Von der Futurum Aktiengesellschaft III
Die bisherige Arbeit

01.01.1922

Von der „Futurum-Aktien-Gesellschaft“

Dr. Emil Oesch

III. Die bisherige Arbeit

Als „ökonomische Gesellschaft zur internationalen Förderung wirtschaftlicher und geistiger Werte“ ging Futurum am 16. Juni 1920 an die Ausführung der ihr zugrunde liegenden Ideen und die Erfüllung ihrer Aufgabe. Das erste Geschäftsjahr umfasst die Zeit von der Gründung bis zum 31. Dezember 1921. Die auf dem Lebensweg erhaltenen Impulse machen die Arbeit zu einer ungleich vielfältigeren als es diejenige einer reinen Wirtschafts-Unternehmung bisherigen Systems ist. Nicht nur wirtschaften soll ja „Futurum“ , sondern eine neue Wirtschaftsart inaugurieren, propagieren, und soll zugleich als praktisches Beispiel dienen. Ein grosser Teil der bisher geleisteten Arbeit kann daher im Geschäftsbericht ziffernmässig nicht zum Ausdruck gelangen. Auch die geschäftliche Tätigkeit würde besser umschrieben werden können durch einen Bericht darüber, womit zu befassen man ablehnte. Wie schlimm es aussieht in Handel und Industrie, wie richtig die Auffassung ist, welche der Futurum A.-G. zugrunde hegt, das geht tagtäglich aus Anträgen hervor, welche für Beteiligungen und Übernahme von Geschäften gestellt werden. Die Prüfung solcher Anträge ergibt ein wertvolles Material für die Beurteilung der allgemeinen und speziellen Verhältnisse. Wenn es auch richtig ist, dass vor allem notleidende Betriebe den Anschluss an eine Neugründung suchen, auf deren Kapital und Kredit man spekuliert, so muss zugegeben werden, dass das vorhandene Kapital in vielfachem Betrage vorhanden sein müsste, um auch nur

an einem kleinen Teile gesunder und aussichtsreicher Unternehmen mitzuarbeiten, welche den Anschluss an „Futurum“ suchen. Es gibt eine wachsende Zahl von Interessenten, welche vor den unheimlichen Mächten des heutigen Daseinkampfes in die Assoziation der Futurum-Aktiengesellschaft sich flüchten möchten, in der wachsenden Kraft dieser als „gut“ erkannten Unternehmung Schutz und Förderung erhoffen. Weniger rasch, aber doch erkennbar wächst die Zahl derer, welche in richtiger Erkenntnis der Ideen des „Futurum“ , der Lage und des Zusammenhanges zwischen diesen Faktoren mit der Einzelexistenz von Wirtschaftsorganismen die Wünschbarkeit ihres Anschlusses einsehen, ihn deshalb prüfen, mit den Organen des „Futurum“ besprechen und schliesslich suchen. In der Kleinheit der Mittel, die der Gesellschaft als Aktienkapital zur Verfügung stehen, liegt eine Tätigkeitsbegrenzung, welche für das erste Betriebsjahr selbstverständlich war, in der nächsten Zeit aber einer Ausdehnung Platz machen muss, welche gestatten sollte, wenigstens einen Teil der berechtigten Ansprüche zu befriedigen.

Es ist offensichtlich, wie die Papiere sogar führender Schweizerfirmen eine Entwertung erleiden, die niemand voraussah; staatliche Wertpapiere, worunter auch die der Bundesbahnen zu verstehen sind, stehen längst schlecht, und die Aussichten stehen noch schlimmer. Da leuchtet es objektiv Denkenden, von gewissen Einflüssen Unabhängigen ein, dass es produktiver sein müsse, sich für und an Unternehmen zu interessieren, welche rechnerisch und geistig unbelastet von den bisherigen Sünden der Wirtschaftsweise arbeiten, und in diesen Zeiten der Stagnation von einer positiven sozialen Anschauung ausgehend methodisch und zielbewusst aufbauend arbeiten.

Welches war der Tätigkeitsbetrieb im ersten Geschäftsjahre ?

Die bei der Gründung der Futurum A.-G. im Juni 1920 übernommenen Geschäfte waren eine Strickwarenfabrik in Basel, die vor allem wollene und kunstseidene Strickwaren wie Damenjacken, ganze Kleider, Kinderkleider, Mützen, Echarpen, Wickelgamaschen usw. herstellt. Ferner eine Schirmgriff- und Stockfabrik in Bönigen bei Interlaken, eine Tabakproduktengrosshandlung in Zürich, eine Handelsabteilung in Zürich, und ein Torffeldbetrieb zur Ausbeutung von Brenntorf in Ins bei Bern. Anfang 1921 folgte ein ein Fabrikbetrieb der Chemischen Branche in Basel, in welchem vor allem Kaltleim, Pflanzenleim, Appreturartikel und säurefeste Zemente hergestellt werden.

