Italien steht vor dem Ausverkauf

14.06.2002

Die italienische Regierung von Ministerpräsident Silvio Berlusconi hat angekündigt, das gesamte Staatseigentum - von den historisch bedeutenden Gebäuden, bis hin zu den Stränden - einer neu gegründeten "Staatsvermögens AG" zu übertragen. Damit soll der Staatshaushalt entlastet werden, denn Investitionen würden künftig formell nicht mehr das Budget belasten, sagt die Regierung. Dies sei ein neuer Trick, mit dem das EU-Land Italien die Kriterien des Stabilitätspaktes leichter einhalten wolle, meinen ihre Kritiker. Der Senat in Rom segnete die Regierungspläne am Donnerstag jedenfalls ab.

Zusätzlich sieht das neue Gesetz vor, neben der "Staatsvermögens AG" auch eine "Infrastruktur AG" zu stellen, die auch für privates Kapital offen stehen soll, und in die alle Güter, die sich in der Staatsvermögens AG befinden, übertragen werden können. Internationale Investoren könnten sich damit an bisher staatlichen Objekten beteiligen oder sie auch kaufen. Mit den Einnahmen sollen Bauvorhaben des Staates - wie etwa die geplante riesige Hängebrücke zwischen dem Festland und Sizilien - finanziert werden. Das italienische Staatsbudget würde zugleich entlastet.

Dies bringt natürlich nicht nur Politiker, Kunstexperten und Umweltschützer auf die Palme. "Wird das Kolosseum an die Japaner verkauft?", fragte unlängst eine italienische Zeitung, und bringt damit die Sorgen der Italiener auf den Punkt. Selbst innerhalb der Regierung hat diese neue Bestimmung für Unmut gesorgt. Kunst-Staatssekretär Vittorio Sgarbi protestiert gegen einen möglichen Ausverkauf des Staatseigentums, will aber im Amt bleiben - "weil ich das Staatsvermögen schützen will", sagt Sgarbi, der Unterstützung von Oppositionspolitikern erhalten hat. Sgarbi hatte vergebens darauf gedrängt, die Kulturgüter des Landes von der Regelung auszunehmen. Sie dürften niemals in die "Infrastruktur AG" gelangen, denn dann könnten selbst das Kolosseum oder der Trevi-Brunnen in ausländische Hände geraten, warnte er wiederholt.

Kulturminister Giuliano Urbani ist ganz anderer Meinung. "Alle Kunstschätze des Landes sind durch die Verfassung vor Veräußerung geschützt. Sgarbi sollte das wissen", betont Urbani. Die Kritiker kann er damit aber nicht überzeugen - ihre Sorgen: "Wer weiß, wie das Gesetz in einigen Jahren interpretiert wird." Wirklich gefährdet seien nicht so sehr das Kolosseum oder andere weltbekannte italienischen Symbole, sagt die Vorsitzende des italienischen Umweltfonds FAI, Giulia Maria Mozzoni Crespi. "Es könnten jedoch andere, weniger bekannte Kulturgüter veräußert werden", befürchtet sie.

Deshalb müsse eine genaue Liste aller Kunstschätze erstellt werden, die unveräußerlich seien, fordert sie. Mit der von der Regierung geplanten Regelung reichten die Unterschriften von Wirtschafts- und Kulturminister aus, um ein Kulturgut der Infrastruktur AG zu übertragen. Es ist zudem nicht ganz klar, ob auch Landstriche zu den unveräußerlichen Kulturgütern gehören oder nicht. So könnten Strände oder kleinere Inseln verkauft werden, wie etwa in der Lagune von Venedig, warnte die Tageszeitung "La Repubblica" am Freitag.

Die Deregulierung des Staates macht in Italien nicht Halt vor dem Geistesleben, und zeichnet damit deutlich die unheimlichen Konturen der Globalisierung und seiner Tendenz, die Kultursphäre zu kommerzialisieren und ins Wirtschaftsleben zu übertragen.

Ob das Kolosseum in Zukunft in Italien oder Japan steht, ist recht gesehen untergeordnet, obwohl sein Wert in Italien sicherlich höher ist, aber Touristen und die Italiener stört die Platzierung eines ägyptischen Oblisken in Rom schließlich auch nicht. Das skandalöse ist nicht ein möglicher Ausverkauf nationaler Wertgegenstände ins Ausland, sondern die Kommerzialiserung von Kunst und Landschaften.

Wenn sich der Staat seinen ökonomischen Verpflichtungen entziehen möchte, kann die Deregulierung nur dann gesund sein, wenn das Geistesleben sich selbst überantwortet wird. Berlusconis Regierung hat die Sache aber gänzlich falsch angepackt - aber was kann man vom Medienmogul erwarten, der vorexerziert hat, wie man Medien kommerzialisiert und monopolisiert.

Falsch ist es, wenn erwartet wird, dass das Geistesleben Rendite abwerfen kann, und falsch ist es, wenn man Kultur und Infrastruktur in einen Topf wirft und obendrein noch der Gedanke im Raum herumgeistert, man könnte Brücken durch Rendite oder Verkaufserlöse von Kunst finanzieren. Hier muß der geistigen Umnachtung Berlusconis ein Riegel vorgeschoben werden.