B. auf 60 Jahre den Verschiebungseffekt (bei angemessenem Erbbauzins von 5 %) zwar nur um rund 5 %. Stärkere Wirkungen haben dagegen die Bindungen des Erbbauberechtigten, wofür die Wertermittlungs-Richtlinien weitere 10 bis 70% Wertminderung ansetzen. Weil dem Grundstückseigentümer auf jeden Fall ein Restanteil des Bodenwerts verbleibt, den man je nach Bindung des Nutzungsberechtigten unterschiedlich bewerten kann, ergibt sich beim Verkauf von Grundstücken an unentgeltlich und unbefristet Nutzungsberechtigte überhaupt ein Kaufpreis, der zwischen 1,- DM und 50 % des Verkehrswerts angesetzt wird.

Widersprüchlich ist es demgegenüber, wenn das Seminar in seinem Merkblatt »Wohnungsgenossenschaften und kommunale Wohnungsgesellschaften in den neuen Bundesländern« einerseits bei unentgeltlichem Nutzungsrecht eine 100%ige Vermögensverschiebung auf den Nutzungsberechtigten annimmt und andererseits diese Nutzungsrechte auf normal entgeltliche Erbbaurechte umstellen möchte (was enteignend wirken würde) und das »Verschenken« der Grundstücke anprangert, während nach der erstgenannten Annahme der Grundstückseigentümer doch gar keinen Bodenwertanteil mehr zu verschenken hätte.

Auch verleitet das Merkblatt zu dem Irrtum, die Gemeinde könne durch einen auf 10 oder 20 Jahre begrenzten Erbbauzinserlass den Beleihungswert des Erbbaurechts im selben Maße erhöhen. Die Auswirkungen betragen maximal 35 bis 55 % des Bodenwerts, wenn (bei einem sehr bindungsfreien Erbbaurechtsvertrag) nach 10 bzw. 20 Jahren der Erbbauzins mit 5 % einsetzt.

Unstrittig ist dagegen, dass bei marktgerechtem Erbbauzins, wie ihn das Seminar anstrebt, das Erbbaurecht keinen Bodenwertanteil hat. Beleihungswert kann also nur das Gebäude sein. Die vorhandene Bausubstanz ist jedoch oft so schlecht, dass sie selbst für einen ersten Sanierungsabschnitt nicht als Sicherheit ausreicht, zumal die Beleihungsgrenze in der Regel bei drei Fünfteln des Beleihungswerts liegt (so bei Sparkassen).

Je breiter Kommunen das Erbbaurecht anwenden, desto mehr entzieht sich den Banken der Boden als Sicherheit, die durch ihre Wertsteigerung bisher manches Risiko abfing. Bei breiter Erbbaurechtspraxis müssen Banken ihre Risiken sorgfältiger prüfen oder sie stärker mittragen. In dieser durchaus folgenreichen Veränderung für das Kreditgeschäft liegt wohl der tiefere Grund für die Abneigung der Banken gegen das Erbbaurecht.

b) Überforderung der Gemeinden

(1)Mangelnde Grundstücksausstattung und fehlender Finanzspielraum

Wie bereits im 1. Teil angedeutet, liegt hier das entscheidende Hemmnis für eine breite Anwendung des Erbbaurechts in den neuen Bundesländern. Die Grundstücksausstattung der Gemeinden ist sehr unterschiedlich. Aus dem Verwaltungsvermögen kommen für Erbbaurechtsverträge nur Einrichtungen in Betracht, die in private Trägerschaft übertragen werden (z.B. Altenheime, Polikliniken, Sportstätten). Beim Finanzvermögen können die Grundstücke des komplexen Wohnungsbaus (kommunale Wohnungsbaugesellschaften und Wohnungsgenossenschaften) als für das Erbbaurecht verloren abgeschrieben werden. Bei Grundstücken mit Ein- und Mehrfamilienhäusern werden Nutzungsberechtigte aufgrund des geplanten Sachenrechtsbereinigungsgesetzes wahrscheinlich weitgehend vom Ankaufsrecht Gebrauch machen. So verbleiben Grundstücke mit Wochenendhäusern, Grundstücke, für die am 3. 10. 1990 Wohnungsbau oder Gewerbeansiedlung vorgesehen war, vom Land den Gemeinden aus eigenem Anteil überlassene Grundstücke und Flächen, die Gemeinden aus früherem Altbestand zwischen 1945 und 1990 anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften unentgeltlich überlassen haben.

