Amerika nach dem Motto "Brot und Bibel"

29.01.2001

US-Präsident George W. Bush will soziale Programme religiöser Gruppen mit Milliarden von Dollar fördern. Eine Initiative dazu wurde zu Beginn seiner zweiten Amtswoche erwartet. Kritiker befürchten, dass damit die traditionelle Trennung zwischen Staat und Kirche aufgehoben wird. Der Plan, der ein zentrales Thema in Bushs Wahlkampf war, sieht vor, dass religiöse Gruppen soziale Dienste, wie Drogenberatung und Kinderbetreuung, übernehmen. Sie würden dafür Steuergelder erhalten, um die die verschiedenen Gruppen aber konkurrieren müssten.

Nach Angaben der "New York Times" vom Montag wollte Bush für den neu geschaffenen Posten eines Koordinators für die religiösen Programme den angesehenen Universitätsprofessor John Dilulio ernennen. Bush plante für die Woche Treffen mit Vertretern mehrerer religiöser Gruppen, um sein Programm zu fördern. Der Plan wird auch von einigen Demokraten unterstützt. Liberale Kritiker befürchten aber, dass damit religiöse Gruppen zu sehr in staatliche Aufgaben eingebunden werden, sich aber nicht an staatliche Vorgaben wie den Minderheitenschutz halten müssen.

In Gottes eigenem Land sind Kirche und Staat deutlich voneinander getrennt, und gerade die religiöse Ungebundenheit hat in den USA den heutigen freiheitlichen Sozialimpuls entstehen lassen, während in Europa der Staat durch die Staatskirche seine Macht und Sozialkontrolle ausübte. Es besteht in den USA keine unmittelbare Gefahr für die Organisationen des freien Geisteslebens, wohl aber für den freien Geistesmenschen. Die verstärkte Einbindung kirchlicher Organisationen im sozialen Bereich ist gewachsen aus Präsident Bush´s eigenwilligem, aber für seine Politik grundlegendem sozialen Verständnis: Für alle sozialen Missstände in den USA macht Bush den fehlenden moralischen Rückhalt verantwortlich. Deshalb können aus seiner Sicht die sozialen Probleme nicht säkularisch, sondern nur durch Religion und Moral gelöst werden. Bibel statt Brot oder zumindest Brot und Bibel ist das neue Motto.

Diese neue Politik ist ein Armutszeugnis für Bushs soziales Verständnis: Er plaziert die soziale Hilfe beim Geistesleben und katapultiert damit die Hochburg des westlichen Kulturimpulses 2700 Jahre zurück in die Theokratie.