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Von der Futurum Aktiengesellschaft I
Die zugrundeliegenden Ideen
Von der Futurum Aktiengesellschaft
I. Die zugrundeliegenden Ideen
„Was ist das Futurum“ ? so hören wir in der Presse und im Volke fragen. Diese Gesellschaft wurde gegründet am 16, Juni 1920 mit einem Aktienkapital von 650,000 Franken, welches am 20. Juni auf 2,000,000 Franken erhöht wurde, wovon bis heute 1,663,000 Franken einbezahlt sind und 337,000 Franken bis zum 5. Januar 1922 einbezahlt werden. Noch im Laufe dieses Monates soll eine weitere Million Franken zur Emission aufgelegt werden. „Futurum“ erhielt im Untertitel den Namen: „Oekpnomische Gesellschaft zur
internationalen Förderung wirtschaftlicher und geistiger Werte.“ Die der Unternehmung zugrundeliegenden Ideen gehen vom Goetheanum in Dornach aus, aus der anthroposophisch orientierten Geistesbewegung. Das Dornacher Goetheanum befruchtet nicht allein die geisteswissenschaftlichen Bestrebungen, sondern soll auch mit dem „Futurum“ eigentlich seine soziale Bedeutung erweisen.
Es ist echt menschlich, dass die anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft Gegner aller Schattierungen hat, und es ist die Existenz der Gegnerschaft eine der Hauptbedingungen für die Weiterentwicklung der Bewegung. Nichts tötet so sehr wie die Gleichgültigkeit. „Futurum“ wird wenigstens nicht totgeschiwegen, und es ist damit schon viel erreicht.
Wo wir heute hinschauen, sehen wir Niedergangskräfte am erfolgreichen Wirken. Das Wirtschaftsleben ist in grosser Not ; Industrie und Handel winden sich in einer Krise, deren Ende nicht abzusehen ist. Viele Zeichen deuten daraufhin, dass die bestehende Notlage sich weiter verschärfen wird, wir alle noch durch schwere Zeiten hindurchgehen müssen, nicht nur, weil die Folgen der Vernichtung riesiger wirtschaftlicher Werte in den Jahren 1914 bis 1918 sich noch Jahrzehnte hindurch fühlbar machen müssen – ist ja das Niederreissen leichter und rascher als das Wiederaufbauen – sondern weil das ganze Wirtschaftssystem seine ihm gegebene Zeit erfüllt hat, und wegen der ihm innewohnenden Niedergangskräfte mit einem Fiasko enden muss. Auf das Wirtschaftsleben im bisherigen Sinne ist deshalb wenig Hoffnung zu setzen, und in seiner eigenen Not wird es gezwungen werden müssen, die neuen Ideen aufzunehmen: Diese neuen Ideen liegen der Futurum A.-G. in Dornach und dem Kommenden Tag A.-G. in Stuttgart zugrunde. Sie kommen aus dem Geistesleben. Weil die Hoffnung naiv wäre, dass die in der heutigen Wirtschaft stehenden massgebenden Menschen diese Ideen zeitig genug aufnehmen und auf neuer vernünftiger Grundlage wirtschaften wollten, schien es der vom Goetheanum in Dornach ausgehenden Geistes-Bewegung, es sei ihre Pflicht, praktische produktive Beispiele in die Welt zu stellen, welche Zeugnis ablegen sollen von der Befruchtung ihrer Wirtschaftstätigkeit durch das von hier ausgehende geistige Leben. Da diese Beispiele in der Umgebung der wütenden Niedergangskräfte arbeiten müssen, beeinflusst sind von den Folgeerscheinungen dieser unvernünftigen Wirtschaft, so ist es natürlicherweise unmöglich, so zu arbeiten, wie es sein wird, wenn ihre Ideen durchgedrungen sein werden. Es muss in dieser ersten Zeit genügen, dass Unternehmungen, wie die Futurum A.-G., anfangen, die Niedergangskräfte zu erkennen. Vorderhand wird von überall her versucht, die Risse, die im Holzwerk der heutigen Wirtschaft krachen, zu leimen. Das Krachen macht einen viel zu grossen Lärm, als dass die Wirtschafter das Predigen von einem Wirtschaften auf neuer, auf geistiger Grundlage hören können, und die übrige Menschheit – es ist kaum zu glauben – schläft trotz diesem Lärm ihren nervösen unruhigen Schlaf.
In solchen Zeiten kann der Zusammenbruch nicht mehr aufgehalten werden. Wie in der Erziehung des Kindes Beispiele und bildliche Darstellung die Hauptsache sind, so auch hier: die Einsicht in die Notwendigkeit neuer vernünftiger Grundlagen des Wirtschaftslebens soll erleichtert werden durch das „Futurum“ und den „Kommenden Tag“ .
Wer wagt zu bestreiten, dass die Menschheit korrumpiert ist, in Unwahrhaftigkeit und Lüge erstickt? Wer leidet nicht unter diesem Übel des menschlichen Geisteszustandes? Wer möchte deshalb nicht, dass der Geist ein anderer werde, dass das Geistesleben gesunde? dass es sich befreie von den zum heutigen Zusammenbruch führenden Niedergangskräften? Erst nach dieser Befreiung wird der Mensch plötzlich sehen, was im wirtschaftlichen Leben seelenlose Routine, Unvernunft und Korruption war. Die Gesundung des Geisteslebens wird den Einblick öffnen in die wirklichen
[Das Goetheanum, 11/1921, 30.10.1921, Seite 85]
Bedürfnisse des Menschen, und damit das Wirtschaftsleben gesund machen.
