Kopftuch für Staatsschullehrerin verboten

04.07.2002

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, daß moslemische Lehrerinnen an staatlichen Grund- und Hauptschulen keinen Kopftuch tragen dürfen. "Die Pflicht zu strikter Neutralität im Bereich der staatlichen Schule wird verletzt, wenn eine Lehrerin im Unterricht ein Kopftuch trägt", urteilten die Bundesrichter. Die Klägerin, die 30-jährige Lehrerin Fereshta Ludin, die 1998 ihr zweites Staatsexamen in Baden-Württemberg ablegte, unterrichtet zur Zeit an einer islamischen Grundschule in Berlin-Kreuzberg. Sie zeigte sich bestürzt über das Urteil, ließ aber offen, ob sie Verfassungsbeschwerde einlegen will.

Nach Auffassung ihres Anwalts Hansjörg Melchinger weicht die Entscheidung erheblich vom bislang in Deutschland vorherrschenden Verständnis von staatlicher Neutralität ab. Nach diesem Prinzip müßte die Verwendung von christlichen jüdischen und sonstigen religiösen Symbolen durch Lehrkräfte an Staatsschulen künftig strikt verboten werden.

Während der Zentralrat der Muslime in Deutschland das Urteil als faktisches Berufsverbot kritisierte, begrüßte der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland den Richterspruch. Laizismus hat in der Türkei Tradition und erstreckt sich dort sogar bis in die Schulen in freier Trägerschaft. Dort würde Fereshta Ludin tatsächlich unter Berufsverbot stehen, während sie in Deutschland noch Ausweichmöglichkeiten hat.

Solange in Bayern Kruzifixe trotz des Urteils des Verfassungsberichts von 1995 noch in Staatsschulen hängen, stellt das Kopftuchverbot eine nicht zu rechtfertigende Diskriminierung dar. Der Bundesvertreter, Prof. Hans-Dietrich Weiß, hat wohl keine Ahnung davon, wenn er diesen Fall mit der Kruzifix-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vergleicht: "Ist der staatliche Unterricht unter dem Kreuz verwehrt, muss es auch verwehrt sein, staatlichen Unterricht unter dem Shador zu betreiben." Der staatliche Unterricht unter dem Kreuz ist aber nicht verwehrt. Die Eltern haben nur das Recht, das Kreuz abhängen zu lassen, müssen aber dafür extra klagen. Warum sollte nicht dasselbe beim Kopftuch gelten? Dies wäre wenigstens gerecht.

Eine strenge und konsequente Neutralitätspflicht des Staates wäre allerdings sinnvoller als ein solcher Kompromiß. Wäre das Bundesverwaltungsgericht wirklich unparteiisch, könnte man daher sein Urteil begrüßen. Dann würde es vielleicht in Bayern statt 15% Schulen in freier Trägerschaft bald nur noch 15% Staatsschulen geben, weil an Staatsschulen Kruzifixe wirklich abgehängt werden müßten. Und was kann man den Schulen heute mehr wünschen, als deren Entstaatlichung? Die kirchliche Vormundschaft ist zwar noch schlimmer als die staatliche, sie würde sich aber - außer vielleicht in Bayern - kaum gegen den heutigen Drang nach pädagogischer Freiheit behaupten können. Viele guten Lehrer wechseln nur deswegen zu konfessionellen Schulen, weil man ihnen dort eher freie Hand gibt.