Erbbaurecht in West und Ost I

01.12.1993

Erbbaurecht in West und Ost

Bericht über ein Innovatives Projekt – Teil I

Die Erbbaurechts-Initiative des Seminars für freiheitliche Ordnung hat einiges in Bewegung gebracht, u.a. auch mich. In den neuen Bundesländern auf dieses Instrument und die Erfordernisse sachgemäßer Handhabung hinzuweisen und dadurch zu einer gerechten Bodenordnung beizutragen, schien mir ein dringliches und vielversprechendes Vorhaben zu sein. Mich in dieses Projekt einzufädeln, war deshalb ein naheliegender Gedanke bei der Überlegung, welchem Thema ich nach neun Jahren Unterricht (Öffentliches Recht und Kommunalpolitik) an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in Kehl mein überfälliges Fortbildungssemester widmen sollte.

Da eine solche Praxiserkundung und -beratung, wie der selbstlose Einsatz der Vorstandsmitglieder des Seminars zeigt, mit erheblichem Reiseaufwand verbunden ist, riet mir das fürsorgliche Wissenschaftsministerium Baden-Württemberg, die Sache als „Forschungs- und Entwicklungsvorhaben“ zu konzipieren. Unter der Überschrift „Sachgerechte Ausgestaltung kommunaler Erbbaurechtsverträge“ formulierte ich die zu behandelnde Frage: „In welcher Ausgestaltung ist die Vergabe von Erbbaurechten durch Kommunen eine geeignete Form, die Bodennutzung zu privatisieren?“ Durch eingehende schriftliche Begründung und zahlreiche erläuternde Gespräche gelang es tatsächlich, hierfür aus dem vorwiegend für technische Neuerungen gedachten Schwerpunktprogramm „Innovative Projekte“ zur Förderung der Fachhochschulforschung Mittel bewilligt zu bekommen sowie eine zeitweise Freistellung von meiner Lehrverpflichtung.

Weil ich mich bislang mit Fragen der Bodenordnung nur wenig und mit Zivilrecht schon seit Jahrzehnten kaum noch beschäftigt hatte, musste ich mich erst einmal in die überaus komplizierte Materie des Erbbaurechts einarbeiten. Denn die Erbbaurechtsverordnung von 1919 bietet nur einen Rahmen, der erst durch Rechtsprechung und Literatur präzisiert und an manchen Stellen auch ausgedehnt wurde und für vielerlei vertragliche Ausgestaltungen, sowohl vernünftige als auch kurzsichtige, Raum bietet. Diesen im Sachenrecht eigentlich atypischen Gestaltungsspielraum können Gemeinden nutzen, um in möglichst vielen Einzelfällen das Recht am Boden so zu regeln, wie es eigentlich gesetzlich generell geordnet sein müsste. Das Erbbaurecht bietet zumindest theoretisch und bei langfristig konsequenter Handhabung die Chance einer Bodenreform von unten, die leistungslose Bodenrenten der Gemeinschaft zufließen lässt und den Boden auf diese Weise der Spekulation entzieht.

Die praktischen Möglichkeiten hierfür beim Aufbau in Ostdeutschland auszuloten und, wenn möglich, ausdehnen und wahrnehmen zu helfen, war eine lockende Aufgabe. Dafür schien es mir ratsam, zunächst die westdeutsche Praxis, wenn auch nur exemplarisch, näher kennen zu lernen (1.), bevor ich mich der Situation in den neuen Bundesländern zuwandte (2.). Eine kritische Betrachtung der Erbbaurechtskonzeption des Seminars folgt später in einem Teil II.

1. Erbbaurechtspraxis in einzelnen westdeutschen Städten

Von den vielen Kommunen, die nach einer Umfrage des Deutschen Städtetages von 1989 Erbbaurechte vergeben haben, wählte ich solche aus, die dabei besonders umfangreiche Erfahrungen sammelten: Lübeck mit rd. 9.500 Erbbaurechten, Wolfsburg (5.900), Hamburg (5.700), Kaiserslautern (3.800) sowie Freiburg (1.500). In Wolfsburg und Kaiserslautern konnte ich von Fritz Andres geknüpfte Kontakte fortsetzen. Leiter und Mitarbeiter der städtischen Liegenschaftsämter gaben mir bereitwillig Auskunft.

Gemessen an der idealtypischen Erbbaurechtskonzeption des Seminars mit einerseits eigentumsähnlich freiem Nutzungsrecht und andererseits marktgerechtem Entgelt ist die bisherige Praxis ernüchternd und unbefriedigend. Dies liegt zum einen an der Entwicklung des rechtlichen Rahmens, insbesondere an Beschränkungen für die Anpassung des Erbbauzinses, im übrigen an mangelnder Akzeptanz bei den Beteiligten.

a) Ausgangslage

Der Erbbauzins orientiert sich richtigerweise am realen Kapitalzins (4 % 5 %), liegt also um den Inflationsausgleich unter dem nominellen Kapitalzins (z.B. 8 %), weil der Boden im Unterschied zum Geld im Wert erhalten bleibt. Dieser (kurzfristige) finanzielle Vorteil für die Erbbauberechtigten bereitet den Gemeinden als Grundstückseigentümern zunächst eine finanzielle Durststrecke, weil sie für einen an Stelle des Verkaufserlöses aufgenommenen Kredit höhere Zinsen zahlen müssen, als sie Erbbauzinsen einnehmen. Durch zunehmende Finanznöte sehen sich Kommunalpolitiker deshalb immer stärker in Richtung Verkauf gedrängt (so in Kaiserslautern und Freiburg). Denn die erhofften finanziellen Vorteile für die Gemeinden und die Allgemeinheit stellen sich mittelfristig nur ein, wenn die Erbbauzinsen tatsächlich während der Vertragsdauer marktgerecht angepasst werden.

Eine solche Anpassung schien § 9 II 1 Erbbaurechtsverordnung (ErbVO) zunächst auszuschließen, wo es heißt, dass der Erbbauzins nach Zeit und Höhe für die ganze Erbbauzeit im voraus bestimmt sein muss. Nachdem dies angesichts von Inflation und steigenden Grundstückswerten immer unhaltbarer wurde, konzedierte der Bundesgerichtshof im Jahr 1956 (BGHZ 22, 220 ff.), schuldrechtlich eine Anpassungsregelung zu vereinbaren. Die Welle steigender Erbbauzinsen in der Folgezeit veranlasste den Gesetzgeber im Jahr 1974, durch § 9 a ErbVO für den Wohnungsbereich eine Obergrenze einzuziehen. Danach muss sich das Erhöhungsverlangen im Rahmen der „allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse“ halten, wobei Änderungen der Grundstückswerte außer Betracht bleiben. Diese Regelung interpretierte der Bundesgerichtshof so, dass im Wohnungsbereich das arithmetische Mittel von Lebungshaltungs- und Einkommensindex Obergrenze der Erbbauzinsanpassung ist.

Da sich im Laufe der Jahrzehnte nicht nur Rechtslage und Bodenwerte veränderten, sondern auch die Praxis, haben Kommunalverwaltungen heute ein buntes Nebeneinander unterschiedlichster Fallgruppen zu bewältigen: Neben Verträgen aus neuerer Zeit mit unterschiedlichen Erbbauzinsen und Anpassungsklauseln für Wohnen, Gewerbe und gemeinnützige Einrichtungen stehen Altverträge ohne Anpassungsklauseln, für die der Bundesgerichtshof eine Anpassung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 242 BGB) ermöglichte, aber nur im Rahmen des § 9 a ErbVO, also nach wie vor auf der Basis niedriger und längst überholter Bodenwerte. Dies erklärt die oft extrem unterschiedlichen Erbbauzinsen bei gleichwertigen Grundstücken (in Kaiserslautern z.B. zwischen 0,01 und 6,80 DM/qm).

