Annette Schavan stellt Schule in ihren Dienst

26.06.2001

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat dem Oberschulamt Recht gegen eine moslemische Lehrerin gegeben, die im Unterricht ein Kopftuch tragen wollte und deshalb von der christdemokratischen Kultusministerin Annette Schavan nicht für den Schuldienst zugelassen worden war. Das staatliche Neutralitätsgebot soll Vorrang vor der Religionsfreiheit haben. Es sei denn, man ist Christ und Politiker - wie Annette Schavan.

Die Pädagogin - Fereshta Ludin - berief sich auf die Religionsfreiheit und erklärte, sie wolle keine religiöse Propaganda betreiben. Das Oberschulamt hatte den Kopftuch-Wunsch der Lehrerin als Verstoß gegen die beamtenrechtliche Neutralität gewertet und erklärt, es sei realitätsfern, den Glaubenscharakter des Kopftuches zu bestreiten.

Bereits im vergangenen Jahr war die Pädagogin vor einer niederen Instanz, dem Verwaltungsgericht in Stuttgart, unterlegen. Die Richter hatten das Kopftuchtragen als "demonstrativ religiöses Bekenntnis" gewertet. Dies sei nach dem so genannten Kruzifixurteil des Bundesverfassungsgerichts aber nur möglich, wenn es eine zumutbare Ausweichmöglichkeit für die Schüler gebe. Eltern und Schüler könnten sich aber ihre Lehrer nicht aussuchen, hieß es in der Urteilsbegründung.

Der Vergleich mit dem Kruzifizurteil ist mehr als gewagt. Das ist wohl ein Unterschied, wenn von Staats wegen Kruzifixe in bayerischen Schulklassen aufgehängt werden, oder wenn eine Lehrerin aus eigener Überzeugung ein Kreuz oder ein Kopftuch trägt. In dem ersten Fall wird über eine religiöse Frage per Mehrheit entschieden. Im letzteren Fall entscheidet jeder über die eigene Religion, ohne sie anderen per Gesetz aufzwingen zu können. Wenn Verwaltungsgerichte hier keinen Unterschied sehen, zeigt es nur, wie realitätsfern sie selber geworden sind.

Das eigentliche Problem ist nicht der Glaubenscharakter des Kopftuches, sondern der Staatscharakter der Schule. Um ihn möglichst zu erhalten, greifen Politiker wie Annette Schavan sogar zu illegalen Mitteln, um die weitere Verbreitung von Schulen in freier Trägerschaft zu verhindern. Urteile des Verfassungsgerichtes werden umgangen, wo es nur geht. Und dies mit so großem Erfolg, daß es bis heute in der Tat kaum zumutbare nichtstaatliche Ausweichmöglichkeiten für die Schüler gibt. Eltern und Schüler können sich ihre eigenen Lehrer zwar aussuchen, aber kaum bezahlen.

Der Spruch des Verwaltungsgerichthofs zeigt, daß Religionsfreiheit und Schulfreiheit untrennbar sind. Es wäre Zeit, daß die Eltern sich ihre Politiker danach aussuchen, wie konsequent sie sich für beide engagieren, statt Kultusministerin Annette Schavan zum zweiten Mal für den Schuldienst zuzulassen.