Erste staatlich finanzierte Waldorfschule in Großbritannien

29.04.2005

Die erste staatlich finanzierte „Steiner Akademie“ in Großbritannien geht in die Realisierungsphase. Nach einem als "lang und mühsam“ beschriebenen Vorbereitungsprozess soll die neue Schule in der Grafschaft Herefordshire der Waldorfpädagogik den Weg in die breitere Öffentlichkeit bahnen.   Dem Verband der Waldorfschulen in Großbritannien, Steiner Waldorf Schools Fellowship (SWSF), wurde vom britischen Bildungsministerium (DfES) mitgeteilt, dass der eingereichte Antrag die erste Haupthürde passiert hat und nun in die Realisierungsphase übergehen kann. Der SWSF fördert das Projekt. Das Gelände auf dem die Schule gebaut werden soll konnte am Freitag vergangener Woche endgültig erworben werden.   Die von der Regierung zugesagte Unterstützung wurde vom SWSF begrüßt.  In einer Stellungnahme betont der Verband seine Hoffnung auf ein Finanzierungsabkommen bis Anfang 2006. Dieses gäbe endgültig grünes Licht für den Baubeginn.    Schulminister Stephen Twigg sagte: „Ich begrüße diesen aufregenden und innovativen Antrag. Akademien entwickeln und gestalten Lebenschancen für Kinder und Jugendliche in den Gegenden wo sie eröffnet worden sind. Ich bin davon überzeugt, dass diese erste Steiner Akademie im Erfolgsfall eine enorme Bereicherung für die lokale Gemeinschaft darstellen wird.“   Akademien bilden Kinder aller Fähigkeiten aus. Sie sind unabhängig aber staatlich finanziert, es gibt also keine Schulgebühren. Das entspricht einem Programm das 2000 von der britischen Regierung ins Leben gerufen wurde. Der SWSF hat 10% der Baukosten aufgebracht, das DfES wird den Restbetrag und die laufenden Kosten übernehmen.   „Die erste staatlich finanzierte Steiner Akademie signalisiert einen aufregenden Durchbruch“, so der SWFS. Er führe zu einem breiteren Bildungsangebot und biete innovative Lösungen für alte Probleme. Durch den Austausch von neuen Ideen und Praxiserfahrungen könnten Standards gehoben werden. Dieser positive Schritt nach vorne schaffe eine bessere Basis für die Vermittlung der Waldorfpädagogik.   Siebzehn Akademien haben sich bereits in Großbritannien etabliert, weitere 46 sollen folgen. Akademien sind integraler Bestandteil einer Regierungsstrategie die Schulstandards heben, und die Ausbildung in benachteiligten und schwierigen Gegenden verbessern will. Das Programm ist offen für Experimente und erforscht die Vorteile eines vielfältigen Bildungsangebots. Sowohl für das Ministerium als auch für Waldorfschulen ein Schritt in ein völlig neues Gebiet.   Die neue Schule soll im September 2007 eröffnen. Sie soll an die bereits existierenden Schulgebäude in Much Dewchurch angrenzen und ist auf Kinder zwischen 3 und 16 ausgerichtet. Für einen Schulplatz zahlen Eltern derzeit bis zu £3.000 (4,400 Euro) pro Jahr. Sollte der Antrag durchgehen werden alle Kinder durch den Staat finanziert. Die bestehende Waldorfschule in Much Dewchurch wurde vor 21 Jahren gegründet und unterrichtet 200 Schüler. 60 weitere könnten aufgenommen werden, sollte diese Entwicklung fortgesetzt werden.  

Entscheidender Moment

  Nach Angaben des SWFS soll das Potenzial von Schülern aller Fähigkeitsbereiche durch erstklassige und ökologisch einfühlsame Gebäude, und einem ausgedehnten, ausbalancierten Waldorflehrplan gefördert werden. Die Steiner Akademie wird sich mit radikalen Ansätzen dem Problem der schwachen Schülerleistung durch innovative Stundenpläne, Lehrmethoden und Führungsmodelle annehmen. Auch sollen Eltern mehr in das schulische Geschehen miteinbezogen werden.   „Diese Entwicklung ist aus zwei Gründen besonders wichtig: Sowohl die Kompetenz als auch das Bedürfnis nach alternativen Bildungsmodellen werden anerkannt“, erklärte ein SWSF-Sprecher. Man könne dadurch Eltern mit individuellen Vorstellungen und Werten gerecht werden. Es sei ein entscheidender Moment wenn derartige Unterschiede gewürdigt werden. „Wir hoffen, dass diese Steiner Akademie den Anfang einer Ära markiert, in der das volle Potential und die Relevanz dieser Pädagogik verdeutlicht werden können", so der Sprecher weiter   Man erhofft sich, dass dadurch weitere Waldorfschulen dazu ermutigt werden ähnliche Ansätze zu verfolgen. Mindestens sechs weitere Schulen wollen möglicherweise in den kommenden Jahren einen ähnlichen Weg einschlagen.   Die neue Steiner Akademie möchte als Modellschule vorangehen und auch im Austausch mit anderen lokalen Schulen Best Practice-Verfahren entwickeln. Sie soll eine pädagogisch hilfreiche Ressource für Schüler, Eltern und Gemeinschaft bilden. Sie ist Teil einer breit angelegten Forschung, in der untersucht werden soll was Waldorfpädagogik wirklich zu bieten hat und wie sie die Bildungslandschaft des Landes ergänzen könnte.   „Ich begrüße diese gute Nachricht. Zwei grundlegende Bildungsprinzipien werden hier vereinigt: Sowohl das Recht der Eltern auf eine ihren Werten und Idealen entsprechende Ausbildung ihrer Kinder, als auch das Recht der Kinder auf eine wohldurchdachte Bildungsqualität die ihnen ermöglicht ihr volles Potenzial auszuschöpfen. Möglicherweise kann die herkömmliche Pädagogik einiges von der Waldorfbewegung lernen," so Mark Halstead, Professor für Pädagogik an der Universität Plymouth.   William Braid, Vorsitzender der Waldorfschule in Hereford: "Die Schulgemeinschaft und zukünftige Schülerschaft freuen sich auf die neuen Gebäude und Einrichtungen. Wir hoffen das sie zusammen mit unserem engagierten Personal dafür sorgen, dass die zugrundeliegenden Prinzipien unserer Pädagogik von der Außenwelt verstärkt wahrgenommen werden. Sie sind einzigartig. Und dennoch handelt es sich um einen sehr pragmatischen, gut verständlichen Ansatz, der in uns Eltern leicht Resonanz finden kann. Angesprochen wird unser Instinkt für das was richtig ist, - nämlich das Recht der Kinder auf Kindheit.   Ein Lehrer von der Waldorfschule in Hereford: "Wir begrüßen diese Wertschätzung und freuen uns über die Anerkennung dieses einzigartigen Lehrplans. Selbstverständlich freuen wir uns auch über die erweiterten Mittel die uns dann zur Verfügung stehen.“