Greencard stellt Entwicklungshilfe auf den Kopf

31.07.2001

Zum Abschluss ihres Gipfels in der italienischen Hafenstadt Genua haben die Staats- und Regierungschefs der sieben führenden Industriestaaten und Russlands (G8) in einem Kommuniqué drei Ziele hervorgehoben: Hilfe für die Dritte Welt, Klimaschutz und bessere Lebensbedingungen für alle. Wer sich die Abschlußpapiere vor Augen hält, wundert sich über die banalen Ergebnisse dieses aufwendigen Treffens, die mit einem Todesopfer erkauft wurden.

Über gewöhnliches, kapitalistisch-nationalökonomisches Latein kam das Kommuniqué nicht hinaus, und als Leser des Kommuniqué mußte man sich über halbfromme Erklärungen wundern wie: "Die Informations- und Kommunikationstechnologie birgt ein gewaltiges Potenzial, den Entwicklungsländern bei der Beschleunigung des Wachstums zu helfen, ihren Lebensstandard zu heben und andere prioritäre Entwicklungsziele zu erreichen". Eine Wahrheit, die bereits Kofi Annan vor Wochen erkannt hat.

Die Bundesregierung hat aber mit der Greencard-Lösung nun den anderen westlichen Ländern Folge geleistet beim entwicklungspolitisch kontraproduktive Abwerben der besten Köpfe der least developed countrys (LDCs), trotz des Tenors in Genua zur Schlüsselrolle der Informations- und Kommunikationstechnologie für die Entwicklungsländer.

Der Verdacht liegt nahe, dass der Bedeutungsgewinn des IT-Sektors in den LDCs, die die G8 anstreben, lediglich als neuer Absatzmarkt für die krisengeprägte IT-Branche der westlichen Staaten gedacht ist. Die Strukturen, die sich dort anbahnen, erscheinen sehr depedentalistisch. Kapitalakkumulation im Westen, einschließlich Geisteskapital, und die dritte Welt als Absatzmarkt und Rohstofflieferant: Deutschland soll das menschliche Kapital absaugen. Die Kosten für das Heranwachsen und die Erziehung der Kinder tragen die Entwicklungsländer und Deutschland bekommt den Nutzen. Das ist höchst kontraproduktiv für die Entwicklung der Dritte-Welt-Länder.

Wenn Deutschland für die Zukunft Zuwanderung braucht, um Arbeitsplätze zu besetzen, die es in der Wirtschaft gibt, ist es nur nützlich und gerecht, wenn die Wirtschaft ein Assoziationsabkommen mit verschiedenen Entwicklungsländern abschliessen würde, das einen Austauch von Menschenkapital gegen Wissens- und Wirtschaftskapital beinhaltet. So würde die Wirtschaftsstruktur der demographischen Struktur, übernational betrachtet, angepasst.