Züricher bekommen Englisch als erste Fremdsprache

24.10.2000

Der Erziehungsdirektor (Kultusminister) des Kantons Zürich, Ernst Buschor, hat im Alleingang beschlossen, Englisch als erste Fremdsprache einzuführen, und damit eine seit 1975 gültige Absprache der Schweizer Kantone aufgekündigt, wonach der Fremdsprachen-Unterricht mit einer Landessprache - Französisch, Deutsch oder Italienisch - beginnen muß. Der Neuenburger Erziehungsdirektor Thierry Beguin sprach von einem Faustschlag für den nationalen Zusammenhalt.

Umfragen zeigen, daß Eltern lieber Englisch wollen, stellt Buschor fest. Ein Viertel der Schweizer würden Englisch sogar am liebsten als Verständigungssprache mit ihren Landleuten aus den anderen Sprachregionen einführen. Zudem fürchten Eltern, ihre Kinder könnten den Anschluß an die Englisch sprechende Weltelite verpassen, wenn sie zuerst Französisch oder Deutsch lernen müssen. Drei Viertel der Eltern in der Deutschschweiz finden es gut, in der Schule als erste Fremdsprache Englisch zu unterrichten. In der französisch-sprachigen Schweiz sind es nur 45 Prozent. Dies liegt aber nicht an einem dort größeren Patriotismus, sondern daran, daß die Deutschschweizer fast zwei Drittel der Bevölkerung stellen. Analysen haben gezeigt, daß die Frankophonen für eine Karriere in der Schweiz zwar Deutsch brauchen, die Deutschschweizer aber kaum Französisch.

Man fragt sich allerdings, warum eine Mehrheit der Eltern darüber entscheiden soll, was alle Kinder des Kantons für eine Fremdsprache zu lernen haben. Erziehungsdirektoren fällt es natürlich nicht ein, daß die einzelnen Eltern für ihre jeweils eigenen Kinder entscheiden könnten. Dies wäre wohl das Ende jeden kantonalen Zusammenhalts. Ob die Wahl nun auf Französisch oder Englisch beziehungsweise Deutsch fällt, bleibt dabei immer ein bitterer Beigeschmack. Keine dieser Sprachen verdankt es ihrem inneren kulturellen Wert, sondern Französisch bisher allein der staatlichen Macht und Englisch, oder in diesem Fall auch Deutsch, eigentlich nur der wirtschaftlichen Gewalt.