Blut und Bohnen - Rudolf Steiner und der Rassismus

14.03.2002

Die von der grünen Ministerin Renate Künast vertretene Agrarwende - damit meint sie die Stärkung der ökologischen Landwirtschaft - hat nicht nur Freunde. Manche haben aus den Lebensmittelskandalen der letzten Jahre nichts gelernt. So Peter Treue, der unter dem Titel "Blut und Bohnen" in der FAZ vom 13.03.2002 die Agrarwende als Sieg des Okkultismus und Rassismus über die Wissenschaft hochstilisiert.

"Der ökologische Landbau, dessen massive Ausdehnung Frau Künast ununterbrochen fordert, ist in seinen Grundfesten ein Kind des Rudolf Steiner und einer Zeit, in der es vor allem darauf ankam, gesund, natürlich und rassisch rein zu sein", fängt Peter Treue an. Es folgt dann ein Zitat Rudolf Steiners über die Überwindung der Rassen durch die von ihm vertretene Anthroposophie. Peter Treue bringt es aber fertig, diese Stelle als Beweis für den rassistischen Charakter der Anthroposophie hinzustellen.

Der Bruch Rudolf Steiners mit der Theosophischen Gesellschaft und die anschliessende Gründung einer Anthroposophischen Gesellschaft weiß Peter Treue auch in seinem Sinne zu deuten. "Dieses Muster - Abfall von Führungspersönlichkeiten und Neugründung einer auf sie zugeschnittenen Gemeinschaft - ist typisch für die vielen Sekten- und Zirkelgründungen jener Zeit." Dabei vergißt Peter Treue zu erwähnen, daß Rudolf Steiner sich nicht zuletzt durch seine Kritik an der theosophischen Rassenlehre unbeliebt gemacht hatte. Diese zielte nämlich nicht wie Rudolf Steiner auf eine Überwindung, sondern auf eine Verewigung der Rassentrennung und paßte daher besser in die Zeit des Imperialismus. Den positiven Beitrag der Rassen zur Menschheitsentwicklung hielt Rudolf Steiner für längst abgeschlossen. Die weitere Kulturentwicklung führte er auf die Schwächung der Rassen durch ihre seit 10.000 Jahren zunehmende Vermischung zurück.

Mehr Glück hat Peter Treue mit seiner Kritik an einigen anthroposophischen Annäherungsversuchen dem Nationalsozialismus gegenüber, insbesondere unter biologisch-dynamischen Bauern. Hier muß man ihm Recht geben. Einige haben sich schon blamiert. Ein Argument gegen den ökologischen Landbau ist es aber nicht. Die Vertreter der industriellen Landwirtschaft - allen voran die chemische Industrie - haben sich nämlich noch massiver angebiedert - und waren durchaus erfolgreich. Mit ihrer Ideologie der Selbstversorgung waren die Nationalsozialisten auf eine intensive Landwirtschaft angewiesen. Die agrarwissenschaftliche Forschung wurde stärker als je zuvor auf dieses Ziel ausgerichtet. Diese wahnwitzige Agrarpolitik wurde dann nach dem Zweiten Weltkrieg von Europa übernommen und führte zur heutigen Katastrophe.

Solche Zusammenhänge zwischen wirtschaftlichen Interessen und wissenschaftlicher Rechtfertigung sind Peter Treue wohl zu kompliziert. Er mag es lieber einfacher. "Die ideologisierte Richtung des Ökolandbaus ist eben untrennbar mit der esoterisch vernebelten Welt- und Natursicht verbunden", meint er. "Esoterik, Astrologie und Okkultismus haben an staatlich unterstützten Forschungseinrichtungen nichts zu suchen." Peter Treue wirft daher solchen Wissenschaftlern wie Ernst Ulrich von Weizsäcker - damals Präsident der Gesamthochschule in Kassel - vor, zu Beginn der siebziger Jahre einen der ersten Lehrstühle für ökologischen Landbau eingerichtet zu haben. Peter Treue hätte es natürlich am liebsten, wenn er seine Auffassung von Wissenschaft staatlich verordnen könnte.

Besonders pikant ist die Art wie Peter Treue seine Vorliebe für die Stickstoffdüngung begründet: "Es ist ohne mineralische Stickstoffdüngung so gut wie unmöglich, backfähigen Qualitätsweizen zu produzieren, der sich durch einen besonders hohen Proteingehalt und gute Klebereigenschaften auszeichnet." Die Ursache für den Mangel an backfähigen Weizen liegt aber ganz woanders. José Bové, Mitbegründer der französischen alternativen Bauerngewerkschaft Confédération Paysanne, kennt sich da bestens aus: "Das Gros der europäischen Getreideproduktion dient nicht mehr der Ernährung des Menschen (Brot und Konditorwaren), sondern wandert zu fünfundsiebzig Prozent in die Tiermast. Dies erklärt auch, warum wir nicht mehr genügend hochqualitativen Backweizen erzeugen: Die Getreibelobby hat ihn völlig abgeschrieben."

Peter Treue sollte es eigentlich besser wissen, er ist nämlich wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung der Christian-Albrechts-Universität Kiel. Der Direktor des Instituts - Prof. Dr. F. Taube - hielt es aber für nötig, sich gleich am nächsten Tag von dem FAZ-Artikel von Peter Treue zu distanzieren. Er stellte klar, daß Peter Treue in keiner Weise autorisiert war, unter Nennung des Instituts einen solchen Artikel zu schreiben. "Dieses schlecht recherchierte Gebräu aus Halbwahrheiten und Polemik ist der angemessenen Behandlung des Thema Ökologischer Landbau unwürdig. Ich erspare mir, auf Einzelheiten einzugehen, da dies nur einer ungebührenden Aufwertung der Ausführungen von Herrn Treue gleich käme", so Taube.

Die Einzelheiten haben wir uns nicht erspart, weil sie immer wieder gegen die Anthroposophie aufgeführt werden und diesmal darauf zielten, eine völlig unbeteiligte Person zu diskreditieren, mit der wir sonst nicht immer sehr sanft umgehen. Was man von ihrer Strategie für eine Agrarwende auch halten mag, Renate Künast hat - wie Rudolf Steiner - mit Blut und Bohnen nichts zu tun.