Heinrich-Böll-Stiftung gegen Schulpflicht

04.07.2002

Die Heinrich-Böll-Stiftung macht ihrem Namensgeber eine Ehre, indem sie die Schulpflicht in Frage stellt und damit weit über dasjenige hinausgeht, was die Grünen bisher zum Thema Bildungspolitik geboten haben.

"Statt der bestehenden Schulpflicht soll das Recht auf Unterricht garantiert werden", heißt es in der neuesten Bildungsstudie der Stiftung. Die Leiterin der Böll-Bildungskommission, Sybille Volkholz, sagte, so sollten die Rechte der Bürger gestärkt werden. Denselben Ansatz verfolgte Rudolf Steiner 1919 bei der Gründung der Waldorfschule und forderte damals schon die Ersetzung der Schulpflicht durch ein Recht auf Unterricht.

Der Vorschlag der Bildungskommission ist Teil eines Papiers, das eine erweiterte Autonomie von Schule als zentrales Reformvorhaben beschreibt. Schulen müssten endlich auch eigenständig über ihr finanzielles Budget oder die Einstellung von Personal entscheiden können. Das forderte der Leiter des Deutschen Jugendinstituts in München, Ingo Richter, der auch den Wegfall der Schulpflicht guthieß. Der Jurist erarbeitete für die Böll-Stiftung ein Vertragsmodell, das die Schulpflicht ersetzen sollte.

Reinhard Loske - bildungspolitischer Sprecher der Grünen - machte klar, daß die Partei noch nicht so weit ist. Den Vorschlag hält er für zu idealistich. Als ob die ausufernden staatlichen Lehrpläne mit ihren gutgemeinten Predigten nicht noch idealistischer wären. Sie hindern die Lehrer nur daran, ihren Unterricht so passend und individuell zu gestalten, daß sie auch die schwierigen Schüler mitreißen können. Ob grün, rot oder schwarz, der Idealismus der Schulbehörden geht über Schülerleichen.

Ingo Richter beharrt daher zu Recht darauf, dass mit einem Bildungsvertrag zwischen Schulen und Eltern gerade schwierige Jugendliche sehr gut erreicht werden könnten. "Die Jugendlichen wissen viel besser, was ein Vertrag ist, als wir denken". Würden bestimmte vertraglich vereinbarte Bildungsziele von der Schule nicht erfüllt, müsste die Schule ihren Pflichten etwa durch die Gewährung von Nachhilfe nachkommen.