Historisch bedingt verfügen nur einzelne Städte wie Stralsund vor allem aus der letztgenannten Kategorie über einen reichhaltigen Grundstücksvorrat, der sich für Erbbaurechtsverträge anbietet. Die - oft durch personelle Überbesetzung der Verwaltung verschärfte - Finanzknappheit der Städte und Gemeinden verleitet jedoch viele Kommunen, ihre Haushaltslöcher durch Grundstücksverkäufe zu stopfen. Um so weniger sehen sie sich in der Lage, das Erbbaurecht für Grundstücke anzubieten, die sie zuvor erwerben mussten. Die im 1. Teil aufgezeigte finanzielle Durststrecke der ersten 10 bis 20 Jahre schreckt sie ab. Die drängenden Probleme der Gegenwart, notwendige Infrastrukturmaßnahmen und Schaffung von Arbeitsplätzen, wollen jetzt gelöst werden und nicht erst in Jahrzehnten. Die Vorauszahlung des Erbbauzinses könnte nur teilweise helfen, zumal sich Grundstücksinteressenten wohl nur dann darauf einlassen, wenn der Grundstückskauf generell und nicht nur in dieser Gemeinde verweigert würde. Von einer solchen geschlossenen Haltung in der Bodenpolitik sind die Gemeinden noch weit entfernt.

(2) Verwaltungsaufwand und Grenzen der Kommunalpolitik

Die Aussicht, durch marktgerecht angepassten Erbbauzins rasant steigende Bodenrenten zu vereinnahmen, wie sie Helmut Creutz für die letzten 30 Jahre graphisch eindrucksvoll dargestellt hat, konnte in Gesprächen und Veranstaltungen manchen Stadtkämmerer zeitweilig begeistern. Der Vorschlag, diese Einnahmen ausschließlich für weiteren Bodenerwerb zu verwenden und später zurückzuverteilen, wirkte sichtlich dämpfend, erst recht aber der Blick auf die Kompliziertheit des Erbbaurechts und die Schwierigkeit, Erbbauzinsanpassungen tatsächlich durchzusetzen.

Der weite Spielraum, den die Erbbaurechtsverordnung den Vertragschließenden lässt, macht lange und komplizierte Verträge notwendig. Auch der relativ schlanke Seminar-Entwurf, der durch Verzicht auf Bauverpflichtungen und durch vorweg erklärte Zustimmungen zu Veräußerung und Belastung für die Kommunen manche Risiken birgt, ist für Laien immer noch schwierig zu verstehen. Die Unterscheidung zwischen dinglichen und schuldrechtlichen Absprachen, die Anpassungsregelung für den Erbbauzins und die komplizierten Absicherungen und Verpflichtungen zur Weiterübertragung, erst recht zusätzliche Stillhalteerklärungen zur ansatzweisen Lösung der Konkurrenz zwischen Grundstückseigentümer und

Kreditgeber machen das Erbbaurecht selbst für erfahrene Liegenschaftsverwalter zu einem höchst schwierigen Terrain; wie viel mehr für mangelhaft ausgebildete und unerfahrene Verwaltungsleute in den neuen Bundesländern. Mit der strengen Erbbauzinsanpassung bürdet der Vertragsentwurf des Seminars den Verwaltungen eine Last auf, die in dieser Weise zu meistern noch keiner Stadtverwaltung in Deutschland gelungen ist. Die Prozesslawine in Wolfsburg, vor der Verwaltung und Gemeinderat schließlich kapitulierten, gibt einen Eindruck von der Herbheit dieser Aufgabe, von den Problemen bei Ablauf des Erbbaurechtsvertrags ganz zu schweigen, welche für Berlin-Kreuzberg als die schwierigsten von allen geschildert wurden.

