Immunschwäche und Geistkapitalismus

27.04.2001

In Afrika stehen viele Länder vor der größten sozialen Katastrophe ihrer Geschichte. Rund 25,3 Millionen Afrikaner leben dort mit dem HI-Virus. Das sind fast 70 Prozent aller infizierten Erwachsenen und Kinder weltweit. Dies stellt die afrikanischen Staaten vor eine enorme finanzielle Aufgabe. Auf einem Gipfeltreffen der Organisation Afrikanischer Einheit wurde heute die Empfehlung ausgesprochen, künftig 15 Prozent der jeweiligen Staatshaushalte für die Bekämpfung der Immunschwächekrankheit auszugeben, und die UN schätzt, dass für einen wirksamen Kampf gegen die weltweite Ausbreitung von Aids über einen längeren Zeitraum jährlich zwischen sieben und zehn Milliarden US-Dollar (rund 15 bis 22 Milliarden Mark) notwendig seien.

Südafrika, das mit 4,3 Millionen HIV-Infizierten, oder rund zehn Prozent der erwachsenen Bevölkerung, die weltweit höchste Infektionsrate hat, wollte 1998 den Zugang zu billigen Medikamenten, die nicht unter Markennamen verkauft werden (so genannte Generika) gesetzlich festschreiben. Sie kosten einen Bruchteil der Markenprodukte und sind daher auch für ärmere Menschen gerade noch erschwinglich. Auf 200 Dollar pro Jahr werden die Kosten einer Behandlung mit solchen Generika geschätzt. Die Preise der internationalen Pharmagiganten lagen bisher bei bis zu 10 000 Dollar.

Eine Gruppe von 39 internationalen Pharmakonzernen, die ihre Patent-Rechte beschnitten sahen, verklagte darauf hin den südafrikanischen Staat. Die Pharmakonzerne gaben aber am 20. April im Konflikt mit der Regierung nach und zogen ihre Klage vor dem Landgericht in Pretoria, aufgrund der Weitergabe billiger Arzneimittel durch die Regierung, zurück. Bei der Gesetzgebung hatte sich die Regierung in Pretoria darauf berufen, aus besonderem öffentlichen Interesse heraus, im Falle eines gesundheitlichen Notstandes, Maßnahmen, wie Parallelimporte, Zwangslizenzierung oder Substitution bestimmter Medikamente durch Nachahmerpräparate zu ermöglichen. Diese Maßnahmen stellen Schutzmechanismen dar, die im sog. TRIPS-Abkommen der Welthandelsorganisation (WTO) geregelt sind. Der Direktor der WTO, Mike Moore, sagte daraufhin, mit der außergerichtlich gefundenen Regelung hätten nun alle gewonnen. "Die Vereinbarung zeigt auch, dass die WTO-Abkommen, wie etwa (zum Schutz des geistigen Eigentums) TRIPS, so flexibel gestaltet sind, dass sie die Gesundheitsbedürfnisse der Entwicklungsländer berücksichtigen", sagte Moore in Genf. Diese Abkommen könnten somit die Grundlage für die Beseitigung von Schwierigkeiten beim Zugang zu notwendigen Medikamenten sein.

Die WTO-Regelung des sogenannten geistigen Eigentums ist trotz TRIPS-Abkommen keineswegs flexibel. So sollte laut dem Sinn des TRIPS der ganze Bann des "Geistigen Eigentums" für Afrika und den Großteil der Welt außer Kraft gesetzt sein: Die ganze Ökonomie befindet sich dort im Notstand.

Der kleine Sieg der südafrikanischen Regierung kann leider auch nicht wirklich gefeiert werden. Die Ausbeutung der dritten Welt durch den Geistkapitalismus wirkt fort, und Afrika muß weiterhin überteuerte Medikamente kaufen, um die Folgewirkungen der Immunschwäche AIDS, wie auch Tuberkulose, zu behandeln. Die Zahl der Tuberkulose-Kranken auf dem Kontinent wird nach Schätzungen der UN als Folge der Verbreitung von Aids bis zum Jahr 2005 auf rund 3,3 Millionen steigen.

Es ist schon unglaublich, dass die Pharmaindustrie durch überhöhte Preise bislang keinen breiten Markt erschlossen haben, wo ihre teuer entwickelte Produkte aus Bedarf nachgefragt waren. Die "unsichtbare" Hand der Marktwirtschaft hat wieder einmal, trotz über 39 "Konkurrenten", versagt, dort eine preiswerte Bedarfsbefriedigung zu schaffen, wo eine assoziative Planung einen den Bedürfnissen angemessenen Preis zu schaffen im Stande ist.

Wenn die Kosten der Produktentwicklung als schwere Hypothek auf den Medizinpreisen lasten, sollte der Pharmaindustrie der Mühlstein vom Hals genommen werden: Das geistige Eigentum sollte abgeschafft werden, was dem freien Geistesleben die Produktentwicklung zuspielen würde. Wenn die Pharmaindustrie dann ihre Produkte verbessern will, sollte sie mit dem Wirtschafts- und Staatsleben, die vital an einer leistungsfähigen, gesunden Bevölkerung interessiert sind, assoziativ vereinbaren, dem Geistesleben dafür Mittel zur Verfügung zu stellen. Zum Schluß sollten die Heilkunde-Kundigen sich auch hinter die Ohren schreiben, dass diejenige Medizin am besten hilft, die geschenkt ist, wie Rudolf Steiner sagt.