Frankfurt als heimliche Hauptstadt

04.04.2002

Um ihre Kritik an der Ökonomisierung der Welt zu unterstreichen, wird die Organisation Attac im nächsten Herbst ihren Sitz nach Frankfurt verlagern. Diese sei die "heimliche deutsche Hauptstadt", in der "die wirkliche Politik" gemacht werde, meinte Attac-Sprecher Felix Kolb.

Wegen der Vervielfachung der Mitgliedsbeiträge ist es der Organisation inzwischen möglich, nicht nur auf ehrenamtliche Helfern zu setzen, sondern auch sechs Hauptamtliche einzustellen. Der Standort Frankfurt habe sich in der internen Diskussion gegen Berlin durchgesetzt, sagte Kolb. In der Bundeshauptstadt sehe man die Gefahr einer allmählichen Annäherung der Hauptamtlichen zum Regierungsapparat. "Die Verbindung zur Basis könnte leicht verloren gehen." Natürlich bleibe die Lobby-Arbeit von anderen Nicht- Regierungs-Organisationen sinnvoll. Attac sehe seine Aufgabe aber eher darin, öffentlichen Druck gegen die negativen Folgen der Globalisierung aufzubauen. "Wir wären bald ein Rädchen und nicht mehr der Sand im Getriebe."

Eine Vereinnahmung durch die Bankenwelt befürchte er in Frankfurt nicht, sagte Kolb weiterhin. Es gebe in den Geldhäusern zwar sicherlich einzelne Personen, die sich mit der Globalisierungskritik auseinander setzten, vorherrschend sei aber die Blockade jeder Diskussion. "Ich glaube nicht, dass die uns so schnell zum Essen einladen."

Dieser Einschätzung kann man schon zustimmen. Und die bisherige Zurückhaltung der Politik gegenüber Attac liegt wahrscheinlich auch daran. Wer möchte sich denn mit Frankfurt anlegen? Aber im tiefsten Herzen freuen sich manche sozialistischen Politiker über die Vorschläge von Attac. Der Bewegung geht es nämlich vornehmlich darum, die Globalisierung politisch zu gestalten. Sie ist damit politischer als die Politiker. Dies gilt insbesondere für die französische Mutterorganisation.

Mit der Ablehnung des Standorts Berlin setzt Attac Deutschland neue Akzente. Vielleicht gelingt es dem deutschen Zweig nicht nur geographisch Abstand vom Staat zu halten. Sonst muß Attac einfach durch andere Initiativen ergänzt werden, die nicht nur auf eine Stärkung der Staaten gegen die Weltwirtschaft ausgehen. Deutschland braucht neben Berlin und Frankfurt eine dritte Hauptstadt - oder etwas von einer ähnlichen Ausstrahlung - für eine Zivilgesellschaft, die eine wirkliche Antipolitik treibt. Dort wäre Attac willkommen - auch zum Essen.