WTO-Verhandlungsführer Pascal Lamy stößt auf den Widerstand von Attac

10.12.2002

Der EU-Handelskommissar Pascal Lamy weiß, was die Menschen glücklich macht. Die Ausweitung des weltweiten Handels nutze sowohl den Industrie- als auch den Entwicklungsländern, meinte er in Berlin bei einem europäischen Forum zur Rolle Europas bei den WTO-Verhandlungen. Jetzt gehe es darum, eine breitere Vertrauensbasis zu schaffen.

Pascal Lamy hat allerdings alles in seiner Macht stehende gemacht, um diese Vertrauensbasis zu zerstören. Bei den letzten WTO-Verhandlungen in Doha wurden nicht etwa die USA für die größten Feinde der Entwicklungsländer gehalten, sondern die Europäische Union und ihren Vertreter, Pascal Lamy. Die USA sagen nämlich offen, was sie haben wollen, wie zum Beispiel Erdöl zu einem bestimmten Preis. Bei der Europäischen Union wird stattdessen geheuchelt, man würde nicht an sich denken, sondern sich für das Wohl der Entwicklungsländer einsetzen. Erst im nachhinein kommt heraus, daß dieses Wohl eigentlich darin besteht, zum Absatzmarkt der europäischen Industrie zu werden und die eigene Industrie abzuschreiben. Die Rolle Europas bei den WTO-Verhandlungen ist also keine rühmliche.

Kein Wunder, daß Pascal Lamy sich damals - kurz nach dem 11. September - von einem berühmten Aktivisten aus den Entwicklungsländern die Bezeichnung "Oberterrorist" gefallen lassen mußte. Es gibt nämlich gute Gründe für dessen Meinung, daß Pascal Lamy mehr Menschenleben auf dem Gewissen hat als Osama Bin Laden. Nicht umsonst heißt die WTO in Entwicklungsländern nicht Welthandelsorganisation, sondern Weltterror-Organisation.

In Berlin warfen Mitglieder des globalisierungskritischen Netzwerks Attac Pascal Lamy sich mit seiner Handelspolitik vor allem für die Interessen der Konzerne einzusetzen. Attac kritisierte insbesondere, daß bei den laufenden WTO-Verhandlungen über das internationale Dienstleistungsabkommen GATS (General Agreement on Trade in Services) auch Bereiche wie Bildung, Gesundheit und Trinkwasserversorgung kommerzialisiert - das heißt Großkonzernen verkauft - werden sollen. Dies führt nach den bisherigen Erfahrungen zu einer schlechteren Versorgung der Menschen.

Die Attac-Protestaktion war schon länger geplant und gehört zu einer breitangelegten Kampagne gegen das GATS-Abkommen, die von Attac-Stuttgart ausgegangen ist. Inzwischen hat aber Martin Khor den deutschen Globalisierungskritikern klar gemacht, daß andere Elemente der gegenwärtigen WTO-Verhandlungen - die sogenannten Singapur Issues - genauso verheerende Folgen als das GATS-Abkommen haben könnten.

Bei den Singapur Issues geht es insbesondere um ein Investitionsabkommen vom Schlag des MAI, der 1998 von den Globalisierungskritikern gekippt wurde. Den Großkonzernen soll die Möglichkeit gegeben werden, Regierungen auf Schadenersatz zu verklagen, wenn neu beschlossene Gesetze sie um ihre Profite bringen sollten. Eine solche Regelung gilt schon innerhalb der Amerikanischen Freihandelszone FTAA und hat dazu geführt, daß eine Verschärfung von Umweltgesetzen oder der Verbot von Substanzen, die sich nachträglich als gesundheitsschädlich erwiesen haben, praktisch nicht mehr möglich ist.

Gestützt auf die Erfahrungen kanadischer Globalisierungskritiker wie Maude Barlow mit der FTAA soll nun - parallel zur Anti-GATS-Kampagne - eine neue Kampagne gegen die Singapur Issues gestartet werden, unter dem Motto: "Nicht in unserem Namen".