Nur bei marktgerechtem Erbbauzins wird vermieden, dass Erbbaurechte Spekulationsobjekt werden. Nur dann wird der bodenordnungspolitische Zweck voll erreicht, die Bodenrente der Gemeinschaft zuzuführen und den Bodenmarkt zu mobilisieren. Wegen § 9 a ErbVO kann die Kommune dies allenfalls bei gewerblicher Nutzung praktizieren, nicht jedoch im Wohnungsbereich. Dort hat der Erbbauberechtigte durch den unter Marktwert bleibenden Erbbauzins einen Vorteil, der ihn eventuell von sparsamer Inanspruchnahme abhält und den er bei Verkauf des Erbbaurechts durch einen entsprechend höheren Kaufpreis realisieren kann - es sei denn, dass sich die Stadt als Grundstückseigentümerin in diesem Moment einschaltet und eine marktgerechte Anpassung des Erbbauzinses durchsetzt.

Andererseits übersteigt auch der nur entsprechend dem Lebenshaltungskostenindex angepasste Erbbauzins etwa ab dem 20. Jahr den Kreditzins für den Bodenwert bei Vertragsbeginn. Daraus entsteht das eigentliche Dilemma des Erbbaurechts, dass es beide Seiten unbefriedigt lässt, solange der Kauf als Alternative und Vergleichsmaßstab bleibt: Die Gemeinde ist finanziell zu Beginn im Nachteil, solange der Erbbauzins unter dem Kreditzins liegt, wobei oft zusätzliche Ermäßigungen gewährt werden. Trotzdem sieht sich der Erbbauberechtigte zunehmend benachteiligt, weil er auf lange Sicht mehr bezahlen muss als beim Kauf, ohne Eigentümer zu werden. Auch langfristig wirklich vorteilhaft würde das Erbbaurecht für ihn erst, wenn die Gemeinden Eigentümer aller Grundstücke sind und die Einnahmen aus Erbbauzinsen wieder an die Nutzer zurückverteilen könnten, wie es das Seminar als ferne Perspektive vorschlägt, so dass das Entgelt (abzüglich der Verwaltungskosten) lediglich einen Ausgleich bildet zwischen den Viel- und Wenignutzern. Solange Erbbauzinsen dafür verwendet werden müssen, um die anfängliche Durststrecke der ausgebenden Gemeinde und weiteren Grunderwerb zu finanzieren, erbringen die Erbbauberechtigten eine Vorleistung für eine langfristig gerechtere Bodenordnung. Es ist die Frage, ob dies durch kleine Schritte von unten gelingen kann.

Solange Gemeinden Kauf und Erbbaurecht wahlweise anbieten und keine langfristige Perspektive sichtbar wird, sind Spannungen unausweichlich, weil den Eigentümern steigende Bodenwerte zuwachsen und den Erbbauberechtigten nicht. Es ist nur allzu verständlich, dass Druck auf die Kommunalpolitiker ausgeübt wird, bei den Erbbauzinsen entgegenzukommen oder die Grundstücke zu verkaufen, womit die Chancen für eine langfristig vernünftige Bodenordnung schwinden. Aus dem oft gequälten Lavieren der Städte ergibt sich eine entsprechend breite Palette unterschiedlicher, wechselnder und letztlich unbefriedigender Kompromisse.

b) Handhabung

Die älteste und breiteste Erbbaurechtspraxis hat die Hansestadt Lübeck, die schon während Geltung der spärlichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs, also vor der Erbbaurechtsverordnung von 1919, damit begann, das Errichten von Eigenheimen durch Ausgabe von Erbbaurechten zu günstigen Konditionen zu fördern. Noch heute wird während der ersten Jahre der Erbbauzins ermäßigt, weswegen 2/3 der Grundstücksbewerber sich für diesen Weg entscheiden, zumal sie die Möglichkeit haben, das Grundstück später dann trotzdem noch zu erwerben (allerdings zum dann gültigen Verkehrswert).

Für den gewerblichen Bereich spielt das Erbbaurecht eine auch quantitativ nennenswerte Rolle nur in der Stadt Wolfsburg (mit etwa 1/10 der Erbbaurechte). Die Stadt erhielt im Jahr 1955 aufgrund eines Erstausstattungsvertrages über 1.500 ha, gliederte später 20 Umlandgemeinden ein und ist heute dank weiterer Grundstückskäufe Eigentümerin von rund 5.000 ha mit 25.000 Wohneinheiten auf Erbbaurechtsbasis.

In allen untersuchten Städten steht die Investitionsförderung als Zweck der Erbbaurechtspraxis im Vordergrund. Deshalb wird Erbbaurecht in aller Regel wahlweise neben Kauf angeboten. Einen allgemeinen Verkaufsstop gab es nur in den 70er Jahren, so in Wolfsburg, Hamburg, Lübeck und Kaiserslautern; in Freiburg fordern die Grünen dies zur Zeit für ein neues Baugebiet. Das bodenordnungspolitische Ziel, durch Erbbaurecht die Bodenrente abzuschöpfen, ist weitgehend Theorie geblieben und heute kaum noch im Bewusstsein.

Wichtiger ist den Städten neben der Investitionsförderung die städtebauliche Einflussnahme, die sie sich als Grundstückseigentümer vom Erbbaurecht versprechen. In bestimmten, eng abgegrenzten Kern- und Problemgebieten sowie dort, wo öffentlicher Bedarf entstehen könnte, vergeben insbesondere Hamburg und Wolfsburg ausschließlich Erbbaurecht, um nach Ablauf der Vertragszeit wieder über die Grundstücke verfügen zu können und weil es, so die Einschätzung in Wolfsburg, zumindest psychologisch leichter sei, ein Erbbaurecht nötigenfalls auch schon vorher zurückzuerwerben. Die in Lübeck übliche Generalklausel des „öffentlichen Interesses“ als Heimfallgrund wird von der Verwaltung zu Recht als „nicht durchsetzbar“ angesehen und sollte deshalb lieber gestrichen werden.

Die tatsächliche Realisierung der erhofften Investition sichern sich alle fünf Städte im Gegensatz zum Mustervertrag des Seminars durch detaillierte Bauverpflichtungen, deren Nichteinhaltung als Heimfallgrund gilt. Lübeck verlangt sogar einen Finanzierungsnachweis. In der Regel legen die Städte darüber hinaus bauliche Unterhaltungspflichten, Zustimmungsvorbehalte für Veräußerung, Belastung, bauliche und Nutzungsänderungen sowie fragwürdige Besichtigungsrechte der Grundstückseigentümerin fest. Spätestens beim letzten Punkt kann man den früheren Notar und jetzigen Ersten Bürgermeister Hamburgs Voscherau verstehen, wenn er angesichts solcher Zumutungen von „Knebelungsverträgen“ spricht, die er als Nutzer nicht unterschreiben würde.

Auffallend flexibel und differenziert sind die Städte hingegen beim Erbbauzins: Bei gemeinnützigen Einrichtungen oder zur Investitionsförderung (z.B. bei sozialem Mietwohnungsbau) oft ermäßigt (z.B. auf 2 % des Verkehrswerts in Lübeck), bei Eigenheimbau 4 % oder im Vergleich zum Zinssatz der Bausparkassen schon nicht mehr attraktiv – 5 %, bei gewerblicher Nutzung z.T. höher (Freiburg 6 %, Kaiserslautern 6,5 %, Lübeck 7 %).

Bei der Anpassung des Erbbauzinses gehen die Städte unterschiedliche Wege. Freiburg, Kaiserslautern und seit 1984 auch Lübeck vereinbaren eine am Lebenshaltungskostenindex orientierte Wertsicherungsklausel. Ähnlich wie es Lübeck bis 1984 praktizierte, sichert sich die Stadt Hamburg beim dinglichen Erbbauzins einen Spielraum von 12 % des Verkehrswerts, fordert schuldrechtlich jedoch nur 5 %, um dieses Entgelt dann nach Lebenshaltungskostenindex anzupassen, bis die 12 % etwa nach 20 Jahren ausgeschöpft sind, so dass der Erbbauzins ab dann nominell fest bleibt und im Wert absinkt.

