Drohendes Verbot der französischen Waldorfschulen

14.01.2001

Wenn es darum geht, sein Bildungs- und Gehirnwäschemonopol zu retten, ist der französische Staat nicht gerade zimperlich. Von der Pariser Regierung beauftragte "Kontrolleure im Kampf gegen die Sekten" lassen die 17 Waldorfschulen in Frankreich nicht mehr aus dem Auge. Und dies, obwohl oder gerade deswegen, weil der Chef der Anti-Sekten-Kommission des Parlaments, Jacques Guyard, letztes Jahr auf Betreiben verschiedener anthroposophischen Vereinigungen hin verurteilt worden ist, weil er die Bewegung eine "Sekte" genannt hat.

Untersucht wird nun systematisch, was den Waldorfschulen vorgeworfen werden kann. Haben sich die Schulen von bestimmten "rassistischen Thesen" Steiners abgegrenzt? Wie steht es um das Bildungsniveau? Fazit der Kontrolleure: Waldorfschüler tanzen wie konditionierte Roboter und lernen möglichst spät schreiben, damit sie sich noch besser konditionieren lassen. Da dies alles aber gegen die Waldorfschulen nicht richtig helfen kann, greift man zu einem besseren Argument. Wiederholte systematische Kontrollen durch Schulmediziner haben nämlich ergeben, daß nur knapp jeder dritte französische Waldorfschüler wie vorgeschrieben geimpft ist. "Rudolf Steiner war gegen Impfungen. Wenn sich bis zum März in diesem Punkt nichts bessert, werden wir das Gesetz anwenden. Und das kann bis zur Schließung bestimmter Schulen gehen", heißt es im Pariser Bildungsministerium. Therapiefreiheit ist in Frankreich ein Fremdwort.

Entscheidend ist hier aber, daß die Waldorschulen versuchen, sich der Kontrolle des Staates zu entziehen. Und sie haben allen Grund dazu: Die zwei staatlich anerkannten Waldorfschulen müssen sich so stark an den staatlichen Lehrplan anpassen, daß von Waldorfpädagogik eigentlich nicht mehr die Rede sein kann. Und wenn Lehrer dieser Schulen es bestreiten, wirkt es genauso peinlich, wie die Versuche der Waldorfschulvereinigung, sich gegen das Bildungsministerium zu rechtfertigen. Wenn ihr Präsident auf eine Abitur-Erfolgsquote von 85 Prozent verweist, ist das nämlich genauso nichtssagend, wie die Behauptung der Kontrolleure, das Bildungsniveau sei besorgniserregend.

Mit ähnlich ausweichenden Antworten haben auch einige deutschen Waldorfschulen 1937 versucht, sich vor einem Verbot durch den nationalsozialistischen Staat zu retten. Dies hat ihnen damals nicht geholfen, weil die andere Seite doch genau wußte, daß Anthroposophie und Nationalsozialismus sich eindeutig widersprechen. Und die heutigen Nachwirkungen solcher Ausweichmanövern sind verheerend, weil diese Tatsache von Gegnern der Anthroposophie ausgenutzt wird, um eine vermeintliche Nähe der Anthroposophie mit dem Nationalsozialismus zu belegen.

Die französischen Waldorfschulen sollten lieber klare Verhältnisse schaffen. Von einem Bildungsministerium, wie dem französischen, das sich schamlos "Ministerium der Nationalerziehung" nennt, sollten sie öffentlich fordern, daß es sich erstmals von den eigenen nationalistischen Thesen abgrenzt. Es wird mal eine Zeit geben, wo es kein Ruhm sein wird, vor einem solchen Monster gekuscht zu haben. Und vom Gesundheitsministerium sollten sie verlangen, daß es sich genauso wenig wie die Waldorfschulen in die Elternentscheidung bezüglich der Impfungen einmischt. Dies würde vielleicht zunächst das Ende der französischen Waldorfschulen mit sich ziehen. Mit klaren Worten läßt sich aber besser wiederauferstehen.