Annette Schavan will Teufel beerben

26.10.2004

Kaum hatte Erwin Teufel erklärt, daß er zurücktreten wird, meldete die katholische Kultusministerin Annette Schavan ihren Anspruch auf dessen Nachfolge als baden-württembergischer Ministerpräsident.

Sie hat dabei mit dem Vorurteil zu kämpfen, daß man als Ministerpräsident eher wirtschaftsnahe Menschen braucht. Sie brach daher in ihrer Selbstlobrede eine Lanze für Bildung als wichtiges Element für die Zukunft eines Landes. Wer Kompetenz in diesem Bereich vorzuweisen habe, sei die richtige für das Amt des Ministerpräsidenten.

Die Argumentation ist nachvollziehbar. Sie spricht aber gerade gegen Annette Schavan. In ihrer Zeit als Kultusministerin hat sie gerade ihre Inkompetenz in diesem Bereich gezeigt.

Die einzige positive Änderung der Lehrpläne, die auf Annette Schavan zurückgeht, ist die Einführung einer Fremdsprachen ab der ersten Klasse. Warum hat sie von den Waldorfschulen ausgerechnet diesen Aspekt abgekupfert und andere, genauso wichtige Aspekte, wie die Einheitsschule, den Verzicht auf das Sitzenbleiben und den künstlerichen Unterricht als Ausgleich zu den naturwissenschaftlichen Fächern völlig unberücksichtigt gelassen?

Die Antwort gab damals Erwin Teufel, ihr Mentor und - wenn es nach Annette Schavan gehen würde - Vorgänger als Ministerpräsident. Zum frühen Fremdsprachenunterricht wußte er nur zu sagen, daß sich die deutsche Industrie ihn schon lange gewünscht habe, um ihre Exportfähigkeit zu steigern.

Frei von den Einflüsterungen der kurzsichtigen Wirtschaftslobby ist Annette Schavan nur da gewesen, wo sie rücksichtslos katholische Kirchenlobby getrieben hat. So hat sie sich immer geweigert, moslemische Frauen mit Kopftuch in den staatlichen Schuldienst zu übernehmen. Natürlich im Namen der staatlichen Neutralitätspflicht. Die Nonnentracht in Staatsschulen ist aber für Annette Schavan kein Problem. Scheinheiliger geht nicht.

Wo man nur bei Annette Schavan schaut, sieht man denselben Machtmißbrauch. Die Verstaatlichung der Bildung wird benutzt, um sie den Wirtschaftsinteressen oder den Machtinteressen einer bestimmten Religion auszuliefern. Was fehlt, ist die Einsicht, daß die einzige tragbare Basis der Bildung das Individuum ist. Nicht das Individuum Annette Schavan in ihrem Kultusministerium, sondern das Individuum, das selber vor den Kindern, mit seiner ganzen Persönlichkeit, mit seiner eigenen Überzeugung gerade zu stehen hat.

Diese Eigengesetzlichkeit der Bildung hat Annette Schavan vor lauter Politik nicht erfassen können. Und sie soll jetzt von der Wirtschaft etwas verstehen? Sie soll verstehen, wie sich die Wirtschaft ihres Landes sanieren läßt, ohne daß es auf Kosten anderer Länder geht? Sie soll die unselige Verquickung von Politik und Wirtschaft überwinden? Dann müßte sie aber Erwin Teufel nicht beerben, sondern begraben wollen.