Ganz schlechte Erfahrungen hat die Stadt Wolfsburg gemacht, die 1964 bei gewerblichen und gemischt genutzten Grundstücken begann, die Erbbauzinsen gemäß Bodenwertsteigerungen anzuheben. Diese und weitere Aktionen lösten Wellen von Protesten und Gerichtsverfahren aus. Das Ergebnis dieses langjährigen Verschleißprozesses war schließlich 1980, den Erbbauzins nur noch im Falle des Verkaufs (bzw. bei Konkurs oder Zwangsversteigerung des Erbbauberechtigten) anzupassen. Damit verzichtet die Stadt nicht nur auf nennenswerte Einnahmen, sondern macht das Erbbaurecht zum Spekulationsobjekt. Manche Erbbauberechtigten in der Innenstadt können ihren jährlichen Erbbauzins mit einer Tagesmieteinnahme bezahlen. Die Folgen eines derart verzerrten Marktes sind sichtbar: Einzelne zentrumsnahe Grundstücke bleiben schwach genutzt (z.B. für Bauhof, Lager und Garagen), weil der ökonomische Druck für effektive Nutzung fehlt. Dass unbebaute Flächen für künftige Generationen eine Chance sind, ist angesichts von Öde an Stelle von gestalteten Innenstadträumen ein schwacher Trost. Eine weitere Folge ist, dass die Stadt im Bedarfsfalle für den vorzeitigen Rückerwerb des Erbbaurechts den halben Grundstückspreis (zuzüglich Bauwert) zahlen muss, obwohl sie Eigentümerin ist.

Die Tatsache, dass im Verkaufsfalle der Vorteil eines unter Marktwert liegenden Erbbauzinses mitverkauft und bezahlt wird, hat in Freiburg und Kaiserslautern zu einer interessanten Handhabung geführt, nämlich durch Drohung mit dem vertraglich eingeräumten Vorkaufsrecht die Anpassung des Erbbauzinses an den aktuellen Bodenwert (oder zumindest 75 % desselben, so in Freiburg) durchzusetzen. Die Folge ist dann freilich, dass z.B. für Wohnungserbbaurechte in einem Gebäude unterschiedliche Erbbauzinsen gezahlt werden.

Zwecks vorzeitiger Einnahmebeschaffung und Entlastung der Erbbauberechtigten von Erhöhungsrisiken praktizieren manche Städte die einmalige Ablösung des Erbbauzinses (so in Hamburg und Wolfsburg) oder machen diese sogar zur Pflicht (so in Hamburg bei Geschosswohnungsbau). Damit entfällt freilich auch die vom Seminar erhoffte städtebauliche Wirkung eines laufenden und marktgerecht angepassten Nutzungsentgelts.

Als Entschädigung bei Beendigung des Vertrages bieten Hamburg und Lübeck nur 2/3 des Bauwerts, Freiburg und Wolfsburg dagegen den vollen Wert. Letztere Regelung kann die Auslaufprobleme des Erbbaurechts verschärfen, die gelegentlich (so in Berlin-West) als noch weit gewichtiger beschrieben werden als die Probleme während der Vertragsdauer. Verlängerung (in Freiburg mit je nach Nutzungsdauer gegenüber dem aktuellen Bodenwert ermäßigtem Erbbauzins) oder Neuabschluss sind häufige Lösungen oder aus finanziellen Gründen leider der Grundstücksverkauf. Die Möglichkeit, Quartiere völlig neu zu bebauen, blieb bislang Theorie.

Nicht unerheblich ist der Arbeitsaufwand, und zwar nicht nur bei Abschluss, Verlängerung und Erneuerung der Erbbaurechtsverträge, sondern vor allem auch für deren laufende Verwaltung (Berechnung der Erbbauzinsen, Wahrnehmung der unnötig umfangreichen Grundstückseigentümerrechte usw.). Allein für die laufende Verwaltung benötigt die Hansestadt Lübeck mit ihren 9.500 Erbbaurechten vier Angestellte.

Auf die Frage, ob sie den Gemeinden in den neuen Bundesländern die Anwendung des Erbbaurechts empfehlen könnten, sind die Einschätzungen meiner Gesprächspartner unterschiedlich, in Lübeck und Wolfsburg eher positiv, und zwar zum Zwecke der Investitionsförderung (wobei das Erbbaurecht im Wohnungsbereich sogar für unentbehrlich gehalten wird); in Hamburg eher einschränkend: Erbbaurecht nur in eng begrenzten Gebieten, insbesondere bei öffentlichen Vorbehaltsflächen, so die Meinung des Leitenden Regierungsdirektors Wittern, Abteilungsleiter für Rechts- und Grundsatzfragen bei der Hamburger Liegenschaftsverwaltung, der vor 20 Jahren als entschiedener Freund des Erbbaurechts antrat und durch praktische Erfahrungen sehr zurückhaltend wurde.

2. Erfahrungen in den neuen Bundesländern

Zwölf Wochen werde ich am Ende des mir zur Verfügung stehenden halben Jahres in den neuen Bundesländern verbracht haben. Nachdem ich mich in vielen Gesprächen zunächst selbst sachkundig machte, verschob sich der Schwerpunkt in der 2. Hälfte darauf, die gewonnenen Erkenntnisse an interessierte VerwaltungsmitarbeiterInnen weiterzugeben (siehe unten c) und d)). Meine Gesprächspartner waren vor allem städtische Liegenschaftsämter, aber auch die Kommunalaufsicht bei Landratsämtern und Landesinnenministerien, kommunale Verbände und Fachhochschulen für öffentliche Verwaltung. Aufschlussreich war auch die Tagung „Das Erbbaurecht geeignetes Instrument kommunaler Boden- und Baupolitik?“ des Deutschen Instituts für Urbanistik in Berlin am 12.11.1992 mit über 50 Teilnehmern aus Ost und West.

Durch Besuche in 16 Liegenschaftsämtern konnte ich Einblick gewinnen in die komplizierte Bodenrechtssituation in östlichen Städten. Den von Fritz Andres beackerten Großraum Berlin sparte ich bewusst aus und begab mich in die Provinz. Da ich als gebürtiger Mecklenburger meine Reisen im Norden begann, lagen fünf Ziele in Mecklenburg-Vorpommern, nämlich Rostock, Stralsund, Greifswald, Güstrow und Wismar. Vier Städte besuchte ich im Land Brandenburg, Potsdam, Brandenburg, Cottbus und Falkenberg/Elster und fünf in Sachsen-Anhalt: Magdeburg, Halle, Dessau, Merseburg und Wittenberg; außerdem Erfurt/Thüringen und Meißen/Sachsen.

Nur in wenigen Fällen waren die vom Seminar versandten Merkblätter auch tatsächlich an die damit befassten Liegenschaftsämter gelangt. Dennoch fand ich nach schriftlicher oder zumeist nur telefonischer Terminvereinbarung - offene Türen und spürbares Interesse, insbesondere an dem Erbbaurechts-Mustervertrag. Die Nachfrage hiernach steigerte sich deutlich, nachdem mehrere kommunale Landesverbände in ihren Mitteilungen einen zweiseitigen Hinweis auf diese Aktion veröffentlichten.

a) Rechtsentwicklung

Das Rechtsinstrument des Erbbaurechts ist östlichen Liegenschaftsverwaltungen nicht völlig fremd. Denn zum einen gibt es in manchen Städten noch Erbbaurechte aus der Vorkriegszeit (so z.B. in Rostock, Wismar, Halle und Wittenberg); diese Rechte blieben auch unter dem seit 1976 geltenden Zivilgesetzbuch der DDR bestehen und konnten bei Eigenheimen auf volkseigenen Grundstücken in unbefristete Nutzungsrechte umgewandelt werden (§ 5 Einführungsgesetz).

