Horst Köhler wird Präsidentschaftskandidat

03.03.2004

Nach langem Tauziehen haben sich Konservative und Liberale auf Horst Köhler als Präsidentschaftskandidaten geeinigt. Als Chef des Internationalen Währungsfonds ist Horst Köhler nicht nur international bekannt, sondern steht für sozialen Kahlschlag und Subventionsabbau.

Horst Köhler hat sich sein ganzes Leben nur mit Wirtschaft beschäftigt. Er kennt ihre Probleme. So hat er 1995 in der Zeitschrift Die Drei Stellung zu den damaligen Finanzkrisen genommen und auf die Gefahren hingewiesen, die mit der Abkoppelung der Finanzmärkte von den realwirtschaftlichen Vorgängen und dem kurzfristigen Denken der Finanzakteure verbunden sind. "Der GAU, der größte anzunehmende Unfall ist durchaus möglich." Die Asienkrise einige Jahre später hat ihm leider Recht gegeben.

Was Horst Köhler fehlt, ist nicht das Bewußtsein für die Probleme, sondern Lösungsansätze. Sie liegen nämlich zum größten Teil nicht innerhalb der Wirtschaft - und daher außerhalb seines engen Horizontes. So bleibt ihm nur seine Unparteilichkeit. Die muß man ihm aber schon lassen.

Als er sich vor kurzem in die Diskussion um die Agenda 2010 einschaltete, kritisierte er daher nicht nur die Regierung und die Gewerkschaften, sondern auch die Arbeitgeber. Ihm gehe die Agenda 2010 nicht weit genug. Es müsse klar sein, dass "soziale Härten" nicht zu vermeiden seien. Dringend müsse die Regierung insbesondere den Arbeitsmarkt deregulieren, die Renten- und Krankenversicherung "von unbezahlbaren Ansprüchen" befreien. "Nicht nur die Gewerkschaften, auch die Arbeitgeber- und sonstigen Wirtschaftsverbände zeichnen sich nicht durch besondere Weitsicht aus. Sie nehmen die Vorteile, die sie kurzfristig bekommen können." Am Widerstand der Verbände scheitere insbesondere der Subventionsabbau.

Dieselbe Kritik richtete er 2002 auch an die Industrieländer, die durch ihre Agrarsubventionen Dumpingpreise für ihre Agrarprodukte erreichen und die Bauern der Entwicklungsländer ruinieren. Hier gab er offen den Globalisierungskritikern Recht, obwohl der Internationale Währungsfond in den Händen der Industrieländer liegt. Und gegen den Wunsch der US-Regierung ließ Horst Köhler erst im vergangenen Jahr einen alarmierenden Bericht über die Risiken des US-Haushaltsdefizits für die gesamte Weltwirtschaft verfassen.

Als Chef des Internationalen Währungsfonds hat Horst Köhler aber außer Transparenz kaum etwas an der Praxis dieser Einrichtung ändern können. Kredite für marode Staaten werden weiterhin pauschal an der "notwendigen sozialen Härte" gebunden. Irgendwelche Ansätze, wie die Finanzmärkte wieder an die realwirtschaftlichen Vorgänge gekoppelt werden könnten, wurden weder diskutiert noch gar umgesetzt. Dabei gibt es schon lange bessere Vorschläge als die Tobin-Steuer, wie zum Beispiel das befristete Geld.

Daß die zentralen Lösungen aber gar nicht im wirtschaftlichen Bereich zu suchen sind, deutet Horst Köhler selber an, wenn er in der Diskussion um die Agenda 2010 von der Regierung verlangt, daß sie "bessere und leistungsfähigere Schulen und Hochschulen" schafft. Das kann in der Tat nicht Aufgabe der Wirtschaft sein, spielt aber heute eine entscheidende Rolle. Die Globalisierung ist inzwischen so weit fortgeschritten, daß es noch kaum Möglichkeiten von Zusammenschlüssen mit Synergieeffekten gibt.

Der weitere Fortschritt der Wirtschaft kann nicht mehr aus der Wirtschaft selber kommen, sondern nur noch aus der Erziehung, Bildung und Wissenschaft. Würde hier die Wirtschaft selber einsteigen wollen und die Bildung kommerzialisieren, würde es zur Manipulation und zum geistigen Verfall führen. Sponsoring führt bekanntlich zur Selbstzensur.

Aber auch die Politik kann keine "besseren und leistungsfähigeren Schulen und Hochschulen" schaffen. Das können nur die Schulen und Hochschulen selbst, wenn die Politik endlich damit aufhört, in die Bildung und Forschung hineinzureden. Es geht gar nicht um mehr Geld, sondern um mehr pädagogische Freiheit und um eine unabhängige Lehrerbildung. Die Lösung für die Weltwirtschaftskrise ist eine radikale Schulfreiheit.

Würde Horst Köhler zu solchen Einsichten kommen, dann würde es sich lohnen, daß er wieder nach Deutschland kommt, diesmal als Bundespräsident. Sonst sind es wohl noch weitere verschwendeten Jahre.