Treueschwur auf amerikanische Flagge verfassungswidrig

25.06.2002

Das Bundesgericht in Los Angeles hat in einem Berufungsverfahren den Treueschwur auf die Flagge für verfassungswidrig erklärt. Die darin enthaltenen Worte "eine Nation unter Gott" verletzten den Grundsatz der Trennung von Kirche und Staat und könnten für Atheisten oder Menschen anderer Glaubensrichtungen als Bekräftigung eines Monotheismus verstanden werden, erklärten die Berufungsrichter.

Millionen Schüler leisten in 26 Bundesstaaten täglich vor der gehissten Fahne mit der Hand auf dem Herz den Eid "Ich schwöre Treue auf die Fahne der Vereinigten Staaten von Amerika und die Republik, für die sie steht, eine Nation unter Gott, unteilbar mit Freiheit und Gerechtigkeit für alle".

In Europa leuchtet das Urteil ein, das konsequent im Sinne der geistigen Freiheit gefällt worden ist, - in den USA stößt das Urteil rundum auf Kopfschütteln. Der demokratische Mehrheitsführer Tom Daschle bezeichnete den Richterspruch als "einfach durchgeknallt" und der Sprecher des US-Präsidenten, Ari Fleischer, nannte das Urteil lächerlich. Lächerlich in seinen Augen vorallem deshalb, weil es ihm zur Folge zahlreiche weitere Traditionen in Frage stellt. So witzelte er, dass der Amtseid von Richtern und der Eid von Befragten "so wahr mir Gott helfe", damit hinfällig wäre. Auch das öffentliche Singen patriotischer Lieder wie "Got Bless America" oder die Prägung "In God We Trust" auf amerikanischen Geldscheinen und Münzen dürfe demnach nicht mehr erlaubt sein.

Wenn auch Ari Fleischer mit diesen Beispielen den Richterspruch untergraben wollte, hat er gezeigt, wo es nach dem Richterspruch weiter gehen muß, in dem er den Juristen den Ball zurückgespielt hat. Gerade dem angelsächsische Juristentum ist das theokratische stark angehaftet. Die Befreiung des Geisteslebens im angelsächsischen Raum besteht nicht in der Befreiung aus einem staatshaften Bürokratismus, wie in Mitteleuropa, sondern in der Befreiung von theokratischen Traditionen und Handlungsmustern. Dazugehört die sakrale Einbindung der Rechtssprechung. Erst wenn diese aufgehoben wird, kommt die US-amerikanische Justiz heraus aus der archaischen Rechtssprechung nach mosaischem Muster, wie es in den Rechtssprechungsleitlinien wie z.B. Zahn um Zahn - Auge um Auge (etwa bei Todesstrafe) und dem Wiedergutmachungskonzept zum Ausdruck kommt, die alle nicht Schritt halten mit dem modernen Rechtsbewußtsein.