Zum anderen ist es Kennzeichen des einstweilig noch fortgeltenden Zivilgesetzbuchs (ZGB), Eigentum an Grundstücken und Gebäuden in viel breiterer Anwendung als nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch zu trennen und zwecks Bebauung Nutzungsrechte an Grundstücken zu vergeben. Im Verhältnis zu dem offenen und durch privatrechtlichen Vertrag frei und vielfältig ausfüllbaren Rahmen des Erbbaurechts sind diese Nutzungsrechte gesetzlich typisierte und in Entstehung und Inhalt vereinfachte unbefristete Rechte, die behördlich verliehen, durch Genossenschaften zugewiesen oder vertraglich vereinbart wurden und nur beschränkt und mit Genehmigung übertragbar waren.

Das größte Anwendungsfeld für (behördlich) verliehene Nutzungsrechte an volkseigenen Grundstücken (§§ 287 290 ZGB) belegten die Arbeiter- und die Gemeinnützigen Wohnungsbaugenossenschaften (AWG und GWG). Auch Einzelbürgern verlieh der Rat des Kreises Nutzungsrechte zum Bau eines Eigenheims. Nutzungsrechte im Wohnungsbereich waren unentgeltlich, auch das gem. §§ 291 294 ZGB (durch Genossenschaften) zugewiesene Nutzungsrecht an genossenschaftlich genutzten Bodenflächen zur Errichtung von Eigenheimen auf dem Lande. Der Vermessung bedurfte es in allen diesen Fällen nicht. Das Privateigentum an genossenschaftlich benutzten Bodenflächen blieb rechtlich unberührt, konnte jedoch nicht mehr wahrgenommen werden.

Unentgeltlich waren auch die Nutzungsrechte landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften selbst, die gem. LPG-Gesetz Eigentümer der von ihnen bestellten Gebäude wurden und dies trotz Wegfalls der Nutzungsrechte einstweilen auch geblieben sind. Die im vorigen Absatz genannten Nutzungsrechte bestehen hingegen fort (Art. 231 § 5 I EGBGB). Neben den verliehenen (und auch im Grundbuch zu vermerkenden) und den zugewiesenen Nutzungsrechten gab es vertraglich vereinbarte; zum einen für (volkseigen) betriebliche Bauten auf nicht volkseigenen Grundstücken gem. § 459 ZGB, wobei der Vertrag notfalls von der VEB-Gebäudewirtschaft als staatlich eingesetztem Zwangsverwalter für den im Westen befindlichen Eigentümer abgeschlossen wurde; zum anderen für Wochenendhäuser und andere der Erholung und Freizeitgestaltung dienende „Baulichkeiten“ (§§ 296, 312 ff. ZGB). Wegen der beengten Wohnungen haben diese „Datschen“ für Lebensstil und qualität in den Östlichen Bundesländern eine überragende Bedeutung (ca. 2 2,5 Mio.). Eine begrenzte Lebensdauer unterstellend behandelt das ZBZG sie als „bewegliche Sachen“. Das durch Vertrag begründete miet- bzw. pachtähnliche Rechtsverhältnis zwischen Nutzer (und Eigentümer der Baulichkeit) und Grundstückseigentümer richtet sich bis auf weiteres nach ZGB (Art. 232 § 4 I EGBGB).

Weil der Einigungsvertrag die meisten dieser Nutzungsrechte übernahm (für landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften gilt als Sonderregelung das Landwirtschaftsanpassungsgesetz) und ihre Anpassung an das Bürgerliche Gesetzbuch aufschob späterer Gesetzgebung überließ, ist große Unsicherheit entstanden. Die schon unter der Modrow-Regierung eingeräumte Möglichkeit für Nutzungsberechtigte, Grundstückseigentum zu Ramschpreisen zu erwerben, war in großem Umfang wahrgenommen worden (in Rostock z.B. für 2, bis 6, DM, z.T. für Grundstücke, die heute 1000, DM/qm wert sind. Dieser Ausverkauf wird inzwischen von den Liegenschaftsverwaltungen lebhaft bedauert, zumal Forderungen nach Gleichbehandlung und politischer Druck noch heute viele Städte zu Billigverkäufen nötigen (u.a. Dessau und Wittenberg). Erfurt verlangt von (unentgeltlich) nutzungsberechtigten Eigenheimen bis 500 qm 2, bis 4, DM darüber hinaus 25, bis 45, DM, während der Marktwert bei 100, bis 300, DM liegt. Bei Weiterverkauf muss allerdings der Mehrerlös an die Stadt abgeführt werden. Die Stadt Wismar verlangt immerhin den halben Verkehrswert mit Möglichkeit nachträglicher Anpassung an die ausstehende gesetzliche Regelung.

In Bezug auf vertragliche Nutzungsrechte für „Datschen“ und andere Baulichkeiten, die schon jetzt i.d.R., wenn auch sehr geringes, Entgelt kosten, hat der Einigungsvertrag die Bundesregierung ermächtigt, durch Verordnung eine angemessene Gestaltung der Nutzungsentgelte zu regeln. Für die verliehenen und zugewiesenen Nutzungsrechte ist in Kürze der Entwurf des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes zu erwarten. Diese Nutzungsrechte werden voraussichtlich in Erbbaurechte umgewandelt mit erst langsam und begrenzt einsetzendem Erbbauzins. Leider wird ein Ankaufsrecht ins Auge gefasst, wobei der Preis wohl maximal 50 % des Verkehrswerts betragen wird. Das Eigentumsdenken, so scheint es, wird sich bedauerlicherweise auch für diese große Fallgruppe durchsetzen.

b) Mögliche Anwendungsbereiche

Während nach dem Kommunalvermögensgesetz der DDR vom Juli 1990 nahezu das gesamte volkseigene Vermögen den Kommunen zufallen sollte, wurde diese Zuordnung durch den Einigungsvertrag erheblich eingeschränkt, in einem Punkt (kommunale Rückgabeansprüche) allerdings auch erweitert. Danach stehen den Kommunen folgende Grundstücke zu:

  • volkseigene Grundstücke, die unmittelbar kommunalen Aufgaben dienen (Verwaltungsvermögen, Art. 21 Einigungsvertrag, EinV), z.B. Polikliniken und Altenheime.
  • bestimmte Teile des Finanzvermögens (Art. 22 EinV), insbesondere
    • die Grundstücke der volkseigenen Betriebe der Wohnungswirtschaft (VEB Gebäudewirtschaft, VEB Kommunale Wohnungswirtschaft, Art. 22 IV EinV)
    • die Grundstücke der Wohnungsgenossenschaften (Protokollnotiz 13),
    • Grundstücke mit Ein- oder Mehrfamilienhäusern in der Rechtsträgerschaft der ehemaligen kommunalen Räte,
    • volkseigene Grundstücke, für die (am 03.10.1990) Wohnungsbau mit Baubeginn bis 1994 vorgesehen war,
    • volkseigene Grundstücke mit Wochenendhäusern u.ä.,
    • für Gewerbeansiedlung (am 03.10.1990) vorgesehene volkseigene Grundstücke,
    • volkseigene Grundstücke, die das Land aus seinem Anteil den Gemeinden überlässt (Art. 22 I 4 EinV).
  • Grundstücke, welche Gemeinden zwischen 1945 und dem 03.10.1990 einer anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaft unentgeltlich zur Verfügung gestellt haben (kommunale Rückgabeansprüche gemäß Art. 21 III und 22 I 7 EinV).

Eine vordringliche Aufgabe kommunaler Liegenschaftsverwaltung war es zunächst, in mühsamer Bestandsaufnahme nach dem Vermögenszuordnungsgesetz entsprechende Anträge zu stellen, über welche die Treuhandanstalt bzw. die zuständige Oberfinanzdirektion bisher erst teilweise entschieden hat.

Innerhalb der Kommunen liegt die Kompetenz für Grundstücksvergaben abgesehen von „einfachen Geschäften der laufenden Verwaltung“ bei den Gemeindevertretungen (§ 21 III h Kommunalverfassung vom Mai 1990), was die Arbeit in größeren Städten schwerfällig macht, sofern sie sich daran halten (nicht so z.B. die Stadt Halle, die Grundstücksvergaben bis zu bestimmten Wertgrenzen auf den Liegenschaftsausschuss bzw. die Verwaltung delegiert hat). In dieser nicht ganz unbegründeten Zuständigkeitsbarriere liegt die Chance, die Bedeutung der Bodenpolitik zu erkennen und nach grundsätzlicher Erörterung Richtlinien zu beschließen, die auch dem Erbbaurecht eine angemessene Rolle zusprechen. Dass so etwas politisch in der Luft liegt, zeigt Art. 40 I der Brandenburgischen Verfassung, wonach Landesgrundstücke vorrangig in Pacht und Erbbaurecht zu vergeben sind.