Am Ende des ersten Geschäftsjahres sind folgende Unternehmungen angegliedert:

  1. 1. Futurum A.-G. Filiale Basel, Strickwarenfabrik vorm. G. Holzscheiter & Co., Basel.
  2. 2. Futurum A.-G. Filiale Bönigen, Schirmgriff- & Stockfabrik vorm. Minerva A.-G. Bönigen.
  3. 3. Futurum A.-G. Handelsabteilung in Zürich und Basel.
  4. 4. Grosshandlung in Tabakprodukten.
  5. 5. Futurum A.-G. in Dornach, Abtlg. Kaltleimfabrik „Certus“ vorm. O. Messmer, Basel (Fabrik in Binningen).
  6. 6. Allgemeine Bureau A.-G. in Basel.
  7. 7. Futurum A.-G. Abtlg. Chemisch-pharmazeutisches Versuchslaboralorium in Arlesheim.
  8. 8. Futurum A.-G. Chemisch-pharmazeutisches Laboratorium in Arlesheim.
  9. 9. Futurum A.-G. Klinisch-therapeutisches Institut in Arlesheim.
  10. 10. Futurum A.-G. Abtlg. Verlag am Goetheanum.
  11. 11. Futurum A.-G. Fortbildungskurse am Goetheanum in Dornach.
  12. 12. Futurum A.-G. in Dornach, Abtlg. Graphische Werkstätten & Kartonnagefabrik in Gelterkinden.

[Das Goetheanum, 20/1922, 01.01.1922, Seite 161]

1–6 und 12 sind wirtschaftliche, 7–11 wirtschaftlich-geistige Unternehmungen; der Ertrag der ersteren muss nach den Prinzipien der Futurum-Aktiengesellschaft die Arbeit der letztern und ihre Entwicklung ermöglichen. Im Rahmen dieses Aufsatzes und in diesem Momente ist es nur möglich, an Beispielen zu zeigen, wie gearbeitet worden ist:

Die Strickwarenfabrik, anfangs 1921 von einer Privatfirma in einem Stagnationsmomente – ohne Aufträge und mit einer Zahl von nur 29 Arbeitenden – übernommen, entwickelte sich in einer Zeit, in der die meisten schweizerischen Fabriken dieser Branche schwer zu kämpfen hatten und nur teilweise beschäftigt waren, in erfreulicher Weise. Im Mai 1921 begann der Versand und schon im September überstieg der Umsatz denjenigen des übernommenen Geschäftes um 50%. Heute arbeitet mehr als die fünffache Arbeiterzahl und die doppelte Zahl von Maschinen; die Fabrik ist vollbeschäftigt. Die Produkte nehmen an Beliebtheit zu, nicht nur in der Schweiz, sondern auch im Ausland; der Export geht vor allem nach Holland, England und Skandinavien.

Die Stock- und Schirmgriff-Fabrik, ein nur sehr kleiner Betrieb, der als Teil einer Branchen-Association gedacht war, wurde stillgelegt, sobald der Import von billigen Valutawaren aus Österreich und Deutschland die Konkurrenz schweizerischer Ware verunmöglichte. Unsere Produkte werden aber als vorzüglich gearbeitet immer noch begehrt und ohne Überstürzung allmählich liquidiert.

In dieser Zeit kann ein Unternehmen, das vorsichtig operiert, in der Handelsabteilung wenig wirken. Der Umsatz der Tabak-Grosshandlung hat fortgesetzt zugenommen und die mehr als fünffache Ziffer gegenüber dem Vorjahre erreicht. In ähnlicher Entwicklung ist die Kaltleimfabrik, deren Produkte als erstklassig geschätzt sind; einzig in der Schweiz hat diese Abteilung 10000 Abnehmer. Die Allgemeine Bureau A.-G. in Basel sowie die Graphischen Werkstätten und Kartonnagefabrik in Gelterkinden sind die zwei zuletzt angegliederten Unternehmen, deren Betriebsdauer durch Futurum A.-G. noch zu kurz ist, um ein Urteil heute schon zu gestatten. Die erstere Firma, bis dahin unter ,,Allg. Büro-Organisation A.-G.“ vormals Henry Welti bekannt, befasst sich mit der technischen Organisation von Büro-Betrieben kaufmännischer und industrieller Unternehmungen und Verwaltungen, sowie mit dem Vertriebe gesamten Bürobedarfs, vom einfachen Artikel bis zur vollendetsten Buchhaltungsmaschine.

