Summerhill gewinnt Gerichtsverfahren

23.03.2000

Die britische Schulaufsicht hatte im vergangenen Sommer die Schließung der anti-autoritären Privatschule Summerhill angekündigt, mit der Begründung, sie würde den Schülern gestatten, "Faulheit als Ausübung persönlicher Freiheit mißzuverstehen". Mit der finanziellen Unterstützung vom effe (European Forum of Freedom in Education) ging Summerhill vor Gericht. Nun ist die Schulaufsicht vor dem High Court (Obersten Zivilgericht) in London gescheitert. Die Richter stellten sich quer mit folgender Begründung: "Die Schule hat das Recht auf ihre eigene Philosophie. Bei Überprüfungen der Schulaufsicht muß die Zielsetzung einer internationalen, freien Schule, berücksichtigt werden."

Über die genauen Hintergründe berichtet Dr. Robert Bell in den Mitgliederinformationen vom effe:

"Im Laufe der letzten Jahre hat das Ministerium für Erziehung und Arbeit in England die Schulbesuche an den staatlichen Schulen verstärkt. Damit soll das genaue Befolgen eines ausführlichen zentralen Lehrplans gesichert werden. Um sie dabei zu beraten und zu überprüfen - wurde das "Amt für Standards in der Erziehung" (Office for Standards in Education - OFSTED) geschaffen. OFSTED ist vom Staat unabhängig und besteht aus ehemaligen Lehrern und Nicht-Lehrern, die Schulen auf kommerzieller Basis beurteilen. Das Ergebnis eines Besuches von OFSTED wird in der Regel vom Staat übernommen. Das kann zur Schließung der betroffenen Schule oder zur Übertragung des Schulmanagements auf private Einrichtungen führen mit dem Ziel der Reformierung oder Neubegründung der gesamten Schule.

OFSTED hat nun seine Aufmerksamkeit verstärkt auf jene nichtstaatlichen Schulen gerichtet, die in England keine staatliche Unterstützung erhalten und zumindest in der Theorie - völlig unabhängig sind. Die Inspektoren haben dabei gemeinsam im Auftrag der Regierung sicherzustellen, dass Kinder nicht missbraucht oder unter nicht angemessenen Bedingungen unterrichtet werden. Doch das philosophische Fundament der Erziehung und die Methoden des Unterrichts wurden stets, der Tradition folgend, gänzlich den Schulen überlassen. Indessen haben sich, so scheint es, die Dinge geändert. [ ... ] Seit einiger Zeit hat die international berühmteste progressive freie Schule Englands die besondere Aufmerksamkeit der Inspektoren auf sich gezogen: die von A.S. Neill gegründete Summerhill-Schule. Seit 1990 hat OFSTED die Schule fast jährlich besucht. 1999 hat die staatliche Schulbehörde einen Bericht der Inspektoren erhalten, in dem die in Summerhill gewährte freie Teilnahme am Unterricht Ziel der Kritik war. Damit war das Herz Summerhills getroffen.

Lehrer und Schüler wehrten sich. Die Schule setzte sich mit dem Argument zur Wehr, dass die Schulgemeinde sehr klein sei, dass alle Schüler und Lehrer sich sehr gut kennen und dass die Ergebnisse der zentralen nationalen Prüfungen sich sehr wohl mit denen der staatlichen Schulen messen lassen können. Dabei wies man auch auf den beruflichen Erfolg der meisten ehemaligen Schüler Summerhills hin mit der Betonung, dass dieser Erfolg gerade das Ergebnis der freiheitlichen Erziehung mit der hierbei geforderten Selbstverantwortung für die Wahl der eigenen Lernangebote ist. Die Schulbehörde war jedoch entschlossen, den Empfehlungen des OFSTED zu folgen und wollte die Schule schließen mit der Begründung, weder Erziehung noch Unterricht seien erfolgreich und weiter, dass WCs für Jungen, Mädchen und Lehrer nicht gekennzeichnet seien. (Damit wurde der von den Medien und der Öffentlichkeit geäußerte Verdacht ins Spiel gebracht, Summerhill sei auch sexuell zu liberal.)

[ ... ] Für die Schule gab es nur den einen Weg, die Schließung zu verhindern: die Anrufung eines Schiedsgerichts, das Mitte März im Obersten Gerichtshof in London zusammentrat. [ ... ] Der oberste Beamte für unabhängige Schulen, der OFSTEDs Vorschlag angenommen hatte, war als Zeuge - unter Eid - geladen und wurde im Lauf des Prozesses während zweier Tage immer mehr in die Enge getrieben. [ ... ]. Der Anwalt der Regierungsseite ließ schließlich wissen, dass er zu einer Übereinkunft kommen wolle was am Ende bedeutete, dass die Schulbehörde aufgab. Im übrigen ergab sich, dass die Anordnung dieser gehäuften Inspektionen Sumnmerhills möglicherweise gesetzlich nicht erlaubt war. Eine Erklärung wurde formuliert, dass die angeordnete Schließung der Schule aufgehoben sei und dass eine OFSTED-Inspektion nicht öfter als im Fünfjahresrhythmus erfolgen dürfe (was gewöhnlich für nichtstaatliche Schulen die Regel ist.). [ ... ] Londons Abendzeitung, der "Standard" druckte eine machtvolle Verteidigung Summerhills und die Presse im ganzen zeigte sich weit davon entfernt, den Standpunkt der Regierungsseite zu unterstützen. Gleichermaßen wurde dabei immer wieder auf den Ruf Summerhills außerhalb Englands erinnert. Viele Schüler kommen aus Deutschland und Japan. Die Schule hatte ebenfalls darauf bestanden, dass der Vizepräsident des Europäischen Forums für Freiheit im Bildungswesen dem Prozess als Beobachter folgte um zu bezeugen, dass Gerechtigkeit gewahrt wurde."

Nach der heutigen Leiterin der Schule, Zoe Redhead, der Tochter des Gründers Alexander S. Neill, ist bewiesen worden, dass Freiheit und Lernen in Summerhill zusammengehören. Es bleibt nur noch zu beweisen, dass Freiheit und Lernen überhaupt zusammengehören und die Schließung der staatlichen Schulaufsicht anzukündigen.