Die Beobachtung des Lebens zeigt, dass es eigentlich dreigegliedert ist: wir haben ein geistiges, ein politisch-staatliches (Rechts-) Leben, ein wirtschaftliches Leben. Weil man gegen diese Tatsache sich verging, kam das heutige Elend: statt auf diese Beobachtung den sozialen Organismus seinem Wesen nach dreigegliedert zu pflegen und auszubauen, jedem Gliede die ihm naturgemäss zukommende Entwicklung zu ermöglichen, errichtete der Mensch einen neuen Götzen im Einheitsstaate, dem er in Vergötterung alles opferte, wessen er zu seiner individuellen Entwicklung nötig gehabt hätte. Statt dem Staate das ihm allein zukommende Glied zur Pflege und Ordnung zu geben – das Rechtsleben – überantwortete man ihm auch das geistige und das wirtschaftliche Leben. Der soziale Organismus verlor so seine natürliche, innerlich gesetzmässige Gliederung und das Resultat ist heute das soziale Chaos. Nur wenn der soziale Organismus seinem Wesen nach gegliedert, innerlich gesetzmässig gestaltet ist, nur dann wird er ökonomisch sein, nur dann wird die menschliche Arbeit überall am richtigen Platze stehen. Im heutigen sozialen Chaos wird soviel unnütze Arbeit verrichtet, dass die Wirtschaft zum Zusammenbruch verurteilt ist. Es ist nicht möglich, an dieser Stelle diese Erkenntnis im Einzelnen zu belegen und zu erörtern; Dr. Rudolf Steiner's Werk „Die Kernpunkte der sozialen Frage in den Lebensnotwendigkeiten der Gegenwart und Zukunft (Basel 1919, Verlag Rudolf Geering) gibt diese Erörterungen und Belege.
Nur folgende grundlegende Gedanken, die jedem objektiv denkenden Menschen als richtig erscheinen müssen, seien beigefügt:
Die praktische Beobachtung des Lebens zeigt nicht nur dessen Dreigliederung, sondern auch, wie verschieden die drei Glieder sind und demgemäss der Entwicklung entgegengeführt werden müssen. Aus den Kämpfen der letzten Jahrhunderte kristallisierte sich der Drang nach Demokratie über das Staatswesen hinaus. In diesem Drange blieb die Tatsache unerkannt, dass das demokratische Leben sich nicht allseitig verwirklichen kann: das geistige Leben drängt nach Freiheit, das staatlich-politische Leben nach Gleichheit, das wirtschaftliche Leben nach Brüderlichkeit. In dieser Erkenntnis erscheint die Parole der französischen Revolution in einem klareren Lichte, einem vielseitigeren praktischen Begriffe, nicht als theoretisches Schlagwort.
Nur das politisch-staatliche Gebiet kann demokratisch geregelt werden, und darf nur diejenigen Angelegenheiten umfassen, worüber jeder mündig gewordene normal erzogene Mensch urteilsfähig ist. Anders ist es mit den zwei andern Gliedern des sozialen Organismus: das Geistesleben, vorab das Gebiet des Unterrichts, der Kunst, kann nicht demokratisiert werden, ebenso wenig das Wirtschaftsleben; nur durch Sach- und Fachkenntnis der einzelnen Individuen, also durch entwickelte menschliche Individualität, können diese zwei Gebiete sich entwickeln. Nicht beide aber in gleicher Weise: das geistige Gebiet erhält seine Kraft und Bedeutung durch die Kraft der einzelnen menschlichen Individualität, das wirtschaftliche Gebiet auch, aber der Einzelfähigkeit und des Einzelurteils innerhalb der sachgemässen Zusammenarbeit der Wirtschaftenden, der Wirtschafts Verbindungen, Assoziationen. Die einzelnen Wirtschaftszweige der Güterschaffung (Produktion), Güterverteilung (Warenzirkulation) und des Güterverbrauches (Konsumation, Konsum) müssen sachgemäss zusammenarbeiten können, nicht darauf angewiesen sein, gegen einander zu arbeiten. Das Wirtschaftsleben muss sich aus dem fachgemässen Urteil heraus gestalten, das sich am Zusammenwirken in den Assoziationen ergeben kann; diese letztern arbeiten ökonomisch und rationell, indem sie relativ selbständig, aber zusammen arbeiten. Diese werden entstehen zum Teil aus dem Geistesleben, zum Teil aus dem Wirtschaftsleben.
Wir, an die bürokratische Reglementiererei gewohnten Modernen, fragen natürlich sofort, unter welchen Vorschriften die Assoziationen arbeiten sollen; das dürfen wir uns aber nicht in Paragraphen eingeschachtelt vorstellen; sie sollen leben und wirken aus dem wirklichen Leben heraus, unter dem Einfluss der Wirkung des freien Geisteslebens. Von bestimmendem Einfluss auf die gegenseitigen Verträge im Wirtschaftsleben, das Resultat von Verhandlungen zwischen Produzenten – Arbeitgebern und Arbeitnehmern – und Konsumenten und allen übrigen Wirtschaftenden sind die Erfahrungen, Sach- und Fachkenntnis, und damit solcher in den Assoziationen wirkenden Menschen, welche wirklich vollwertig sind. Da unter dem System der Assoziationen andere Prinzipe sich Geltung verschaffen werden als heute mit den massgebenden Mächten der Cliquewirtschaft, Unfähigkeit und Bürokratie, so haben alle diejenigen Menschen Anlass zur Gegnerschaft, welche ein Interesse an diesen Eiterbeulen des heute kranken sozialen Organismus zu haben glauben.
In einem zweiten Artikel ist zu erörtern, wie „Futurum“ diese aus dem Geistesleben kommenden Ideen in die Wirtschaft hinüber zu führen sich zur Aufgabe machen will, und in einem dritten Artikel, was bis dahin gearbeitet worden ist.
[Das Goetheanum, 11/1921, 30.10.1921, Seite 86]