Von der Futurum Aktiengesellschaft II
Die Aufgabe

13.11.1921

Von der „Futurum“-Aktien-Gesellschaft

II. Die Aufgabe

„Die Einsicht in die Notwendigkeit neuer vernünftiger Grundlagen des Wirtschaftslebens soll durch das „Futurum“ und den „Kommenden Tag“ erleichtert werden“ , schrieben wir im ersten Artikel über die Futurum-Aktiengesellschaft. Dass die heutigen Grundlagen der Wirtschaft nicht vernünftig sind, wird dokumentiert durch die derzeitige Lage, die zunehmende Krisis; die bisherige soziale Ordnung, die alte Produktion ist erschüttert. Wer also Bausteine zu einer neuen Sozialordnung beizutragen sich zur Aufgabe setzt, muss die alte Form des Wirtschaftens bekämpfen, muss jede Gelegenheit ergreifen, auf die Notwendigkeit hinzuweisen, wirtschaftliche Unternehmungen nicht nur auf mehr oder weniger grossem Kapital und Können, sondern ebensosehr auf gesundem sozialen Empfinden und Denken aufzubauen.

Nicht wir sind mit solchem Ziele Utopisten, Phantasten und Illusionäre, sondern die heutigen Wirtschafter, welche mit den bisherigen Maximen über die Krisis hinüber zu kommen wähnen. Seit Jahren warten Produzenten und Konsumenten auf den Moment, wo es aus dem endlich erreichten Tiefpunkt der Wirtschafts Verhältnisse wieder hinaufgehe. Das Bessergehen erweist sich aber als Illusion. Fast in allen Ländern machen die Valutaverhältnisse das Wirtschaften zur Unmöglichkeit. Das ist die Folge der Verquickung der politischen Verhältnisse mit den wirtschaftlichen. Kapitalbildung, die erste Bedingung des Wirtschaftsfortschrittes, ist so unmöglich geworden: man zehrt an den letzten Reserven, und nur Phantasten können ignorieren, dass es bergab geht. Wirtschafter und Phantast, das sind aber Begriffe, die sich ausschliessen. Auch Resignation gegenüber Vorschlägen zur Überwindung der Krise ist dem Wirtschafter nicht erlaubt. Unsere Industriellen fühlen es ja am eigenen Leibe, wie ihre Betriebe stillgelegt werden; sie müssen erkennen, dass die Rolle des Staates als die sichere Grundlage des Wirtschaftslebens ausgespielt ist: alle Staaten sind durch riesige Schuldenlast erschüttert, sind nicht mehr aktive

Unterstützende, sondern passive Schmarotzer an der Wirtschaft.

In dieser Situation muss die Grundidee des „Futurum“ , die Dreigliederung des sozialen Organismus, die Befreiung des Wirtschaftslebens und des geistigen Lebens von der staatlichen Hegemonie, als ein Impuls erscheinen, der der Resignation auf alle Fälle vorzuziehen ist, und muss die Befruchtung der Wirtschaft durch geistige Werte als etwas durchaus der realen Praxis dienendes begrüsst werden. Weil es sich bei diesen Ideen um Praktisches handelt, darum wurde „Futurum“ und „Kommender Tag“ gegründet.

Abhängig von allen Faktoren des bisherigen Zustandes, mitten unter den alten Wirtschaftsformen arbeitend, können diese Gebilde naturgemäss nicht wirtschaften, als ob ihre Ideen schon durchgedrungen seien, als ob sie sich um die derzeitigen Verhältnisse nicht zu kümmern hätten; das Resultat eines solchen wirklichkeitsfremden „Wirkens“ wäre sichere baldige Niederlage. Nur Naivität oder Bosheit kann vor Schluss des ersten Geschäftsjahres feststellen wollen, dass „Futurum“ noch nicht vermocht, eine Änderung der Wirtschaftsweise herbeizuführen, und seine Versprechungen einzulösen.

