Bafög-Reform und Auslandsstudium

28.05.2001

Die Bildungsminister der 15 EU-Staaten machen sich Gedanken darüber, wie eine größere Mobilität von Schülern, Studenten und Lehrpersonal innerhalb der Gemeinschaft erreicht werden könne.

Zu diesem Zweck gibt es schon seit einigen Jahren europäische Förderprogramme. Die Information über die entsprechenden Hilfen soll nun durch eine EU-weite Informationsplattform für Studenten verbessert werden. EU-Bildungskommissarin Viviane Reding gesteht allerdings, daß die EU-Mittel nicht ausreichen und die Mitgliedsstaaten die EU-Programme deshalb mit eigenen Hilfen begleiten müssen. Sonst haben nur die Kinder reicher Eltern die Möglichkeit eines Auslandsstudiums.

Hier stehen sich die Mitgliedsstaaten bisher selber im Wege. Mit ihrem engstirnigen System der Studienfinanzierung zwingen sie weniger bemittelte Studenten dazu, im Inland zu bleiben. Das Auslandsstudium müßten sie einem Inlandsstudium einfach finanziell gleichsetzen. Dies ist auch der einzige positive Beitrag, der von ihnen ausgehen kann. Zum Auslandsstudium können sie sonst nur "negativ" beitragen, das heißt nicht durch Tun, sondern durch Nicht-Tun. Zum Beispiel indem sie endlich darauf verzichten, die internationale Zusammenarbeit im Bildungsbereich durch nationale Lehrpläne zu torpedieren. Heute stellt ein Auslandsstudium deswegen oft nur sprachlich einen Gewinn dar. Fachlich bringt es dagegen selten weiter.

Bei der Finanzierung scheint sich inzwischen einiges zu bewegen. Der Staatssekretär im deutschen Bundesbildungsministerium Wolf-Michael Catenhusen war stolz darauf, daß Deutschland mit seiner Bafög-Reform als erster EU-Staat die Studienbeihilfen mobil gemacht habe. Die unterstützten Studenten können nun ihr Bafög-Geld nach zwei Semestern auch zu einem Studienplatz im Ausland mitnehmen. Catenhusen mußte sich aber vom schwedischen Bildungsminister Thomas Östros eines Besseren lehren lassen. In Schweden besteht ein solches System bereits seit zehn Jahren, obwohl oder vielleicht gerade deswegen, weil Schweden damals der EU noch gar nicht beigetreten war. Seither hat sich die Zahl der schwedischen Studenten an ausländischen Universitäten verzehnfacht.

Erstmals haben die Minister Perspektiven des Bildungssystems in Europa beschrieben. Besorgt zeigen sich zum Beispiel Kommissarin Reding und der Ratsvorsitzende Östros über einen Mangel an Naturwissenschaftlern in Europa. "Das Defizit ist in allen Mitgliedsstaaten vorhanden". Ein Grund dafür ist eindeutig staatsgemacht. Die verbeamteten geburtenstarken Jahrgänge der 40er Jahre erreichen nun das Rentenalter. Spätere Jahrgänge wurden vom Lehrerberuf abgehalten, ohne Rücksicht auf die individuelle pädagogische Eignung. Nun wird auf Seiteneinsteiger gesetzt, ohne auf die Idee zu kommen, daß es für solche Lehrer vielleicht das Beste wäre, nach einigen Jahren wieder zu ihrem Beruf zurückzukehren. Vielen Lehrern würde nämlich nicht nur eine Mobilität innerhalb der europäischen Gemeinschaft, sondern auch innerhalb der Gesellschaft gut tun.

Eine weitere Sorge der europäischen Bildungsminister ist der zunehmende Mangel an Lehrern für Fremdsprachen. Hier kommen sie gar nicht auf die Idee, geeignete Seiteneinsteiger - nämlich die entsprechenden Muttersprachler - einzusetzen. Als gute Patrioten bevorzugen sie ihre eigenen Landsleute auch dann, wenn sie aus dem Fremdsprachenunterricht eine einzige Karikatur machen. Kein Wunder, wenn die so ausgebildeten Studenten ihre Sprachkenntnisse realistisch einschätzen und vor einem Auslandsstudium zurückschrecken! Das Bildungssystem in Europa hätte viel bessere Perspektiven, wenn die Bildungsminister sie nicht mehr vorschreiben würden.