Schily: Witten-Herdecke immer mehr wie Unternehmen

08.01.2007

Gründungsmitglied erläuterte in der Süddeutschen Zeitung seine Gründe für den Rückzug aus dem Leitungsgremium der Privatuni – Medizinerausbildung verteidigt

MÜNCHEN (NNA). Die zunehmend ökonomische Ausrichtung der Privatuniversität Witten-Herdecke ist einer der Gründe, warum ihr Gründer, Konrad Schily, der ersten deutschen Privatuni Ende letzten Jahres den Rücken gekehrt hat. Schily erklärte gegenüber der Süddeutschen Zeitung (SZ), den Weg von einer Universität hin zu einem Unternehmen habe er nicht mitgehen wollen. „Deshalb musste ich einen Schlussstrich ziehen.“ Präsidium und Direktorium, dem er seit 2003 als Ehrenpräsident angehört hatte, betrachteten die Uni zunehmend nach betriebswirtschaftlichen Kriterien, die Professoren würden „immer stärker nur noch als Leistungserbringer gesehen, die Studenten nur noch als Kunden.“ Von der „Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden“ bleibe immer weniger übrig, sagte Schily der SZ.

Außerdem habe er abweichende Meinungen im Direktorium nicht mehr in jedem Fall zu Gehör bringen können. So sprach sich Schily gegen die Erhöhung der Studiengebühren an der Privatuniversität aus.

Schily war aber offenbar auch bei der Reaktion auf die Kritik des Wissenschaftsrats an der Medizinerausbildung anderer Auffassung gewesen als der Rest des Leitungsgremiums. Witten-Herdecke hatte die Ausbildung verändert und so den Wissenschaftsrat veranlasst, seine vernichtende Kritik zurückzunehmen (NNA berichtete im Juli 2006) Hier betonte Schily gegenüber der SZ, das „Wittener Modell“ sei mit seiner Praxisnähe und dem Lernen am Patienten immer vorbildlich gewesen, nun solle es wieder mehr Frontalunterricht und mehr Quantität statt Qualität geben, indem mehr Professoren eingestellt würden und die Forschung aufgestockt werde.

Aus diesen Gründen sei es Zeit gewesen, „den Weg für andere frei zu machen, die sich nun beweisen müssen“, so Schily. Die Privatuniversität hatte das Ausscheiden Schilys aus dem Direktorium bedauert und zu den Gründen lediglich veröffentlicht, im Leitungsgremium seien „unterschiedliche Auffassungen über die strategische Ausrichtung“ der Universität vertreten worden, ohne näher zu präzisieren, worauf die Differenzen beruhen.

Konrad Schily, der als FDP-Abgeordneter dem Deutschen Bundestag angehört, hatte zusammen mit dem damaligen Chef der Deutschen Bank, Alfred Herrnhausen, die erste deutsche Privatuniversität gegründet. Von 1983 bis 1999 stand der heute 69jährige Neurologe als Präsident an der Spitze von Witten-Herdecke. Mitte 2002 sprang er nochmals ein, als dieses Amt vakant wurde. Als Wolfgang Glatthaar 2003 die Funktion übernahm, wechselte er als Ehrenpräsident ins Direktorium über. Dieses bezeichnete er gegenüber der SZ jetzt als „Aufsichtsrat“.

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