Karen Jespersen und die Gefängnisinsel

25.08.2000

In einem Interview mit dem dänischen Fernsehsender TV2 am 25.08.2000 erwog die dänische Innenministerin Karen Jespersen, kriminelle Asylbewerber auf einer Gefängnisinsel zu isolieren. Damit sollte auf Polizeiberichte reagiert werden, denenzufolge Diebstähle und Einbrüche, besonders von russischen, armenischen und georgischen Flüchtlingen, zugenommen haben. Mit dieser Aktion sollten Asylbewerber abgeschreckt werden, die "einzig und allein mit dem Ziel, Straftaten zu verüben, nach Dänemark kommen". Das Innenministerium will, laut Jespersen, auch in russischen und armenischen Zeitungen künftige Einwanderer auf die sie erwartenden Strafen im Falle der Straffälligkeit hinweisen.

Als Sozialdemokratin hält sich Karen Jespersen keinesweg zu gut für geistige Brandstiftung, zumal sie dadurch der Wählerflucht ihrer Partei, zu Gunsten der rechtspopulistischen "Fortschrittspartei", Einhalt gebietet. Daß solche Äußerungen auf fruchtbaren Boden fallen, ist deutlich erkennbar an der Fülle von positiven Kommentaren im Zuschauer-News-Forum des Fernsehrsenders TV2 nach der Sendung. Karen Jespersen wurde schon 1997 für den "Hardrup-Schandpreis" des Vereins "Faklen" aufgrund ihrer populistischen Meinungen bezüglich des "Nationalen Problems mit den Einwanderern der 2. Generation" nominiert. Solche populistischen Äußerungen sind aber mannigfaltig und machen, laut "Faklen", den Kernpunkt der "Neue Politik" in Dänemark aus.

Engagiert sich die dänische Regierung vielleicht deshalb so tatkräftig für die Aufhebung der EU-Sanktionen gegen Österreich?

Das wache Bewußtsein der Öffentlichkeit für kriminelle "Fremde" hält jetzt ungeschwächt seit Jahren an, und ist Thema in fast jeder Zeitungsausgabe. Es fing damit an, dass Einwanderergruppen der 2. Generation Banden bildeten; eine Problematik, die mit fehlgeschlagener Integration und mentalen Störungen erklärt, und mit Ausweisungen geahndet wurde. In Dänemark, wo ein Asylgesuch fast als kriminell empfunden wird, wird die tendenzielle kriminelle Absicht der Asylbeantrager damit begründet, dass den wenigsten Asylanträgen der Russen, Armenier und Georgier entsprochen werden kann. Ob diese quantitative Begündung Geltung haben kann ist die Frage, denn die Anzahl von abgelehnten Asylgesuchen sagt mehr über die Asylgesetze und die Praxis aus, als über die eigentliche Asylberechtigung.

Isolierung krimineller Asylanten hat nichts mit zeitgemäßer Justiz zu tun. Eine juristische Sanktion soll nicht auf die Bestrafung, Abschreckung oder Gesellschaftsausgrenzung, sondern auf die Resozialisierung der Kriminelle zielen. Eine Isolierung trägt nicht zur Resozialisierung bei. Außerdem müssen die dänischen Politiker den Schluß ziehen, dass sie mit der bisherigen Justiz das Problem der Einwanderer der 2. Generation nicht angemessen in den Griff bekommen haben, was ihnen immer wieder von der Bevölkerung vorgehalten wird. Doch haben sie schon fruchbare Ansätze gefunden: Sie haben ältere Autoritäten der Ethnien als unautorisierte Ordnungshüter in Einwanderervierteln eingesetzt, - mit Erfolg.

Wenn nun die jugendlichen Einwanderer eigentlich nur ihre Ältesten anerkennen, sind auch nur jene als einzige geeignet, als judikative und exekutive Autorität für die Resozialisierung zu sorgen. Ein ausgebildeter dänischer Jurist hat dafür nicht die notwendige Einsicht und das Verständnis. Nur ein aus dem Bereich des freien (= nicht nationsgebundenen) Geisteslebens Kommender hat die notwendigen sozialen und pädagogischen Einsichten. Wir schlagen vor, die jugendlichen Straftäter selber ihre "Richter" zu wählen zu lassen, auch unter bestimmten Richtern ihrer Ethnie, die nominiert sind. Die Aufgabe eines solchen Richters wird es nicht so sehr sein, die quantitative (Länge oder Geldbußhöhe) Strafbemessung vorzunehmen, sondern über Schuld, sowie über den Rahmen der Resozialisierung zu entscheiden. Bei einem Jurygremium müssen auch ethnische Kriterien bedacht werden, wenn der Angeklagte es wünscht.