Beuys Vermächtnis: Die Soziale Plastik, das sind wir!

01.02.2007

„Ich erlebe es durchaus so, dass wir es dringend nötig hätten, Beuys Gestaltungspotenz anregend und ergreifend in die aktuellen Weltprozesse mit einfließen zu lassen.“ Rainer Rappmann, Veranstalter des langjährigen Beuys-Symposions in Achberg zieht anlässlich des 21. Jahrestags von Joseph Beuys Todestag am 23.Januar Bilanz über die Bemühungen, Beuys Gedanken in der heutigen Zeit zu verbreiten.

ACHBERG (NNA). In seiner letzten Ansprache elf Tage vor seinem Tod hat er uns den Auftrag mitgegeben: „Schütze die Flamme!“; denn ohne ihren Schutz kann man sie auch nicht weiter tragen. Wir, einige Mitstreiter und ich haben uns redlich bemüht (was meine Person betrifft um den Schutz in Form von Texten, die ich mitschnitt, aufbewahrte und schließlich herausgab), aber wenn wir ehrlich sind – und das sollte man an einem solchen „Geburtstag“ wirklich sein -, dann wurde rein „äußerlich“ wenig erreicht. Die Zeiten sind vergangen, die Generationen ziehen an uns vorbei, junge Menschen, die heute Anfang 20 sind, haben Beuys gar nicht mehr zeitnah erleben können.

Der Staatskommunismus ist zusammengebrochen, der Kapitalismus hat zunächst einmal obsiegt. Die Elektronik hat ihren Siegeßug um die Welt angetreten, nicht aber die Soziale Plastik. Gut, wir haben den Bürgerentscheid in Bayern (und den Volksentscheid auf einigen Landesebenen) durchgebracht, erstaunlich genug in einem Flächenland gegen die CSU, die uns heute auch gratuliert und ihr damaliges Verhalten als einen Fehler interpretiert, so Günter Beckstein, Ministerpräsident in spe. Das war schon eine besondere Sternstunde. Aber den großen Durchbruch haben wir nicht geschafft mit der Sozialen Plastik, gerade auch nicht auf einem Feld, wo es am nötigsten wäre: auf dem Gebiet der Wirtschaft, die ja heute mehr und mehr eine Weltwirtschaft ist. Immer noch und gerade wieder mehr – werden Mensch und Natur ausgebeutet, ziehen Länder dem westlichen Prinzip nach (z.B. China), wodurch eine weitere Vervielfachung der negativen Eigenschaften droht. Also man könnte verzweifeln angesichts des Ernstes der Lage.

Aber es gibt auch Lichtblicke: Manchmal denke ich, dass Abbé Pierre, gerade 95-jährig verstorbener Franzose, mit seiner Wohltätigkeitsorganisation „Emmaus“ mehr im Hinblick auf die Beseitigung des Hungers getan hat, als alle noch so klugen Reden einschließlich der unsrigen: nämlich tätige Nächstenliebe, und sei sie noch so „klein“, was ja relativ ist; denn „was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“. (Christus).

Und immerhin: es gab im letzten November den gut besuchten Kongress „Solidarisch Wirtschaften“ in Berlin (NNA berichtete), es gibt neben den Weltwirtschafts- die Weltsozialforen gerade in Nairobi unter dem Motto „Eine andere Welt ist möglich!“ Wie überhaupt ein Nebeneffekt der Globalisierung ist, dass zum ersten Mal in der Geschichte die Menschheit als Ganzes in den Blickpunkt rückt, einschließlich ihrer Probleme.

Es ist deutlich: Rein praktisch gesehen haben wir wenig vorzuweisen. Aber wir können „die Flamme schützen“ und somit weiter tragen! Es fängt in eines jeden/in einer jeden Herzen an! Weder können wir noch so gute Pläne den Menschen über die Köpfe stülpen noch mit dem Kopf durch die Wand (alte Strategie und „Krankheit“ mancher alter Kämpfer). Hier müssen wir eine Methode entwickeln, die man eine weibliche oder auch eine künstlerische nennen könnte, die zwar nicht darauf verzichtet, Erkenntnisse zu gewinnen und sich an Urbilder heranzutasten, die aber in erster Linie eine Vorbereitungsarbeit ist zum Empfang des Christusimpulses, sage ich jetzt einmal vorschnell, die eine Vorbereitung ist, zur Erlangung des „Neuen Jerusalem“, zu Menschwerdung eines jeden Einzelnen. Das können wir tun, jeden Tag. Und wir können demütig erwarten, was sich als eines oder einer jeden Pflicht zeigt; denn: „Documenta7 expects every man to do his duty“ (Beuys 1982).

Worauf ich hinaus will: wenn man schon nicht „draußen“ wirken will oder kann, so sollte man daran gehen, sein Denken, sein Fühlen und sein Handeln in die rechte Richtung zu bringen: „Alles, was an Neuem sich auf der Erde vollzieht, muss sich durch den Menschen vollziehen. Es wird sich aber nicht vollziehen können, wenn die Quelle verstopft ist, d.h. wenn der Anfang formlos ist. Also ich verlange eine bessere Form des Denkens, des Fühlens und des Willens. Sie sind die wirklichen ästhetischen Kriterien.“ (Beuys in Mennekes: Christus-Denken).

Die Soziale Plastik wird in jedem einzelnen Menschen geboren oder hat da ihren Ausgangspunkt. Deshalb müssen wir uns um die Welt u n d um uns kümmern! „La Rivoluzione siamo noi“, heisst es bei Beuys. Damit können wir jeden Tag anfangen!

Links: www.fiu-verlag.com, www.de.wikipedia.org/wiki/Beuys und www.de.wikipedia.org/wiki/Soziale_Plastik

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