- Startseite ›
- Dreigliederung ›
- Nachrichten ›
- Details
Renate Künast und das Ökosiegel
In Deutschland soll es künftig ein einheitliches Ökosiegel nach den Kriterien der Ökoverordnung der Europäischen Union geben. Darauf haben sich das Bundesverbraucherministerium, der Lebensmittelhandel, der Bauernverband sowie die ökologischen Anbauverbände Bioland und Demeter am 21.05.2001 geeinigt. "Das ist eine große Allianz für ein einheitliches Ökosiegel", sagte Verbraucherministerin Renate Künast. Zur Allianz der Großen fehlen allerdings einige kleineren ökologischen Anbauverbände. Sie hatten im Vorfeld für ein deutsches Ökosiegel plädiert, das über die europäische Ökoverordnung hinausgehe. Die Kontrollen wären zwar aufwendiger geworden. Ein solches Ökosiegel hätte aber Marken, die nicht so bekannt sind wie Bioland und Demeter, aufgewertet.
Das Ökosiegel soll zunächst auf freiwilliger Basis verwendet und gesetzlich gegen Ende des Jahres abgesichert werden. Nach der EU-Ökoverordnung dürfen in den Lebensmitteln unter anderem keine gentechnisch veränderten Erzeugnisse und keine Antibiotika oder Leistungsförderer dem Futtermittel beigemischt werden.
Gleich am nächsten Tag nach dem Beschluß für ein Ökosiegel hat nun Bauernpräsident Gerd Sonnleitner ein Gütezeichen auch für die konventionelle Landwirtschaft gefordert. "Es darf nicht Sicherheit erster und zweiter Klasse geben". Er verlangt eine "Grundsicherung" auch der umweltschonenden Produkte geben, die von herkömmlich produzierenden Bauern angeboten werden. Ein solches Prüfsystem soll sowohl die Bauernhöfe, als auch die Futtermittelherstellung sowie die Medikamentenvergabe einbeziehen.
Künast zeigte sich einem solchen Schritt gegenüber aufgeschlossen, verteidigte aber die Vorrangigkeit des Ökosiegels. Es sei zunächst wichtig, Öko-Produkte aus der Nische zu holen und "breite Regale damit zu füllen". Sie sei aber mit den Verbänden über ein "konventionelles" Prüfverfahren im Gespräch. Die genauen Anforderungen müssten sorgfältig erarbeitet werden. Sie müssten so gestaltet sein, dass "im Laufe der Jahre" eine möglichst große Zahl von Bauern ihre Herstellung entsprechend tier- und umweltschonender ausrichte.
Man kann sich für ein einheitliches Ökosiegel aussprechen und trotzdem dem Spruch von Sonnleitner zustimmen: "Es darf nicht Sicherheit erster und zweiter Klasse geben". Sonnleitner zieht aber nur halbe Schlüsse daraus. Wenn es wirklich um Sicherheit geht, hilft kein Gütezeichen, auch kein Ökozeichen, sondern nur ein Gesetz, das bestimmte Gefahrstoffe einfach verbietet. Gert Sonnleitner als Vertreter der industriellen Landwirtschaft würde erst recht aggressiv werden. Und doch ist die Ankündigung von Künast, die Verfütterung von Tiermehl notfalls im Alleingang endgültig zu verbieten, ein Schritt in die richtige Richtung. Wenn sie mit dieser Forderung in Brüssel keinen Erfolg habe, "werden wir es alleine machen", sagte sie am 06.05.2001. Bei den Futtermitteln müsse es eine vollständige Deklarationspflicht geben. Es sei Bringschuld der Futtermittelindustrie, alle Inhaltsstoffe anzugeben.
Mit solchen Entscheidungen macht Künast das Beste aus ihrer Stellung. Die Förderung eines Ökosiegels ist dagegen nicht ihr Job, sondern derjenige der ökologischen Anbau- und Konsumverbände. Es darf dabei ruhig Qualität erster und zweiter Klasse geben. Genauso wenig kann es darum gehen, die Bauern deswegen aufzufordern, mehr für den Umweltschutz zu tun, weil sie pro Jahr 27 Milliarden Mark an Steuermitteln erhalten. "Dafür wollen die Steuerzahler auch Leistung sehen, und die heißt Umweltschutz". Der Staat darf aber auch dann Umweltschutz fordern, wenn er keinen Pfennig dafür bezahlt. Und das sollte Künast auch machen. Zahlen müssen in diesem Fall die anderen, nämlich die Wirtschaft im weiteren Sinne, sei es durch erhöhte Preise oder durch Quersubventionen. Das ist auch gut so. Nicht nur weil die EU sonst mit ihrem Agrarbudget bei einer Ost-Erweiterung nicht mehr mithalten kann, sondern prinzipiell.
Die Fixierung Künast auf die Förderung des ökologischen Landbaus zeigt einmal mehr, daß die Grünen es versäumt haben, sich Gedanken über die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu machen. Sie taugen hier nicht besser als andere Parteien. Ihre Mittel sind daher oft genauso katastrophal wie die Umweltschäden, die sie vermeiden möchten.