Entsprechende Anläufe haben bisher nur wenige Kommunalparlamente gemacht: Angestoßen und getragen von Bündnis 90 und SPD hatte die Gemeindevertretung der Stadt Meißen schon im Herbst 1990 den Beschluss gefasst, Grundstücke nur im Erbbaurecht zu vergeben. Dies stieß bei Investoren und Banken auf zunehmende Vorbehalte, die auch das Seminar im April 1992 mit Jobst von Heynitz letztlich nicht beheben konnte. Dazu dürfte beigetragen haben, dass der für das Sanierungsgebiet ausgearbeitete Erbbaurechts-Mustervertrag auf Wunsch der Gemeindevertretung unglückliche Bindungen für Investoren enthielt (insbesondere Belegungsrechte und Fortführung der Mietverträge betreffend) und es nicht gelang, ihn entsprechend der Empfehlung des Seminars zu „entleeren“. Angesichts mangelnder Akzeptanz des Erbbaurechts beschloss die Gemeindevertretung am 20.08.1992, Grundstücke wahlweise auch zu verkaufen. Damit ist nach Einschätzung des Liegenschaftsamtsleiters das Erbbaurechtskonzept gescheitert; bisher sei kein einziger Erbbaurechtsvertrag abgeschlossen worden.

Günstiger war die Entwicklung in der Stadt Brandenburg, wo es schon im Mai 1990 Inhalt der Koalitionsvereinbarung wurde, Grundstücke vorrangig im Erbbaurecht zu vergeben, und tatsächlich inzwischen schon zahlreiche Erbbaurechtsverträge abgeschlossen wurden trotz Aufnahme inhaltlicher Bindungen für die Investoren. In Greifswald löste das 1. Merkblatt des Seminars eine Grundsatzdiskussion im Senat aus. Dessen positive Haltung zum Erbbaurecht stieß jedoch in der Gemeindevertretung und bei Investoren auf Widerstand und konnte nicht aufrechterhalten werden. Die Empfehlung der Verwaltung an die Stadtverordneten lautet jetzt: Grundsätzlich verkaufen, nur ausnahmsweise Erbbaurecht.

Einige potentielle Anwendungsbereiche lohnt es sich genauer anzusehen:

(1) Wohnungsgenossenschaften und kommunale Wohnungsbaugesellschaften

Von den ca. 6,8 Mio. Wohnungen in den neuen Bundesländern gehörten über 40 % den volkseigenen Betrieben der Wohnungswirtschaft (VEB Kommunale Wohnungsverwaltung/ wirtschaft bzw. VEB Gebäudewirtschaft), zumeist in Plattenbauweise errichtete Wohnsilos mit den bekannten Mängeln im Wohnungszuschnitt, bei Schall- und Wärmedämmung, Installation und Unterhaltung. Der Einigungsvertrag übertrug diesen Wohnungsbestand samt Schulden den Kommunen und verpflichtete sie, ihn „unter Berücksichtigung sozialer Belange schrittweise in eine marktwirtschaftliche Wohnungswirtschaft“ zu überführen (Art. 22 IV EinV).

Die meisten Städte vollziehen dies in der Form, dass sie Wohnungsbaugesellschaften (GmbH) gründen mit der Stadt als einziger Gesellschafterin und den Wohnungsbestand einschließlich Grundstücken und Schulden als Kapital einbringen. Kleinere Städte, z.B. Meißen, wählen auch die Form des Eigenbetriebs. Zum Teil stehen die Gebäude noch heute auf privaten Grundstücken, weil die volkseigenen Betriebe der Wohnungswirtschaft zuletzt von Grunderwerb absahen, nachdem sie früher zumindest noch Pfennig-Beträge pro qm gezahlt hatten. Jetzt sehen sich die Städte bzw. ihre Wohnungsbaugesellschaften genötigt, diese Grundstücke für 30, DM und mehr nachträglich zu erwerben. Im Verhältnis zwischen Stadt und kommunalen Wohnungsbaugesellschaften das Erbbaurecht anzuwenden, wurde nirgends ernsthaft erwogen. Die hierfür vom Seminar vorgetragenen Gründe (siehe FdF Heft 214, S. 50 ff.) waren nicht durchgedrungen; das entsprechende im Mai 1992 an Oberbürgermeister und Fraktionsvorsitzende von 625 Städten gerichtete Schreiben samt Merkblättern war bei den städtischen Liegenschaftsämtern in der Regel unbekannt.

Noch schwieriger ist die Situation bei den rd. 760 Wohnungsbaugenossenschaften mit 1,1 Mio. Wohnungen (= 16 % des Wohnungsbestands). Die Grundstücke, an denen die Wohnungsbaugenossenschaften bislang ein unbefristetes und unentgeltliches Nutzungsrecht haben, sind gemäß Protokollnotiz Nr. 13 zum Einigungsvertrag ebenfalls auf die Kommunen übergegangen, wobei es dort heißt:

„Der ... Grund und Boden ... soll letztlich in das Eigentum der Wohnungsgenossenschaften unter Beibehaltung der Zweckbindung überführt werden.“

Dass auch dieser Privatisierungsauftrag nach Wortlaut („soll“, „letztlich“, „unter Beibehaltung der Zweckbindung“), Sinn, Entstehungsgeschichte und Zusammenhang mit Art. 22 IV EinV durchaus Spielraum lässt für die Anwendung des Erbbaurechts, haben Fritz Andres und Jobst von Heynitz in ihrer oben genannten Veröffentlichung des Seminars eingehend dargelegt und ist durch einen Aufsatz von Hermann Butzer (DtZ 1992, S. 265 ff.) nochmals bekräftigt worden. Das Präsidium des Deutschen Städtetags hat sich ebenfalls zugunsten des Erbbaurechts ausgesprochen (siehe FdF Heft 215, S. 60 f.).

Die Wohnungsbaugenossenschaften und ihr Verband beharren demgegenüber auf Eigentumsübertragung, und zwar allenfalls zu einem symbolischen Preis von 1, DM/qm. Für diese Forderung können sie sich inzwischen auf eine Verlautbarung des Bundesbauministeriums stützen, wonach das Erbbaurecht den Privatisierungsauftrag nicht erfülle (Infodienst Kommunal Heft 58). In diesem Sinne hatte sich schon im März 1992 das Innenministerium Thüringen geäußert. Für Eigentumsübertragung des Bodens und Kaufpreisermäßigung um 70 % und mehr haben sich auch die Innenministerien Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern ausgesprochen. Die Innenminister von Brandenburg und Sachsen-Anhalt werden davon voraussichtlich insofern abweichen, als sie eine Erbbaurechtslösung bei Einverständnis beider Seiten für zulässig erachten, was diesem Weg wohl praktisch keine Chance lässt.

In den meisten Städten sind die Würfel bereits gefallen, z.T. schon im Jahr 1991, und zwar zugunsten des Verkaufs, unentgeltlich (Potsdam) oder zu symbolischem Preis (in Halle und Dessau 1, DM, in Rostock und Wittenberg 2, DM, Meißen 4, DM); manchmal differenziert nach Frei- und überbauten Flächen, so in Erfurt (3, bzw. 10, DM/qm) und Stralsund (0,50 DM bzw. 2,50 DM). Greifswald bietet einen Nachlass von 25 % bis 75 % vom Verkehrswert. Einige Städte verlangen die Abführung des Mehrerlöses bei Weiterverkauf (so Stralsund und Halle), andere fordern Belegungsrechte (Halle). Rostock hat sich in einem Rahmenvertrag ein Rückkaufsrecht bei Zwangsversteigerung vorbehalten sowie öffentliche Vorbehaltsflächen von der Eigentumsübertragung ausgenommen.

