Kulturföderalismus gerät in die Kritik

10.01.2002

Seit dem "Pisa-Schock" gerät nun auch der bislang sakrosankte Kulturföderalismus zunehmend in die Kritik. Zum deutschen Bildungs-Föderalismus schrieb am 09.0.20021 die "Saarbrücker Zeitung": "Nicht erst seit heute stellt sich die Frage, ob der Bildungs-Föderalismus, bei dem jedes Bundesland an seiner eigenen Schul- und Hochschulpolitik bastelt, nicht eher ein Standort-Nachteil für diese Republik ist. Der Vorwurf, dass die "Regionalfürsten" die Bildungspolitik als Spielwiese für ihre Experimente nutzen, wird erst entkräftet, wenn sich alle Länder darauf verständigen, dass in der Vereinheitlichung der Bildungsabschlüsse für alle Beteiligten (Eltern, Lehrer, Schüler, Professoren, Studenten) eine große Chance liegt - nämlich die der absoluten Vergleichbarkeit.

Nicht um der Vereinheitlichung Willen ist dem Bildungsföderalismus der Stuhl vor die Tür zu stellen, sondern weil die Schulen zum Tummelfeld und damit auch zum Trümmerfeld für regionalpolitische Egos werden.

Aus Bildung werden Standortvorteile und aus "Bildungserfolgen" Politkonkurrenz gemacht. Übermütig und peinlich brüstete sich unlängst Baden-Württemberg auf Postern mit dem Motto: "Wir können alles, nur nicht Hochdeutsch". Nach dem babylonischen Turm von Pisa müsste in Zukunft auf den Postern stehen: "Wir können alles, nur nicht Lesen - und Hochdeutsch schon gar nicht".

Die regionale Auswertung der Pisa-Studie wird erst einmal dauern, und bis zum Noten-Zahltag beim Vorliegen der Auswertung ist Platz für ein bißchen Besonnenheit.

Mit Bundespräsident Johannes Rau muß gehalten werden: "Unsere Bildungsstätten sind so gut wie die, die dort lehren und forschen". Die Lehrer sind das Gold der Schulen, aber sie brauchen keine Lehrpläne und geistige Korsetts, um das Beste aus den Kindern zu holen, und hier müssen die Politiker zum Umdenken bewogen werden - auch der liebe Herr Bundespräsident, der seine Rede vor dem Forum Bildung, bestehend aus den Kultusministern und Edelgard Bulmahn, mit dem Satz beendete: "Die Lehrer brauchen viel, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Vor allem brauchen sie unsere Unterstützung".

Falsch Herr Bundespräsident. Die Lehrer brauchen geistige Freiheit, nicht die Bildungspfuscherei der Politiker!

Diese Erkenntnis reift hoffentlich nach dem Pisa-Test. Auf jeden Fall schrieb die "Nürnberger Zeitung" am 10.01.2002 zu Johannes Raus Bildungskritik: "Nein, die Politiker haben sich nicht zu wenig um den Bildungsbereich gekümmert, im Gegenteil; sie haben eher zu viel des vermeintlich Guten getan. Hätten sie die Ausgestaltung des Schulalltags den Profis, also den Lehrern, überlassen, und sich auf die Optimierung der Rahmenbedingungen beschränkt - das so viel gescholtene Bildungswesen stünde heute wesentlich besser da. Und Raus Gardinenpredigt wäre überflüssig."

Aus dem Subsidiaritätsprinzip heraus hat man Kultur und Bildung als Länderresort ausgewiesen, sozusagen als geschichtliches Erbe des reichsrechtlichen Landeskultusprinzips cuius regio, eius religio (Wessen das Gebiet, dessen Religion). Was damals die Folge war, passiert auch jetzt: Die Landesherren würgen und vergewaltigen das Geistesleben, weil es ihr zentrales Machtinstrument ist, für die Selbstbehauptung gegenüber die anderen Machtpole Deutschlands.

Damit muß Schluß sein und die Geschichte muß weiter gehen. Das Subsidiaritätsprinzip muß (auch, und gerade, in Hinblik auf die EU) zu Ende gedacht werden und bei den Eltern und Lehrern angelangen.