ESSO leidet unter Boykottaufruf von Greenpeace

14.10.2002

Die internationale "Stop Esso" Kampagne von Greenpeace zeigt Wirkung. Der weltgrößte Erdölkonzern hatte Georges Bush zu seinem Wahlsieg verholfen und dadurch die Ratifizierung des Kyoto-Protokolls durch die Vereinigten Staaten verhindert. Wegen dem besonders in Großbritannien erfolgreichen Boykott-Aufruf droht nun Esso - laut dem Spiegel - eine Abwertung auf dem Kapitalmarkt.

In einer Analyse für ihre Fondsmanager sieht die Deutsche Bank in dem Aufruf ein ernstes "Risiko für die Marke". Esso bestreitet zwar, daß der Boykott zu größeren Umsatzrückgängen geführt habe. Es sei jedoch bedrohlich, mahnen die Analysten der Deutschen Bank, wenn Esso auf seinem größten europäischen Markt in einem PR-Krieg verwickelt und öffentlich als "Umweltfeind Nummer eins" geächtet werde. Als Alternative bieten sich zum Beispiel Shell und BP an, die erfolgreich daran arbeiten, die eigenen Emissionen zu reduzieren.

Esso versucht immer stärker vor den Gerichten gegen die demonstrativen Aktionen der Umweltschützer vorzugehen. In Frankreich gelang es dem Konzern sogar, das Symbol der Kampagne, das E$$O-Siegel, verbieten zu lassen. Die französischen Richter liessen sich überzeugen, daß die $$-Zeichen nicht für Bestechung und Parteifinanzierung standen, sondern für die SS-Runen. Ein schwarzer Tag für die französische Justiz. Die Entscheidung ist so irrsinnig, daß man sich fragen muß, wie es um die Integrität der Richter steht.

In Deutschland darf das E$$O-Siegel weiter benutzt werden. Also auch auf Internetseiten, die hierzulande gehostet werden, wie unseren. Wir wollen daher über die französischsprachige Version unserer Webseite dazu beitragen, daß die französische Kampagne - samt E$$O-Symbol - weitergehen kann. Meinungsfreiheit gegen Markenrecht: Esso soll kippen, bevor er sich genug Richter kaufen konnte. Ein Spiel mit der Zeit.

Was von Greenpeace angeprangert wird, ist die Verfilzung von Wirtschaft und Politik, am Beispiel des größten Mineralölkonzerns. Diese Verfilzung führt dazu, daß die sogenannten "Vereinigten Staaten" eigentlich umbenannt werden müßten. Es sind längst keine Staaten mehr, sondern eher "Vereinigte Konzerne". Nicht umsonst verdanken sie ihre Gründung eines Zollkonflikts. Sie stehen damit symptomatisch für die Neuzeit, welche die meisten Staaten dieser Erde zu Vertretern von Wirtschaftsinteressen hat verkommen lassen.

Die Aufgabe der Zivilgesellschaft ist es, die jeweils weltgrößten Konzerne zu boykottieren, bis sie sich verpflichten haben, sich aus der Politik zurückzuziehen. Das Spiel sollte dann weitergehen, bis die ganze Wirtschaft einlenkt. Der Boykottaufruf von Greenpeace ist daher nur ein erster Schritt.

Genauso wichtig ist aber eine von Politik und Konzernen unabhängige Forschung. Beide berufen sich in Amerika darauf, daß der Treibhauseffekt wissenschaftlich nicht bewiesen ist, womit sie eigentlich Recht haben. Nur ziehen sie die falschen Schlüsse daraus. Bis es mit dem Beweis so weit ist, dürfe man ruhig Erdöl abfackeln, da man doch nicht die ganze Wirtschaft wegen irgendwelchen Vermutungen umstellen dürfe. Und wenn Kohlendioxidemissionen wirklich so gefährlich sind, dann hat man zum Glück noch die Kernenergie.

Nicht umsonst wird die Kernenergie-Lobby verdächtigt, selber die These vom Treibhauseffekt, wenn nicht in die Welt gesetzt, dann zum Durchbruch verholfen zu haben. Und in manchen Staaten wird in der Tat das Kyoto-Protokoll - das Reduktionen bei den Kohlendioxidemissionen vorschreibt - als Vorwand benutzt, um die Kernenergie zu forcieren. Dies trifft nicht nur auf Randstaaten wie Finnland, sondern auch auf die europäische Kommission.

Hier liegt ein gefährlicher Schwachpunkt der Zivilgesellschaft. Sie ist auf eine Forschung angewiesen, deren Schwerpunkte von Politik und Konzernen gesetzt worden sind. Milliarden wurden in die Kernenergieforschung reingesteckt. Klimaforschung wurde dagegen kaum betrieben. Dies rächt sich jetzt, weil es den Konzernen zunehmend gelingt, die Umweltschützer in zwei Lagern zu teilen, um selber zu herrschen. Sie können sich nur darüber freuen, daß ein bedeutender Teil der Umweltschutzbewegung nun pro Kernenergie eingestellt ist. Ihr Ziel ist nämlich, wenigstens die Kernenergie zu retten. Und in Amerika gelang mit dem ehemaligen Enron-Mitarbeiter Georg Bush das Kunststück, auch noch die Erdölkonzerne zu retten.

Neben den Boykottaufrufen müßte es also auch Ziel der Zivilgesellschaft sein, die ganze Forschung aus dem Entscheidungsbereich von Politik und Konzernen herauszunehmen. Universitäten müssen entstaatlicht und entkommerzialisiert werden. Aber auch die Konzerne müssen ihre Forschungsabteilungen in die Selbständigkeit entlassen. Sie müssen dann Teil der Zivilgesellschaft werden und deren schärfste Waffe liefern: die Wahrheit.