Manche Städte sind noch unentschieden (z.B. Cottbus, Wismar und Schwedt). Nur einige Städte versuchen es mit dem Erbbaurecht. In diesem Sinne haben die Stadtverordneten von Magdeburg sich schon im Dezember 1991 entschieden, während die Verwaltung inzwischen zum Verkauf tendiert. Auch Güstrow denkt an Erbbaurecht.

Am entschiedensten war bislang die Stadt Brandenburg. Nach Vorberatung in vier Ausschüssen (Liegenschaften, Bauwesen, Finanzen und Hauptausschuss) beschloss die Stadtverordnetenversammlung am 26.08.1992, den Wohnungsgenossenschaften die Grundstücke nur im Erbbaurecht zu übertragen, und zwar auf 50 Jahre. Der Erbbauzins soll ausgehend von 5 % des Verkehrswerts je nach Sanierungsbedarf und für Belegungsrechte ermäßigt bzw. erlassen werden (0 % Erbbauzins bei 30 % Belegungsrechten). Die Verwaltungsvorlage hierfür war erstellt worden auf der Grundlage der Empfehlungen des Deutschen Städtetags und des Seminars für freiheitliche Ordnung. Die Arbeiterwohnungsgenossenschaft fordert nach wie vor Eigentum und bietet inzwischen 12,50 DM für überbaute Flächen und 2,50 DM für Freiflächen, was im Unterschied zu der angebotenen Erbbaurechtslösung alsbald die Mietpreise steigen ließe und den Investitionsspielraum der Genossenschaft einengen würde.

(2) Erbbaurechte bei Grundstücken von öffentlicher Bedeutung

Punktuell wird das Erbbaurecht von vielen Städten angewendet, wenn Grundstücke jetzt oder eventuell künftig einem öffentlichen Zweck dienen oder wegen ihrer Lage von öffentlichem Interesse sind. Dies ist der Fall z.B. bei der Privatisierung von Altenheimen, Bildungseinrichtungen und Sportstätten (Halle, Magdeburg, Dessau, Cottbus) oder bei Campingplätzen (Rostock). Gründe des öffentlichen Interesses sprechen für das Erbbaurecht im Hafengebiet Rostock und Wismar, (eventuell nur Pacht), an Seen (Neustrelitz, Erfurt) und im Stadtpark (Magdeburg). Bisweilen sind es historische Zweckbindungen von Sondervermögen (Stiftungen), die das Erbbaurecht nahe legen (Wismar, Stralsund). In allen diesen Fällen legt sich das Erbbaurecht deshalb nahe, weil es die Möglichkeit bietet, über öffentliches Baurecht hinausgehende Bindungen festzulegen - entgegen der Tendenz des Seminar-Entwurfs. Bei öffentlichen Einrichtungen in privater Trägerschaft wird zudem der Erbbauzins oft ermäßigt, statt gesondert zu subventionieren, was die Steuerungswirkung des Erbbauzinses erhalten und die Tatsache der Subvention transparent und revisibel machen würde.

In anderen Fällen soll das Erbbaurecht den späteren Zugriff auf das Grundstück erleichtern, weil öffentlicher Bedarf entstehen könnte, z.B. für Straßenbau oder Schulerweiterung. Für diese Fallgruppe der „öffentlichen Vorbehaltsflächen“ stehen auch andere Instrumente zur Verfügung, das Vorkaufsrecht und notfalls die Enteignung, zumal unwahrscheinlich ist, dass das Erbbaurecht im richtigen Zeitpunkt ausläuft.

(3) Erbbaurecht bei Grundstücken aus kommunalem Bestand

Angesichts des in der Regel bereits ausgereizten Kreditspielraums der Kommunen und der bei Vergabe von Erbbaurechten im Anfang kaum vermeidlichen finanziellen Durststrecke stellt sich das Erbbaurecht als Alternative zum Verkauf praktisch nur bei Grundstücken, die der Kommune bereits gehören, und nicht bei solchen, die sie erst noch erwerben muss. Leider werden darüber hinausgehend Haushaltslöcher mit Grundstücksverkäufen gestopft. Für eine langfristige Bodenvorratspolitik ist der Druck der Gegenwartsprobleme anscheinend einstweilen noch zu groß.

Für eine breitere Anwendung des Erbbaurechts müssten also mehrere Dinge zusammenkommen:

  • günstige Ausstattung mit Grundstücken,
  • kein finanzieller Druck in Richtung rascher Verkaufserlöse,
  • Einsicht in die Vorteile konsequenter Erbbaurechtspolitik.

Praktische Ansätze zu breiter Verwendung des Erbbaurechts zeigt die Stadt Brandenburg, die bei gewerblicher Ansiedlung, insbesondere im Innenstadtbereich nur Erbbaurechte vergibt, und zwar mit dem Ziel, sich langfristig eine solide Einnahmequelle zu sichern. Beim Eigenheimbau fürchtet die Stadt dagegen den Verwaltungsaufwand und sieht sich auch dadurch zum Verkauf genötigt, weil den bisher (unentgeltlich) Nutzungsberechtigten die Grundstücke auf Wunsch günstig verkauft werden.

Chancen für eine breite Anwendung des Erbbaurechts bestehen auch in Stralsund. Die alte Hansestadt hatte aus säkularisierten Stiftungen und Klöstern auf Rügen 10.000 ha, auf Hiddensee 600 und im Landkreis 4.000 ha, die nach 1945 enteignet wurden und die die Stadt zurückerwartet. Der sozialen Zielsetzung der Stiftungen und Klöster entsprechend sollen diese Ländereien, soweit sie bebaut und bebaubar sind, im Erbbaurecht vergeben werden.

Auch kleinere Städte und Gemeinden machen gelegentlich sehr vernünftige Bodenpolitik, so die Stadt Malchow in Mecklenburg mit Bürgermeister Stein, der mit seiner Vorliebe für das Erbbaurecht allerdings bei Banken und Notaren auf Zurückhaltung stößt. Chancen für das Erbbaurecht bestehen auch bei stadtnahen Gemeinden, die genügend Grundstücke und Investoren haben und von denen inzwischen manche bedauern, Grundstücke vorschnell (und zu billig) verkauft zu haben.

Häufig läuft der Grunderwerb jedoch an den Kommunen vorbei, indem Investoren und Makler, z.B. für Verbrauchermärkte, Bürogebäude und Wohnanlagen, geeignete Grundstücke ausfindig machen (vorzugsweise durch Überfliegen), von Privat erwerben und dann der Kommune entsprechende Planungen erfolgreich nahe legen (so z.B. in Dessau).

(4) Investitionsvorranggesetz

Der Grundsatz „Rückgabe vor Entschädigung“ musste sich in vielen Fällen investitionshemmend auswirken, sofern man nicht Gelegenheit bot, aussichtsreichen Investitionsplänen den Vorrang einzuräumen. Wenn man sich einen Alteigentümer vorstellt, der vor allem Affektionsinteresse am Grundstück hat, aber wenig Möglichkeiten zu sinnvoller Investition, und demgegenüber einen fähigen, aber vielleicht kapitalschwachen Investor, sollte man annehmen, dass dieser Situation gerade das Instrument des Erbbaurechts gerecht werden könnte. Ärgerlicherweise war diese Lösung bei Formulierung der Vorfahrtsregelung für Investitionen in § 3 a Vermögensgesetz vergessen worden. Das Investitionsvorranggesetz vom Juli 1992 nennt nun richtigerweise auch das Erbbaurecht (§ 2 I Nr. 2). Gegenüber der Veräußerung ist das Erbbaurecht für den Alteigentümer sogar das mildere Mittel, so dass es nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eigentlich vorgezogen werden müsste. Dem versucht § 3 III Investitionsvorranggesetz in verfassungsrechtlich problematischer Weise zu begegnen.

