Freie Koran-Schulen statt staatliche Koran-Hochschulen

26.10.2001

Das Berliner Verwaltungsgericht hat am 26.10.2001 einen zähen Rechtsstreit zwischen der Islamischen Föderation und dem Land Berlin endgültig beendet. Die Muslime dürfen neben den christlichen Kirchen ihre Religion an den staatlichen Berliner Schulen in eigener Verantwortung lehren. Seit der Gründung der Föderation vor über 20 Jahren haben die Muslime in einem langen Prozeß versucht, den Islamunterricht durchzusetzen: Nach mehreren Gerichtsverhandlungen und Gerichtsinstanzen sprach das Oberverwaltungsgericht Berlin am 04.11.1998 der Föderation das Recht zu, islamischen Religionsunterricht anbieten zu können. Durch die Beschwerde der Senatsschulverwaltung, die vom Bundesverwaltungsgericht angenommen wurde, ging der Rechtsstreit weiter. Das Bundesverwaltungsgericht entschied im Februar 2000 zugunsten der IFB, wonach die Föderation einen Rahmenplan bei der Senatsschulverwaltung eingereicht hat. Dieser Rahmenplan mußte, aufgrund penibler Einwände und Nachfragen der Schulverwaltung, dreimal überarbeitet werden. Nun hat sich die Hinhaltetaktik zerschlagen und der Islam wird in Religionsangelegenheiten gleichberechtigt behandelt, - wenigstens in Berlin.

Nicht von ungefähr wird die Zulassung seit neustem, das heißt seit dem 11.09.2001, begleitet vom Wunsch gewisser politischer Kreise, den Islamunterricht jetzt endlich an deutschen Schulen zu integrieren, um ihn unter Kontrolle zu bekommen. Bei der Berliner Entscheidung liegt es den Politikern im punkto Islamunterricht aber quer, dass der Unterricht von freien Trägerorganisationen durchgeführt wird.

So sagte Ulrike Flach, Vorsitzende des Bildungsausschusses des Bundestags (FDP), dem Radiosender SWR2 am 26.10. anläßlich der Entscheidung in Berlin: "Ich muss überlegen, wie ich als Staat damit umgehe und Wildwuchs verhindere. Und das, was bei den Berlinern im Augenblick passiert, ist Wildwuchs. Wir drängen die Kinder in die Koran-Schulen, statt es wie bei den großen christlichen Religionsgemeinschaften so zu machen, dass wir die entsprechenden Lehrer an unseren Universitäten ausbilden und dann auch in Übereinstimmung mit den Religionsgemeinschaften den Unterricht an den Schulen durchführen. Das wäre eigentlich die richtige, auch unserem Grundgesetz entsprechende Form, so müssten wir es machen".

Was die Politiker wünschen ist eine staatliche Kontrolle des islamischen Glaubens, von Kindheit an. Merkwürdig, dass Frau Flach sich dabei auf das Grundgesetz beruft!

Merkwürdig ist auch, dass immer wieder versucht wurde, die islamische Föderation mit dem Grundgesetz zu miskreditieren und sie in die fundamentalistische Ecke zu stellen. So wurde der Rahmenplan der Föderation u.a. zurückgewiesen, weil der Rahmenplan die Leitidee des Art. 2 GG und Art. 29 der Berliner Verfassung nicht ausreichend verdeutlicht, die die "Erziehung zum selbständigen, mündigen Bürger" verankern. Ist das Konzept Flachs und ihrer politischen Kollegen von Geisteskontrolle mit diesen Artikeln konform?

Mit dem Grundgesetz tun sich für die Politik allerhand Probleme auf. Das Grundgesetz sagt in Art. 7 Abs. 2 eindeutig: "Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme ihres Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen." Einzig in Berlin haben die Eltern dieses Recht in positivem Sinn (weil Religionsunterricht kein "ordentliches Unterrichtsfach" ist). In allen anderen Ländern, besonders dort, wo der Religionsunterricht "ordentliches Unterrichtsfach" ist, wird ihnen, bzw. ihren Kindern, nur das negative Recht zugestanden, nämlich die Abmeldung vom Religionsunterricht. Nach der Verfassung gibt es jedoch nur zwei Träger von Erziehungsrechten: Die Eltern und den Staat. Die Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften haben kein Erziehungsrecht, sondern sie dürfen lediglich im Auftrag der Eltern Unterricht nach ihren religiösen bzw. weltanschaulichen Grundsätzen erteilen.

Der Religionsunterricht rüttelt an den Wurzeln des staatlichen Schulsystems, weil sich der Religionsunterricht vom Grundsatz des Laizismus her der Staatskontrolle entzieht. Darüberhinaus wird die Fragmentierung des Religionsunterrichts der Einheitsschule weiter gehen müssen und es wird neben dem evangelischen und katholischen Unterricht nicht nur noch ein freikirchlicher, ein jüdischer und für eine islamischen Richtung Unterricht durchgeführt werden müssen, sondern vielleicht noch für die Aleviten und schiitischen Muslime. Durch die regelmäßige schulorganisatorische Trennung der Schülerinnen und Schüler wird es für die Einheitsschulen im Einzelfall organisatorisch sehr schwierig einen geordneten Unterricht anzubieten. Statt einem geistlosen, staatlichen Einheitswahn muß die neue Schulordnung auf das Erziehungsrecht der Eltern und auf eine gemeinsame geistige Grundlage eines Elternkreises bauen. Wer da Angst vor "dunklen" Koranschulen hat, hat Angst vor der Kraft des Geistes und seiner eigenen Courage.