Deutsche Wirtschaft verlangt Schul-TÜV

15.01.2002

Nach dem schwachen Abschneiden deutscher Schulen im internationalen Schulvergleich "Pisa" werden die Rufe nach mehr Bildung, Ausbildung und Studenten lauter. Der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, Bernhard Jagoda forderte heute, Deutschland müsse mehr besser qualifizierte Fachkräfte ausbilden. Die deutsche Wirtschaft forderte eine grundlegend neue Schulpolitik - und meinte damit eine Schulwirtschaft.

Der Anteil der jungen Menschen, die weiterführende Schulen und Hochschulen besuchen, müsse deutlich ausgeweitet werden, sagte Jagoda. Laut der OECD-Untersuchung "Pisa" nehmen im Durchschnitt der Industrienationen 40 Prozent eines Jahrganges ein Studium auf, in Deutschland aber nur 28 Prozent. Zudem sei in Deutschland die Studienabbrecherquote besonders hoch.

"Wir brauchen sofort neue Anstrengungen für eine wirklich umfassende und flächendeckende Qualitätsverbesserung an allen Schulen", forderte der Bildungsausschuss des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) in Berlin. Die deutsche Wirtschaft biete sich als Partner an, das "Ruder in der Schulpolitik endlich herumzureißen".

"Bildung ist für den Wirtschaftsstandort Deutschland die wertvollste Ressource", hieß es in der Stellungnahme des DIHK. Zu den DIHK-Forderungen zählen unter anderem die Intensivierung der vorschulischen Erziehung und die Verbesserung von Text- und Leseverständnis sowie Rechtschreibfähigkeiten. Außerdem sollen lern- und leistungsschwache sowie hoch begabte Schüler besser und gezielt gefördert werden. Die Schulreform müsse vorangebracht werden. Zudem müsse ein unabhängiges System der Qualitätskontrolle aller Schulen, ein so genannter "Schul-TÜV" eingeführt werden.

Von diesen vielen Forderungen würde wohl nur die letzte - das heißt die Forderung nach einem unabhängigem System der Qualitätskontrolle - eine grundlegende Reform bedeuten. Und dies auch nur, wenn eine solche Einrichtung nicht nur von der Politik, sondern auch von der Wirtschaft unabhängig wäre. Mit seinem gut gemeinten Vorschlag einer Intensivierung der Vorschulerziehung zeigt aber der DIHK, daß er genauso wenig wie die Politik vor einer Bevormundung der Pädagogen zurückschreckt.

Frankreich ist hier ein abschreckendes Beispiel. Kaum einer traut sich in die erste Klasse, wenn er nicht schon lesen und schreiben kann. Der Kindergarten ist so verschult, daß man nur noch zum Schwänzen raten kann. Und das ganze Konzept wurde entwickelt von Hochschullehrern, die nie selber vor Kindern gestanden haben, für Lehrer, die noch nicht vor ihnen gestanden haben. Sie könnten sonst ja den Schwindel erkennen. Das sollen sie lieber erst später erfahren, wenn sie aus Zeitmangel nicht mehr zurück können. Pädagogik vom Reißbrett aus. Eigentlich genial, wenn man nur dafür die geeigneten Kinder finden könnte.

Ein Schul-TÜV müßte also Sache einer Lehrerselbstverwaltung werden. Sie müßte auch aus den Fehlern im Gesundheitsbereich lernen und den Schwerpunkt auf Langzeitstudien legen. Beim Auto-TÜV geht es verständlicherweise nur um die nächsten zwei bis drei Jahre. Beim Einsatz von Medikamenten macht es aber einen großen Unterschied, ob jemand noch drei Jahre oder zehn Jahre lebt. Ob eine Schule etwas taugt, entscheidet sich auch nur auf längere Sicht, durch dasjenige, was die Schüler später aus sich und aus ihrer Umwelt im Leben machen. Dies wäre auf jeden Fall eine gute Ergänzung zum Pisa-Test.