Befragt man allerdings die Praktiker, werden dem Erbbaurecht im Rahmen des Investitionsvorranggesetzes nicht viele Chancen eingeräumt. Für die meisten Gesprächspartner war der Gedanke überhaupt neu. In Magdeburg und Dessau wurde geschätzt, dass ein Drittel der Alteigentümer selbst investieren möchte und zwei Drittel (oft alte Leute oder ungeteilte Erbengemeinschaften) nur Geld sehen wollen und kein Interesse an der Mühe eines langfristigen Erbbaurechtsverhältnisses haben. In Brandenburg dagegen wurde das Erbbaurecht in diesem Zusammenhang bereits angewendet. Den Kommunen dürfte dies umso leichter fallen, als sowohl Verkaufserlöse als auch Erbbauzinsen ohnehin nicht an sie, sondern auf ein Sonderkonto fließen, bis über die Ansprüche des Alteigentümers entschieden ist.

Immerhin fand mein Vorschlag Zustimmung, das Erbbaurecht wenigstens ins Gespräch zu bringen und als Testfrage zur Unterscheidung zwischen Investoren und Spekulanten zu verwenden.

c) Praxisberatung

Durch die Merkblätter des Seminars und meine sich allmählich ansammelnden Erfahrungen gestalteten sich die Gespräche zunehmend zu einem für beide Seiten ergiebigen Geben und Nehmen.

Meinen Gesprächspartnern fehlte häufig eine aufgabengemäße Ausbildung oder längere Berufserfahrung oder beides. Die Liegenschaftsverwaltung ist für die Kommunen in den neuen Bundesländern eine weitgehend neue und rechtlich wie kommunalpolitisch außerordentlich schwierige Aufgabe, die nach der Wende Menschen mit den unterschiedlichsten fachlichen Voraussetzungen gestellt wurde: Ingenieure, Ingenieurökonomen, Diplomgärtner und landwirte, Tierärzte, westliche Juristen ohne Berufserfahrung und auffallend viele Frauen, zumindest als weitere Mitarbeiterinnen.

Ein westlicher Liegenschaftsprofi wie Herr Klimaschewski in Wismar ist die Ausnahme. Problemfälle sind dagegen leider die Regel, wie jenes Grundstück, das die Treuhand an einen neuen Eigentümer übertragen hat, obwohl die Stadt einen Restitutionsanspruch geltend macht; außerdem ist ein Alt-Erbbaurecht aus der Vorkriegszeit angemeldet und bestehen Nutzungsrechte aus der DDR-Zeit, also viele sich ausschließende Ansprüche.

Frauen, insbesondere berufsunerfahrene Westjuristinnen, nutzten die Gelegenheit für Einzelfallberatung gern. In Potsdam half der Hinweis auf das Teilerbbaurecht gem. §§ 1 I, 30 Wohnungseigentumsgesetz. In Merseburg will eine westdeutsche Firma aus dem Zechchen Palais am Schlosspark angeblich mit 40 Mio. DM ein Holiday-Inn-Hotel machen, aber nicht einmal die vorhandene Gebäudesubstanz bezahlen, sondern verlangt Einbeziehung derselben in den Erbbauzins, der lediglich an den Lebenshaltungskostenindex angepasst werden soll und dies auf der Basis einen zu niedrigen Bodenwerts. Bei einem so heiklen Projekt sind im Gegensatz zum Musterentwurf des Seminars planerische Vorarbeiten, denkmalpflegerische Klärung und ein Finanzierungsnachweis erforderlich, weshalb ich dazu riet, zunächst nur einen Vorvertrag abzuschließen und Einzelfragen vertraglicher Absicherung mit Jobst von Heynitz zu besprechen.

Die Stadt Falkenberg/Elster hat dank engagierter „Feierabendarbeit“ vieler Bürger am Kiebitzsee ein reizvolles Naherholungsgebiet geschaffen. Neben zahlreichen öffentlichen Einrichtungen (Campingplatz, sanitäre Gebäude, Gaststätten, Spiel- und Sportplätze usw.) gibt es zwei Bungalow-Siedlungen mit insgesamt 155 Parzellen, deren Nutzer jetzt mehrheitlich auf Grundstückserwerb drängen (mit Kaufpreisvorstellungen von 1, DM/qm). Bislang zahlen sie ca. 150 DM pro Parzelle im Jahr (zuzüglich Gebühren für die Mitbenutzung der öffentlichen Einrichtungen). Die Einnahme von ca. 1 Mio. DM (beim Verkehrswert von 30, DM/qm) käme der Stadt in ihrer Finanznot sehr zustatten. Andererseits ist zu befürchten, dass Eigentümer die jetzt noch offene parkähnliche Landschaftsgestaltung durch Zäune zerstören. Auch gilt es zu verhindern, dass die Bungalows leerstehende Zweit- oder Drittwohnungen reicher Wessis werden.

Das Erbbaurecht wäre hier eine für alle Beteiligten günstige Lösung. Es verbessert die Rechtsstellung der jetzigen Nutzer, die ein im Unterschied zu den Rechten aus §§ 312 ff. ZGB beleihbares, veräußerliches und vererbbares Recht erhalten und andererseits nicht vor dem Zwang stehen, sofort einen erheblichen Kaufpreis aufbringen zu müssen. Andererseits könnte die Stadt Gestaltungs- und Nutzungsbindungen festlegen, solange ein Bebauungsplan bzw. eine Gestaltungssatzung fehlt; auch könnte sie durch angepassten Erbbauzins im Rahmen des § 9 a ErbVO langfristig mehr Einnahmen erzielen als bei Verkauf und sanften Druck auf intensive Nutzung (ggf. durch Vermietung) ausüben, da ihr an leerstehenden Zweitwohnungen nicht gelegen sein kann.

d) Schulung

Die Flexibilität des Erbbaurechts erweist sich bei mangelnder Erfahrung der Vertragspartner, der Notare, Grundbuchsachbearbeiter und Banken gleichzeitig als erheblicher Nachteil dieses Instruments: Die vielfältigen Möglichkeiten, diese langfristigen Verträge auszugestalten, erschweren diesen Weg. Ein Kaufvertrag ist einfacher und selbst dann, wenn er ungeschickte Festlegungen enthält, bald vergessen. Ungünstige Regelungen eines Erbbaurechtsvertrages verfolgen die Verantwortlichen jahrzehntelang. Hinzu kommen der Arbeitsstau und die Personalengpässe bei Grundbuchämtern und bei der Vermessung. Sonderformen wie das Teilerbbaurecht, das Gesamterbbaurecht (Erbbaurecht an mehreren Grundstücken) und das Untererbbaurecht können helfen sofern die Beteiligten diese Möglichkeiten kennen.

Es besteht deswegen Bedarf an Schulung, die im Rahmen grundsätzlicher Überlegungen zur Bodenordnung über das Instrument des Erbbaurechts, seine sachgemäße vertragliche Ausgestaltung und die Lösung praktischer Probleme informiert. Die Vorstandsmitglieder und Freunde des Seminars haben in dieser Richtung Beachtliches geleistet, durch eigene Veranstaltungen, als Referenten in Seminaren des Deutschen Instituts für Urbanistik und der Friedrich-Ebert-Stiftung und auf Bürgermeister-Dienstbesprechungen insbesondere in den Landkreisen um Berlin sowie auf Einladung von Stadtverwaltungen und einzelnen Fraktionen.

An dieser Bildungsarbeit konnte ich mich durch meine Freistellung beteiligen: u.a. als Referent bei zwei mehrtägigen Seminaren der Friedrich-Ebert-Stiftung in Anklam für Mecklenburg-Vorpommern und in Gierstädt für Thüringen und auf Einladung der Stadtverwaltungen Stralsund, Potsdam, Dessau und Schwedt.

