Mehmet und die Abschiebung unerwünschter Elemente

23.04.2001

Knapp zweieinhalb Jahre nach der Abschiebung des jugendlichen Serienstraftäters "Mehmet" in die Türkei, geht der juristische Streit um den Fall in eine neue Runde. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) erörtert in mündlicher Verhandlung die Frage, ob der entsprechende Beschluss der Stadt München rechtmäßig war.

"Mehmet", wie der Jugendliche aus Datenschutzgründen genannt wird, war im November 1998 als damals 14-Jähriger abgeschoben worden. Er hatte schon vor seinem 14. Geburtstag mehr als 60 Delikte begangen. Der Fall hatte international für Aufsehen gesorgt, weil erstmals ein Kind von rechtmäßig in Deutschland lebenden Ausländern allein abgeschoben wurde. "Mehmets" Eltern blieben in München.

Das VGH hatte die Berufung in seinem Fall mit der Begründung zugelassen, dass es sich bei "Mehmet" um einen in Deutschland geborenen Ausländer handle. Außerdem sei er bei den zur Begründung der Ablehnung einer neuen Aufenthaltserlaubnis genannten Straftaten erst 14 Jahre alt gewesen. Beides verlangt, laut VGH, eine "intensive Beschäftigung" sowohl mit dem Ausländergesetz als auch mit dem Schutz der Familie nach dem Grundgesetz und der Europäischen Menschenrechtskonvention. Außerdem könne "Mehmet" grundsätzlich die Vergünstigungen aus dem Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Türkei für sich in Anspruch nehmen, weil er in Deutschland geboren sei und sein Vater, ein Türke, seit Jahrzehnten in München arbeite.

Das deutsche Rechtswesen hat im Fall "Mehmet" von Anfang an versagt. Die Gerichte und die exekutiven Instanzen haben sich nie ernsthaft um eine Resozialisierung "Mehmets" gekümmert und wollten das Problem allein durch die Abschiebung eliminieren. Vor zwei Jahren wurde zu Recht gefragt, ob das die Lösung sein kann, ein ohnehin zerrüttetes Kind in die Fremde zu schicken, ohne seine Eltern.

Die Türkei hat "Mehmet" aber gut getan, - das hochkriminelle Kind ist offensichtlich straffrei geworden. Das soll aber nicht dazu verleiten, die Entscheidung vor zwei Jahren gut zu heißen. Auch soll es nicht zu einem Verbleib bei dieser Entscheidung verleiten, sondern lediglich als Armutszeugnis der Justiz und Sozialinstanzen in Deutschland verstanden werden.

Dem Justizwesen Deutschland fehlen soziale und pädagogische Kompetenzen für eine Resozialisierung, die nur ein Justizwesen, gereinigt von Jurisprudenz und besetzt mit Richtern aus dem freien Geistesleben, mit Sozialkompetenzen leisten kann. Von der Gerichsverhandlung des VGH wird nicht viel zu erwarten sein. Es soll lediglich geprüft werden, ob die Abschiebung konform war mit der geltenden Rechtslage. Die Erkenntnis, dass "Mehmet" ein Problem unserer deutschen Gesellschaft war und sein soll, und dass eine Abschiebung unerwünschter Elemente im Widerspruch zur Grundlage der Strafverfolgung steht, fehlt völlig. Die Resozialisierung hat die Gesellschaft zu leisten, die für die fehlgeführte Sozialisierung mitverantwortlich ist. Auch unsere "Mitbürger" ohne deutsche Staatsbürgerschaft haben Recht auf Resozialisierung durch die deutsche Gesellschaft.