Grüne Gentechnik auf dem Prüfstand

26.02.2002

Die Chancen des Anbaus genmanipulierter Pflanzen dürfen nach Ansicht des Deutschen Bauernverband (DBV) nicht durch eine "überzogene Risikodiskussion" verspielt werden. Aus Wettbewerbsgründen müssten die Möglichkeiten dieser Technik im Auge behalten werden, sagte DBV-Präsident Gerd Sonnleitner bei einer Tagung seines Verbandes zur Zukunft der Grünen Gentechnik.

Zu der Tagung waren Kritiker und Befürworter der Grünen Gentechnik eingeladen. Die Geschäftsführerin der Umweltschutzorganisation Greenpeace Deutschland, Brigitte Behrens, sagte, die Sicherheit genmanipulierter Nahrungsmittel lasse sich nicht garantieren und die Ausbreitung von Gen-Saaten nicht kontrollieren. Nach jüngsten Forschungserkenntnissen sei auch die Wirkung einzelner Gene kaum vorherzusagen.

Weltweit sei die Grüne Gentechnik längst Realität, hielt Gerd Sonnleitner entgegen. Die kommerzielle Anbaufläche ist allein von 2000 bis 2001 um 20 Prozent auf gut 52 Millionen Hektar gestiegen. Angebaut werden vor allem gentechnisch veränderte Sojabohnen, Mais und Baumwolle. Auf deutschen Feldern ist der Anbau genmanipulierter Pflanzen verboten. "Der Verbraucher soll die Wahlfreiheit haben", forderte Sonnleitner. "Wenn er gentechnisch veränderte Pflanzen nicht will, werden wir uns ohne Wenn und Aber daran halten."

Gleich kam aber das Wenn und Aber: Gerd Sonnleitner bedauerte, dass ein auf eine Kanzler-Initiative zurückgehendes Forschungsprogramm zum versuchsweisen Anbau von Gen-Mais immer noch auf Eis liegt. Hierbei widerspricht er sich selbst. Da die Ausbreitung der Gen-Saaten sich nicht kontrollieren läßt, hätten die Verbraucher bei solchen Versuchen bald keine Wahlfreiheit mehr. Hier geht es nämlich nicht um Marktwirtschaft, sondern um Sicherheit, also nicht um Einzelentscheidungen, sondern um Mehrheitsentscheidungen.

Um den Kritikern der grünen Gentechnik in den Industrieländern ein schlechtes Gewissen zu machen, wies Sonnleitner auf Vorteile für Entwicklungsländer hin. So hätten zwei deutsche Forscher einen mit Vitamin A angereicherten Reis gezüchtet, der Kindern in ärmsten Ländern helfen könnte, Vitaminmangel auszugleichen.

Ein schlechteres Beispiel als den angereicherten Reis hätte Sonnleitner nicht wählen können. Hätte er sich nur genauer erkundigt, hätte er feststellen müssen, daß hier viel Lärm um nichts gemacht wird. Die Anreicherung ist so minimal, daß sie nicht ins Gewicht fällt. Wer kann denn schon 9 Kilo Reis pro Tag essen? Viel sinnvoller für die Entwicklungsländer wäre ein Umstieg auf ökologischen Landbau. Durch die Produktivitätssteigerung würden Kapazitäten für den Anbau von Pflanzen frei werden, die von Natur aus Vitamin A enthalten. Wenn eine Technik sich als Antwort zum Bevölkerungswachstum eignet, dann nicht die Gentechnik, sondern der Ökolandbau.

Nach einer gemeinsamen Studie der Umweltorganisation Greenpeace und der Internationalen Vereinigung Biologischer Landbaubewegungen (IFOAM) fällt nämlich die ökologische Baumwollernte der Bauern in Madhya Pradesh (Indien) durchschnittlich 20 Prozent höher aus als bei ihren Nachbarn mit herkömmlichem Anbau. In Madagaskar hat sich die Reisernte unter ökologischen Methoden sogar verdoppelt. Greenpeace forderte deshalb, besonders in den Entwicklungsländern die ökologische Landwirtschaft finanziell zu fördern. Grüne Ökotechnik statt grüne Gentechnik.

Die FDP begrüßte dagegen den Vorstoß des Bauernverbandes. Nicht nur die Risiken, sondern auch der Nutzen der Grünen Gentechnik müsse in der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden, erklärte der agrarpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Ulrich Heinrich. Damit bestätigte dieser nur die Risiken einer neoliberalen Wirtschaftspolitik.