Für den ländlichen Raum bewährte sich die Methode von Fritz Andres, die Kommunalaufsicht bei den Landratsämtern anzusprechen, auch wenn in vielen Landkreisen selbstorganisierte Versammlungen der Bürgermeister, Amtsdirektoren oder der kommunalen Verbände die Bürgermeister-Dienstbesprechungen abgelöst haben. In insgesamt 14 Landkreisen (von 57 angeschriebenen) kamen auf diese Weise ein- bis achtstündige Seminare mit Bürgermeistern und interessierten Verwaltungsmitarbeitern zustande, so in Rathenow, Prenzlau (hier auch für benachbarte Landkreise), Pasewalk, Waren, Rostock, Wismar und Altenburg; für Januar und Februar 1993 sind Seminare verabredet in Aschersleben (auch für Nachbarkreise), Zerbst, Köthen, Wittenberg, Gera, Bautzen und Glauchau. Einen weiteren Termin in Saalfeld übernahm Jobst von Heynitz.

In Vertretung für Fritz Andres machte ich außerdem eine vierstündige Unterrichtseinheit über Bodenordnung und Erbbaurecht im Rahmen des einjährigen Lehrgangs „Regionale Entwicklungsplanung“ des Berufsfortbildungswerks des DGB in Wustermark bei Berlin. Auch konnte ich bereits auf drei Tagungen über mein Projekt berichten, in Erfurt (Arbeitsgruppe „Gewaltfreie Wirtschaft“ beim Bund für Soziale Verteidigung in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Predigerschule), in Dresden (Katholische Arbeitnehmerbewegung) und in Hamburg (Arbeitskreis „Frieden“ in Forschung und Lehre an Fachhochschulen). Insgesamt nahm ich 23 Veranstaltungen mit über 500 TeilnehmerInnen wahr. Die SffO-Merkblätter fanden dabei reißenden Absatz.

Für meine mehrstündigen Veranstaltungen schälte sich folgende Gliederung heraus:

  1. Anforderungen an eine gerechte Bodenordnung
  2. Erfahrungen in West und Ost
  3. Das Rechtsinstrument des Erbbaurechts
  4. Sachgemäße Handhabung
  5. Mögliche Anwendungsbereiche
  6. Praktische Probleme
  7. Schlussfolgerungen

Die Anforderungen an eine gerechte Bodenordnung (Ziff. 1) wurden nach Möglichkeit gemeinsam entwickelt:

  • Die Zugänglichkeit des Bodens ist ein Menschenrecht, weil jeder Mensch Boden braucht.
  • Die Nutzung des nicht vom Menschen produzierten Bodens dürfte letztlich nichts kosten (also langfristig Rückverteilung der Entgelte, keine Privilegien).
  • Der nicht vermehrbare Boden wird zunehmend, muss sparsam bewirtschaftet und vor Zweckentfremdung geschützt werden.
  • Der Boden ist nicht verbrauchbar, sondern nur nutzbar; entsprechende Nutzungsrechte müssten einerseits Sicherheit und andererseits Anreiz zur Weitergabe bieten, falls andere ihn dringender benötigen.
  • Die Art der Bodennutzung bedarf demokratischer Entscheidungsverfahren (Bauleitplanung); bei der Zuteilung des Bodens sind bürokratische Verfahren korruptionsanfällig und sollten nach Möglichkeit durch die marktwirtschaftliche Steuerung des Preises ersetzt werden.
  • Marktgerechte Bodennutzungsentgelte würden im Sinne einer Öko-Abgabe ungerechtfertigte Bereicherungen über Bodenrenten beheben, Bodenspekulation vermeiden sowie sparsame uneffektive Bodeninanspruchnahme fördern.
  • Ein letztlich erdumspannender Ausgleich von Bodennutzungsentgelten würde wirtschaftlich bedingte Flüchtlingsströme eindämmen helfen.

Auch wenn der letzte Punkt Vielen utopisch erschien, wird nur so erkennbar, welch zentrale Bedeutung die Bodenfrage für die großen Menschheitsprobleme um Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung hat.

Unter Ziffer 2 versuchte ich den Blick zu schärfen einerseits für die Auswirkungen westlicher Bodenspekulation, wie sie jetzt in dramatischer Zuspitzung auch den Osten erfasst hat, andererseits dafür, dass die östliche Bodensituation durch Geringschätzung, Willkür und mangelnde Bauleitplanung unhaltbar sowie städtebaulich und ökologisch schädlich und doch in mancher Beziehung einer sachgemäßen Lösung näher gewesen sei als die im Westen. Hätte man die bürokratische Vergabe weitgehend unentgeltlicher Nutzungsrechte durch das Steuerungsinstrument des marktgerechten Nutzungsentgelts ersetzt, hätte der Osten, die eigene Geschichte wahrnehmend, einen zukunftsweisenden Schritt nach vorn tun können, mit erheblichen Vorteilen für die wirtschaftliche Entwicklung. Stattdessen sei man in überholtes Eigentumsdenken zurückgefallen, das Spekulanten Tür und Tor öffne, die wirtschaftliche Entwicklung hemme und von Mietern und Verbraucher und durch Obdach- und Arbeitslose bezahlt werden müsse. Diese Darstellung löste regelmäßig lebhafte Reaktionen aus, bestätigte die einen in ihrer Sicht, öffnete manchen erst die Augen und stieß bei Dritten zunächst auf Widerspruch. Auch wenn schließlich weitgehende Einigung hierüber erzielt werden konnte, wurde deutlich, dass die Einführung entgeltlicher Nutzungsrechte anstelle privaten Bodeneigentums nicht nur westlichem Denken, sondern auch den Sehnsüchten der Menschen im Osten widersprochen hätte. Dies zeigt die ganz im Eigentumsdenken befangene Gesetzgebung unter den Übergangsregierungen Modrow und De Maiziere. Typisch und die mehrheitliche Einstellung der Menschen wiederspiegelnd ist etwa folgende Äußerung von Seminarteilnehmern: „Die Konzeption Ihrer Bodenordnung leuchtet zwar ein; aber die Menschen wollen jetzt Eigentum, das ihnen über 40 Jahre lang vorenthalten wurde!“

Die SffO-Konzeption eines liberal gestalteten Erbbaurechtsvertrages mit marktgerechtem Erbbauzins wurde in der Regel relativ unkritisch als in sich logisch und einleuchtend akzeptiert. Nur vereinzelt kamen grundsätzliche Einwände gegen eine solche Durchmonetarisierung der Bodennutzungsvergabe mit Fragen wie: „Und wo bleibtahre lang vorenthalten wurde!“

Die SffO-Konzeption eines liberal gestalteten Erbbaurechtsvertrages mit marktgerechtem Erbbauzins wurde in der Regel relativ unkritisch als in sich logisch und einleuchtend akzeptiert. Nur vereinzelt kamen grundsätzliche Einwände gegen eine solche Durchmonetarisierung der Bodennutzungsvergabe mit Fragen wie: äUnd wo bleibt der Mensch?“ Stärker diskutiert wurden die oben geschilderten Fragen möglicher Anwendungsbereiche und praktische Probleme.

Das Erbbaurecht wird vermutlich auch darüber hinaus verwenden. Doch insgesamt wird das Erbbaurecht nicht die Rolle spielen, die man sich wünschen könnte, und zwar vor allem aus zwei Gründen: Wegen finanzieller Engpässe und mangels Akzeptanz bei den Beteiligten. Wenn Schulden und Gegenwartsprobleme es erzwingen, wird eben leider auch das Tafelsilber verkauft, so bedauerlich es ist. Im übrigen sind es sowohl Denkgewohnheiten und mangelnde Information als auch nackte Interessen bei Grundstücksaspiranten wie auch bei Banken, die für den Kauf sprechen.

Selbst wenn die städtischen Liegenschaftsämter die Vorteile konsequenter Erbbaurechtspraxis einsähen, werden sie sich angesichts des Drucks der Tagesprobleme schwer tun, diese Linie bei Kommunalpolitikern und Grundstücksinteressenten durchzusetzen. Dafür bedürfte es noch viel breiterer Bildungsarbeit. Dazu hat das Seminar wesentliche Impulse gegeben.


Quelle: Fragen der Freiheit (H. 220), Seminar für freiehitliche Ordnung