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Lidl will sich fairwaschen
Es scheint kaum vorstellbar, doch seit Juni 2006 verkauft die Neckarsulmer Lebensmittelkette Lidl Produkte mit einem Fair Trade Siegel. In allen Filialen in Deutschland gibt es unter der Eigenmarke "Fairglobe" Bio-Röst- und Instantkaffee, Bio-Bananen, Orangensaft, Schokolade in den Sorten Vollmilch und Edelbitter sowie Darjeeling-Tee. Die Einführung einiger Fair Trade Produkte steht im Zusammenhang mit weiteren Veränderungen des Sortiments. So gibt es bei Lidl neuerdings auch eine ökologische Produktlinie namens „Bioness“ mit Milchprodukten, Teigwaren und Ölen mit dem Biosiegel der Bundesregierung. Der Konzern hat damit auf wachsenden Druck des globalisierungskritischen Netzwerks Attac und der Gewerkschaften reagiert, die seit langem die sozial wie ökologisch äußerst verantwortungslosen Handelspraktiken von Lidl kritisiert haben. Lidl versucht damit, so die Kritik von Attac, das angeschlagene Image wieder aufzupolieren und sich als sozial und ökologisch verantwortlicher Lebensmittelkonzern neue Märkte zu erschliessen. Problematisch ist vor allem, dass nur sehr wenige Produkte fair gehandelt werden – bei Markteinführung nur acht aus dem Gesamtsortiment von ungefähr 1600.
Auch in anderen Ländern hat sich das Fair Trade Siegel in den letzten Jahren immer mehr in etablierten Großkonzernen durchgesetzt. So verkaufen Starbucks und Nestle fair gehandelten Kaffee und Supermarktketten wie die Schweizer Coop oder das englische Tesco haben ein breites Sortiment an Fair Trade Produkten. Dies hat dazu geführt, dass der Marktanteil von Fairem Handel um fast 50 Prozent pro Jahr wächst und im Jahr 2005 weltweit €1,1 Milliarden erreicht hat. Dadurch sind mittlerweile 510 Produzentenorganisationen mit insgesamt einer Millionen Produzenten an Fairem Handel beteiligt, die alle von den unabhängig überprüften Kriterien profitieren. Diese Standards regeln einen Mindestpreis über dem Weltmarktniveau, langfristige und direkte Handelsbeziehungen und Unterstützung bei der Entwicklung der Produzentengemeinden.
Viele Produzenten können jedoch nur einen kleinen Teil ihrer Produkte zu Fair Trade Konditionen und Preisen verkaufen. Dies liegt vor allem daran, dass in Ländern wie Deutschland immer noch ein verhältnismäßig geringer Teil aller Produkte unter dem Fair Trade Siegel angeboten wird. Während Konsumenten in Deutschland im Durchschnitt nur € 0,70 pro Jahr für fair gehandelte Produkte ausgeben, beläuft sich dieser Wert in England auf € 3,46 und in der Schweiz auf beeindruckende € 18,47. Der Marktanteil von fair gehandelten Bananen liegt in der Scheiz sogar bei 56 Prozent! Hier kann sich in Deutschland noch viel tun. Und das dies derzeit nur durch die Beteiligung von großen Ketten geht, haben die Erfahrungen anderer Länder gezeigt. Wichtig ist nur, dass es nicht dabei bleibt, dass nur ein winziger Teil aller Produkte bei Lidl fair gehandelt wird und dass die Kunden Lidl weiter kritisieren und gegen das „Sozial-, Umwelt- und Preisdumping“ des Discounters protestieren. Denn die Einkaufspolitik im In- und Ausland, wo Lidl mit seiner Marktmacht die Preise drückt, die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiterinnen (wie im Verdi-Schwarzbuch dargestellt) und die Intransparenz des Konzerns bezüglich der Herkunft der Waren können nicht akzeptiert werden und lassen sich nicht durch 8 Fair Trade Produkte aufwiegen.