Eine marktgerechte Anpassung des Erbbauzinses dürfte in den neuen Bundesländern zusätzlich dadurch erschwert werden, dass der Grundstücksmarkt, zwischen Spekulation und wirtschaftlicher Depression hin- und hergerissen, Kapriolen schlägt und andererseits die Bevölkerung noch stark daran gewöhnt ist, dass öffentlich zur Verfügung gestellter Boden nichts kostet.

Wie viel einfacher ist im Vergleich dazu der Verkauf von Grundstücken! Nimmt man dann noch hinzu, was oben unter 1. an Rahmenbedingungen und Gegengewichten als notwendig befunden wurde, von verdichteter Bauleitplanung und Bestandsschutz bis zu Subventionen und Rückverteilung, dann muss man zweifeln, ob das Erbbaurecht in der jetzigen, in vielen Aspekten unzureichenden gesetzlichen Ausgestaltung für Kommunen in den neuen Bundesländern der »Königsweg« sein kann. Bei der Übertragung öffentlicher Einrichtungen auf freie Träger und bei Grundstücken von lagemäßig öffentlicher Bedeutung wird das Erbbaurecht schon jetzt vielfach verwendet. Hierfür ist der Seminar-Vertragsentwurf durch den Verzicht auf Bindungen jedoch weniger geeignet. Auf dem breiten Felde, für das er gedacht ist, wird er hingegen nicht angewendet, abgesehen von einzelnen Städten, die dank guter Grundstücksausstattung und ausreichender Finanzlage dazu in der Lage sind.

Durch Vergabe von Erbbaurechten mit marktgerechtem Erbbauzins eine flächendeckende Neuordnung unseres Bodenrechts zu bewerkstelligen, überfordert die Kommunen. So vorteilhaft das Erbbaurecht für die Stadtplanung wäre, so schwierig ist es für Kämmerer und Liegenschaftler. Eine solche über viele Jahrzehnte konsequent durchgeführte kommunale Bodenpolitik geht über die Kräfte derer, die in Städten und Gemeinden mit oft eher kurz- bis mittelfristiger Perspektive das Sagen haben.

Die Konzentration von Planungskompetenz und Grundstückseigentum in kommunaler Hand birgt zudem erhebliche Gefahren. Deshalb wäre es ratsam, den Boden einem unabhängigen Bodenfonds zu übertragen, der Einzelinteressen weniger ausgesetzt ist und die schwierige Handhabung des Erbbaurechts eher meistern könnte. Freilich ist auch eine solche Lösung politisch zur Zeit nicht wahrscheinlich. Die Hauptwirkung der Seminar-Initiative wird deswegen neben punktuellen Erfolgen in einzelnen Städten darin liegen, einen Lernprozess über den Umgang mit Boden befördert zu haben, der sich für eine andere (Teil-)Lösung als hilfreich erweisen könnte, nämlich dann, wenn der Bundesgesetzgeber, genötigt durch ein zu erwartendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das Bewertungsgesetz überarbeiten muss. Die längst überholte Einheitsbewertung von Grundstücken mit z.B. 1/5, 1/10 oder in Extremfällen nur 1/100 des Verkehrswerts privilegiert die Kapitalanlage in Grund und Boden insbesondere bei der Vermögens-, Erbschafts- und Schenkungssteuer auf krasse und verfassungswidrige Weise, verursacht eine künstliche Nachfrage und treibt dadurch die Verkehrswerte in die Höhe. Wenn es bei dieser überfälligen Reform gelingt, die Bodenwerte zu aktualisieren und bei der Grundsteuer bebaubare Grundstücke stärker heranzuziehen, die Gebäude auszuklammern und eine gesonderte Besteuerung der Bodenwertzuwächse einzuführen, könnte die breit angelegte Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit des Seminars zu diesem Fortschritt beigetragen haben.


Quelle: Fragen der Freiheit (H. 224), Seminar für freiehitliche Ordnung