Familienwahlrecht als vordemokratisches Relikt

12.05.2002

Politiker von SPD und CDU haben sich für ein "Familienwahlrecht" ausgesprochen und gefordert, dass Väter und Mütter für jedes Kind eine zusätzliche Stimme erhalten sollen. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Renate Schmidt sagte der "Bild am Sonntag": "Ich trete für ein Familienwahlrecht ein. Wir brauchen in der Gesellschaft eine breite Diskussion darüber." So werde der Einfluss der Familie in die Politik gestärkt. In ihrer Partei sei sie mit dieser Position allerdings "in der Minderheit", so Schmidt.

Die Grundlage der Demokratie ist, dass alle mündigen Bürger mit gleicher Stimme bei Wahlen zugelassen sind. Ein Vorschlag zum Familienwahlrecht verstößt in gravierenden Maßen gegen diesen Grundsatz und führt geradewegs in ein konservatives, interessensorientiertes Demokratieverständnis.

Personen unter 18 Jahren mit einer Stimme auszustatten ist widersinnig, solange die Mündigkeit mit 18 beginnt. Hier haben die Grünen schon einmal ein Wahlrecht ab 16 vorgeschlagen - Ablehnung von SPD und CDU. Aber seit Familienpolitik Politikschlager geworden ist, wuchern in der CDU deren vordemokratische Altlasten ins Groteske: auch Wahlrecht für unmündige Personen. Aber es wird noch grotesker: dieses Wahlrecht soll von der Paterfamilia ausgeübt werden, im Sinne einer politischen Vormundschaft. Ein Zweiklassenwahlrecht also, wo dem Paterfamilia sein Stimmenanteil nicht länger nach Rindern sondern nach Kindern zugesprochen wird.

Mit dem Prinzip der Gleichheit im Rechtsleben hat das nichts zu tun.

Interessant wäre es, mal genauer zu erfahren wie sich die CDU dieses Familienwahlrecht in der Praxis vorstellt: Wer - Vater oder Mutter - darf die Stimme des Kindes vergeben? Oder vielleicht beide in Eintracht? Oder jeder eine Stimme pro Kind (dann hätte eine Person unter 18 Jahren in Wirklichkeit 2 Stimmen)? Und überhaupt: Für die CDU gilt ja ohnehin der Grundsatz, dass man nur dort, wo zwei Eltern einen Ehering tragen, von einer Familie sprechen kann. Nun die zweite Frage: Gibt es dann nur das Familienwahlrecht für Kinder in "intakten Familien in einem Ehestand"?

Man braucht nicht lange herumzueiern, um schnell zu sehen, das dieses Denken nichts in einer Demokratie zu suchen hat.