Die beiden chemisch-pharmazeutischen Laboratorien arbeiten, in engem Kontakte mit dem klinisch-therapeutischen Institut: Dem Versuchslaboratorium liegt die Aufgabe ob, die aus geisteswissenschaftlicher Erkenntnis hervorgehenden Versuchspräparate auszuarbeiten und sie zu Versuchs- und Ausprobierungszwecken den Ärzten weiterzugeben.

Dem chemisch-pharmazeutischen Laboratorium werden die von der Medizin auf ihren Wirkungswert ausgeprüften Heilpräparate zur Herstellung im grossen übergeben; es ist dies im Gegensatz zum Versuchslaboratorium die Fabrikationsabteilung und die Versandabteilung. Der Export geht nach folgenden Ländern: Frankreich, Algerien und Kolonien, Belgien, Holland, Grossbritannien, Dominions und Kolonien, Spanien, Portugal, Italien, Amerika.

Das klinisch-therapeutische Institut in Arlesheim, von einer erprobten Ärztin angeregt und nun geleitet, ging hervor aus Kursen, welche am Goetheanum gehalten wurden. Medizinische Fachleute erhielten hier wertvolle Erweiterungen des pathologischen Erkennens und der therapeutischen Möglichkeiten. Bei voller Würdigung der anatomisch-physiologischen Wissenschaft nimmt diese Klinik Kenntnisse zur Verwertung in der Pathologie und Therapie an, welche die anthroposophische Geisteswissenschaft gibt. Die Medizin erhielt durch in dieser Klinik erprobte Heilmittel, von wissenschaftlich gebildeten Fachleuten in unserem Versuchslaboratorium hergestellt, vielversprechende Bereicherung.

Der Verlag am Goetheanum gibt die Wochenschrift „Das Goetheanum“ heraus, redigiert von Albert Steffen, und befasst sich mit der Herausgabe von weiteren Druckschriften sowie mit dem Vetriebe von Werken der anthroposophischen und Dreigliederungsbewegung.

Die Fortbildungskurse am Goetheanum sind ein weiteres Glied der geistigen, von „Futurum“ getragenen Institutionen.

Beschäftigt sind in den Betrieben der Futurum-Aktiengesellschaft derzeit 265 Personen.

Der Direktion ist die Bankabteilung angegliedert, die Finanzzentrale der verschiedenen Betriebe, welche technisch mit möglichster Selbständigkeit arbeiten.

Das Verhältnis der einzelnen Abteilungen zu der Leitung und zueinander ist dasjenige einer sich gegenseitig stützenden und befruchtenden Assoziation.

Aus der Probebilanz vom 1. Dezember 1921 kann über das finanzielle Resultat des ersten Geschäftsjahres gesagt werden, dass eine „angemessene Verzinsung“ der angelegten Kapitalien (wie in den Statuten der Gesellschaft gestattet), nämlich mit ca. 6%, gesichert erscheint. Die Kritik an „Futurum“ bemängelt vor allem diese in den Statuten vorgeschriebene Beschränkung der Dividende auf eine „angemessene“ Verzinsung. Damit ist gesagt, dass das Gewinninteresse nicht im Vordergrunde steht. Natürlich sucht „Futurum“ so ökonomisch zu haushalten, so produktiv zu arbeiten als möglich. Wir haben in den letzten Jahren gesehen, wie Unternehmungen ihre Aktionäre um erwartete Dividenden betrugen. Man sah den Zusammenbruch von Firmen, die von einer Dividende von 10 bis 20% zurückfielen auf 0 und mehr als 0 (Pic-Pic, Eisenbahnbank usw.). Wer da sein Geld hineinsteckte, säete kurzsichtig und erntete demgemäss. Für sein Geld sorgen, heisst heute, wie im letzterschienenen Aufsatze über die Aufgabe der Futurum-Aktiengesellschaft ausgeführt wurde, es in zukunftsversprechende Unternehmungen legen, Unternehmen tragen helfen, die den heutigen verwüstenden Kräften standhalten. Wer weiterwursteln hilft mit Unternehmen des bisherigen Wirtschaftsstils, hilft die finanziellen und ökonomischen Reserven aufbrauchen. Rettung aus der jetzigen Krise, aus der grossen wirtschaftlichen Not, bringt nur ein neuer Geist. Dieser neue Geist wirkt in den wirtschaftlichen Unternehmungen der anthrcposophisch orientierten freien Geisteswissenschaft, im „Futurum“ und in den Schwestergesellschaften, welche in verschiedenen Ländern wirken.

[Das Goetheanum, 20/1922, 01.01.1922, Seite 162]