Wem gehört das Hohe C?

09.07.2002

Die Berufung der CDU-Politikerin Katherina Reiche zur Familienexpertin im Wahlkampfteam der Union ist weiterhin umstritten. Das Erzbistum Köln wies am 08.07.2002 in scharfer Form "die Ausfälle einiger Unionspolitiker" gegen Kardinal Joachim Meisners Kritik an der Personalentscheidung von Kanzlerkandidat Edmund Stoiber zurück. "Wenn die Union, durch gezielte Kampagnen gegen unliebsame Kirchenvertreter, die Kirchen disziplinieren will, muss sie sich auf eine lebhafte öffentliche Debatte gefasst machen", erklärte das Erzbistum. Führende Vertreter der Union propagierten die absurde Auffassung, was christlich sei, "bestimme die Partei, die sich so nenne", hieß es weiter. "Parteien, die den Kirchen vorschreiben wollen, was christlich sei, kennt man eher aus nicht-demokratischen Zusammenhängen."

Die Berufung der unverheirateten Mutter, die im August ihr zweites Kind erwartet, in das Wahlkampfteam Stoibers sorgt seit Tagen für heftige Diskussionen. Meisner hatte die Entscheidung Stoibers in der vergangenen Woche als nicht hinnehmbar für eine Partei bezeichnet, die das Wort "christlich" im Namen führe. Führende Unionspolitiker hatten die Forderung des Kardinals als absurd bezeichnet, das C aus dem Parteinamen zu streichen.

Die 28-Jährige Reiche, die sich bislang vor allem auf dem Gebiet der Gentechnik engagierte, hatte sich für eine Stärkung der Rechte Homosexueller ausgesprochen und ist eine Gegenfigur zu traditionellen "christdemokratischen" Frauen, da sie eine unverheiratete, berufstätige Mutter ist.

Nun werden Parteiprogramme umschrieben, worin es heißt: "Familie ist, wo Eltern für Kinder und Kinder für Eltern verantwortlich sind." "Auf der anderen Seite halten wir die Ehe nach wie vor für die beste Form der dauerhaften Beziehung von Eltern, wenn wir auch niemandem vorschreiben, wie er zu leben hat," betonte die CDU-Vorsitzende Angelika Merkel im "Bonner General Anzeiger" am 09.07.2002.

Dass die Kirchenvertreter hier, bei allen politischen Spitzfindigkeiten, nicht ganz mitkommen, ist verständlich, zumal das Ringen der Christdemokraten um die Modernisierung ihrer Partei vom Prädikat C behindert wird. In diesem Streit ist die Frage, wer sich vor wessen Karren spannen läßt. Es ist traurig, dass es mit dem versuchten Gleichschritt Kirche-CDU/CSU zu keiner Trennung zwischen Geistesleben und Rechtsstaat kommen kann, weil dadurch beide um die Ankunft in die Gegenwart betrogen werden.

Die Kirche sollte sich auf die Lehren ihrer vornehmsten Männer besinnen, die von der Trennung zwischen weltlichem und göttlichem Recht lehren und sich durch Aderlass des römischen Gifts und seiner säkularen Gier entledigen. Die CDU/CSU sollte ihre theokratische Robe an den Nagel hängen und einsehen, dass die Politik zwar von den Werten des Geisteslebens befruchtet wird, dass aber die Frucht erst in einem Klima von Freiheit und Vielfalt gedeiht.