Richterbund besorgt um Unabhängigkeit der Justiz

30.01.2002

Der Deutsche Richterbund sieht die deutsche Justiz im "Würgegriff der Politik" und fordert deshalb eine "klarere Trennung zwischen Justizministerien und rechtsprechender Gewalt". Die Vorgänge um das NPD-Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht hätten deutlich gemacht, wie sehr der Respekt der Gewalten voreinander schwinde, sagte der Vorsitzende des Bundes, Geert Mackenroth.

Die Regierung habe dem höchsten deutschen Gericht Informationen nur "scheibchenweise und gefiltert zur Verfügung gestellt, so dass der Eindruck entstehen muss, hier werde ein Verfassungsorgan regelrecht ausgetrickst", sagte Mackenroth. Dies sei ein "in der deutschen Geschichte einmaliger Vorgang".

Schon in der Vergangenheit haben nach Ansicht Mackenroths in Deutschland Tendenzen zugenommen, die die Gewaltenteilung untergraben. Dazu gehöre die zeitweilige Auflösung von Justizministerien in einigen Bundesländern. Nach den Ereignissen vom 11. September werde sich das nun verschärfen, da unter dem "unseligen Sicherheitsaspekt" die Konturen zwischen den einzelnen Gewalten zunehmend verwischt würden.

Besonders einschneidend sind die Vorschläge des Deutschen Richterbundes zur Wahrung der Unabhängigkeit der Justiz wohl nie gewesen. Eigentlich müsste sich jeder Richter für eine Auflösung der Justizministerien und für deren Ablösung durch eine Selbstverwaltung der Richter einsetzen. Das Prinzip der Gewaltenteilung geht aber nicht so weit und der Deutsche Richterbund auch nicht. Aber gerade deswegen muß die Warnung von Geert Mackenroth ernst genommen werden. Was er verlangt ist nicht viel. Desto schlimmer, wenn nicht einmal dieser Wunsch ihm erfüllt wird.

Warum wehrt sich der Deutsche Richterbund gegen eine Auflösung von Justizministerien? So wie sie heute gehandhabt wird, führt sie nicht zur Zurückdrängung der Politik aus der Rechtssprechung, sondern im Gegenteil zu einer noch stärkeren Abhängigkeit. Dies liegt daran, daß dann das Innenministerium für die Richter zuständig wird. Und dieses ist traditionell die rechte Hand der Parteipolitik, während bei der Besetzung des Justizministeriums sonst eher auf Neutralität geachtet wird. Die Richter fallen daher vom Regen in die Traufe.

Beim NPD-Verbotsverfahren mag die späte Aufdeckung von Verfassungsschutz-Männern unter den NPD-Führern viel Aufregung gebracht haben. Ärgerlich ist sie aber nur für diejenigen, die Parteiverbote für sinnvoll halten. Ausgenommen natürlich die NPD-Leute selbst, die gerne alle anderen Parteien verbieten würden, wenn sie nur die Macht dazu hätten, sich aber über jeden Patzer freuen, der sie selbst vor einem Verbot retten könnte. Wer konsequent für Meinungsfreiheit eintritt, sollte auf eine solche Steilvorlage nicht eingehen, sondern beim Grundsätzlichen bleiben. Innenminister Otto Schily hat sich nicht durch die V-Männer blamiert, sondern durch sein Eintreten für ein NPD-Verbot. Ihm kann man hier auch nicht vorwerfen, die Unabhängigkeit der Justiz in Frage gestellt zu haben. Den Verfassungsrichtern steht es frei, den Politikern klar zu machen, daß das deutsche Grundgesetz - trotz mancher Halbheiten - immer noch besser taugt als sie.