Die Unternehmungen des „Futurum“ müssen die soziale Denkweise besitzen, welche von der im ersten Artikel (s. „Das Goetheanum“ No. 11 vom 30. Okt. 21) beschriebenen Geistesrichtung getragen ist. In wirklich fruchtbarer Art haben sie sich der sozialen Ordnung einzufügen und gleichzeitig das neue Wirtschaftsleben vorzubereiten – nicht im grosstuerischen Wahn, wirtschaftlich bald die Mehrheit zu erringen, sondern als Beispiele. Wohl wird „Futurum“ für sich die finanziellen und sozial-technischen Krisenmöglichkeiten trotz der um sich greifenden Wirtschaftskrise überwinden können, aber mehrere Schwierigkeiten können dem „Futurum“ zunächst genau so viel und nur allmählich weniger zu tun geben wie den Unternehmungen alten Stils. Es ist z. B. möglich, dass die an „Futurum“ -Unternehmen beschäftigten Arbeiter sich in Lohn- und andern Differenzen gleich verhalten wie gegenüber andern Betrieben; bald aber werden nach der sozialen Denkungsart des „Futurum“ geleitete Betriebe von ihrer Arbeiterschaft gestützt, weil sie die Überzeugung gewann, dass Handarbeiter und geistige Arbeiter das gleiche Interesse haben, den sozialen Zerstörungskräften entgegenzuwirken. Beim „Kommenden Tag“ ist der Beweis hierfür im Frühjahr 1921 bereits geliefert worden: an einem mehrwöchentlichen Ausstande haben allem die einem Unternehmen des „Kommenden Tag“ angehörenden Arbeiter nicht mitgemacht, der Gewerkschaftsparole nicht gehorcht. Merkwürdigerweise haben Arbeitnehmer die Wirtschaftlichkeit der Arbeitsweise, wie sie „Futurum“ propagiert, ebenso rasch, vielerorts rascher erkannt, als einsichtige Unternehmer. Ja, es gibt gebildete Arbeiter unter den Gründungsmitgliedern des „Futurum“ : sie verdienten ihr kleines Kapital unter Schweiss und sagten sich: „für sein Geld sorgen heisst heute, Zukunftsversprechende Unternehmungen mitzutragen; Unternehmungen im alten Sinne aber unterstützen heisse sein Verdientes in Unfruchtbares stecken.“ Ein neuer Geist nur kann die Arbeit wieder fruchtbar machen.

Durch die Assoziation von Arbeit kommt das einzelne Produkt zustande, durch Assoziation von Arbeitenden die Produktion, durch Assoziation von Produzenten einerseits und Konsumenten anderseits die Wirtschaft; was die letztern zur ständigen Bedarfsdeckung nötig haben, das soll wegleitend sein für die Produktion.

Die einzelnen Unternehmungen des „Futurum“ arbeiten möglichst wirtschaftlich, indem sie einerseits nach diesem Prinzipe ihre Arbeit einrichten, anderseits von den bestmöglichen Fachleuten geleitet sein müssen. Es ist die Aufgabe der Direktion des „Futurum“ , diesen Fachleuten die möglichst freie Entfaltung ihrer Fähigkeiten zu sichern, ihnen Schwierigkeiten wegzunehmen und Vorteile zu sichern,

[Das Goetheanum, 13/1921, 13.11.1921, Seite 105]

welche Hervorgehen aus der Assoziation erstens mit den am Unternehmen interessierten Konsumenten und zweitens mit den übrigen Betrieben. Wo ein Betrieb Not leidet, weil die derzeitigen Wirtschaftsverhältnisse die natürliche Bedarfsdeckung verunmöglichen, kann ein anderer Betrieb eventuell entstehende Lücken ausfüllen. Unter dem jetzigen Wirtschaftssystem ist ein notleidender Betrieb zum Ruin verurteilt ; jeder Tag zeigt solche Erscheinungen, die für die Betroffenen Katastrophen, und für die Wirtschaft eine Schwächung sind. Solche Krankheitserscheinungen sind im System des „Futurum“ nicht möglich, weil schon „Schwäche-Symptome“ zur Verschreibung sicheren Mittels Anlass geben: die Ersetzung der unwirtschaftlich gewordenen Produktion durch eine solche die vom Bedarf der mitassoziierten Konsumenten getragen ist.

Da das Profitinteresse des „Futurum“ sich von demjenigen kapitalistischer Unternehmungen typisch unterscheidet haben sich dessen Aktionäre ja die Dividende auf eine den allgemeinen Zinsverhältnissen entsprechende Höhe freiwillig beschränkt – so wurde die Erfüllung einer weitern Aufgabe möglich, die Förderung geistiger Werte. Es sind mehrere Unternehmungen angegliedert, welche zunächst Kapitalien beanspruchen, ohne deren Verzinsung zu garantieren. Hierzu gehören freilich Betriebe, welche nach einiger Zeit in den Fall kommen können, das auf sie Verwendete reichlich zu vergelten und ihrerseits die andern assoziierten Unternehmungen zu befruchten; vom Standpunkte der antroposophisch orientierten Geisteswissenschaft aus kann man sagen, es handle sich um die Schaffung von geistigen Werten, vom Standpunkte des „Futurum“ aus aber handelt es sich auch hier um Werteschaffung, um geistig-wirtschaftliche Unternehmungen, um den Aufbau neuer Kultur durch geistiges Leben.

„Futurum“ und „Kommender Tag“ sollen als Keime für die Neugestaltung des wirtschaftlichen Lebens wirken. In verschiedenen Ländern, so in Italien, Holland, Norwegen usw. werden gleiche Keime in nächster Zeit sich zu entwickeln anfangen und der gleichen hohen Aufgabe sich widmen.

[Das Goetheanum, 13/1921, 13.11.1921, Seite 106]