Genua und die Unabhängigkeit der Polizei

23.08.2001

Das Vorgehen der italienischen Polizei beim G-8 Gipfel in Genua belastet nach Ansicht von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse zunehmend die deutsch-italienischen Beziehungen. Wolfgang Thierse appellierte in einem Brief an den Präsidenten der italienischen Abgeordnetenkammer, Casini, sich für die Freilassung der 15 festgenommenen Deutschen einzusetzen, falls diese nicht an Gewalttaten beteiligt waren. Casini winkte bei der Aufforderung Wolfgang Thierses ab und verwies in seinem Antwortschreiben auf die Unabhängigkeit der Justiz.

Die vertikale Gewaltenteilung in den westlichen Demokratien ist zur Floskel verkommen. Die Trennung zwischen legislativer, exekutiver und judikativer Gewalt wird vielfach durchbrochen. So auch in Genua/Italien. Die Legislatoren stellen die Kompetenzspitze der exekutiven Hierachie, und das Justizwesen, in Form von Staatsanwaltschaft etc., ist nüchtern betrachtet, Teil der Exekutive. Den verhafteten Globalisierungsprotestlern ist bislang kein Prozeß gemacht worden, sondern sie sitzen immer noch in den Klauen der Polizei und Staatsanwaltschaft. Wolfgang Thierses Aufforderung, mit der Untersuchungshaft eine Ende zu machen, und die Justiz entscheiden zu lassen, muß nach 6 Wochen mit der Beendigung der Untersuchungsarbeit der Staatsanwaltschaft, Anklagestellung und gegebenenfalls Gerichtsprozeß entsprochen werden. Wenn sich Casini dagegen sperrt und auf die Unabhängigkeit der Justiz beruft, muß er unter Begriffsstörung leiden oder unter geistiger Umnachtung leiden. Auch die Polizei und Staatanwaltschaft scheinen an geistiger Umnachtung zu leiden und es ist das System, das statt den Verhafteten auf die Anklagebank gehört.

Ein solches juristisches System wie in Italien, in Deutschland oder sonst in Europa, ist der Demokratie unwürdig. Abstrakt und als Einheitswahn bleiben die Ideale der vertikalen Gewaltenteilung, wenn nicht jede Instanzebene direkt wählbar ist: Wie die legislative Gewalt sollte auch die exekutive Gewalt direkt wählbar sein, wie z.B. in den USA, und die judikative Gewalt, sprich die Richterwahl, sollte für den jeweilig Betroffenen, den der Richterspruch allein betrifft, gleichermaßen frei zu wählen sein.