Patentierung als Kasernierung des Wissens

13.02.2001

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat heute über die europäische Biopatentrichtlinie verhandelt. Die Niederlande, die Patente auf Leben traditionell ablehnen, machten mit ihrer Klage unter anderem einen Verstoß gegen die Menschenwürde geltend, trugen vorrangig aber formal-rechtliche Argumente vor. Wann das Urteil ergehen wird, ist offen.

Mit der Richtlinie von 1998 wollten Rat und Parlament der Europäischen Union (EU) das Biopatentrecht zusammenfassen und europaweit vereinheitlichen. Die Niederlande bestreiten, dass es dafür einen Bedarf gibt und berufen sich auf ihre Tradition, keine Patente auf Leben zuzulassen. Nach der Richtlinie solle aber unter anderem die Patentierung isolierter Teile des menschlichen Körpers möglich sein. Dies sei mit der Menschenwürde nicht zu vereinbaren und verletze auch das Selbstbestimmungsrecht der Patienten, weil sie ohne Zustimmung mit biotechnologisch erzeugtem Material behandelt werden könnten.

Patente auf Pflanzensorten sind nach den Patentrichtlininen nicht zulässig. Nichtsdestotrotz hat das Europäische Patentamt (EPA) in München am 07.02.2001 ein Patent auf gentechnisch veränderte Pflanzen genehmigt. In einer öffentlichen Sitzung wies die Behörde am Mittwoch den Einspruch der Umweltschutzorganisation Greenpeace gegen das vom französischen Chemie-Konzern Aventis beantragte Patent auf Pflanzen zurück, die gegen ein Unkrautvernichtungsmittel resistent gemacht wurden. Greenpeace begründete seinen bereits 1993 vorgelegten Einspruch mit einem Verstoß gegen das Europäische Patentübereinkommen und damit, dass diese Pflanze bereits in der Natur vorkommt. Der Gentechnik-Experte der Organisation, Christoph Then, erklärte, "das Patentamt begeht schamlosen Rechtsbruch."

Jetzt, wo die fortschreitende Entwicklung in der Biotechnologie eine bedenkliche Patentierungswelle auslöst, sollte die Institution der Patentierung noch einmal revidiert werden. Neben den ethischen Bedenken gegen die Biotechnologie tritt für uns jetzt auch der Unsinn des Monopols an Lebensformen zu Tage. Wir haben zu Recht die Schwierigkeit einzusehen, dass die physische Existenz und Entfaltungsmöglichkeiten von uns Menschen und den Lebewesen der Natur willkürlich in die Hände der Rechtspersonen gegeben werden, die diese als Rechtsbesitz beanspruchen.

Dass der Einsatz von medizischer Versorgung durch Patente behindert oder gar versperrt werden könnte, und dass die Vielfalt der Natur zum Besitz gemacht wird, ist gefährlich, ungerecht und die Patentierung von Lebewesen ist fast so absurd, als hätte Darwin die gesamte Evolution mit ihren Ergebnissen patentiert. Jetzt, da wir als Menschen physisch-existentiell vom Unsinn der Patentierung berührt werden, müßten wir uns als geistige Wesen auch dem Unsinn der Patentierung von geistigen Errungenschaften bewußt werden. Die Patentierung von Geist knebelt uns mindestens genauso, wie die Patentierung der Materie, und stellt die höchste Stufe der Kasernierung des Wissens dar.

Mit der Abschaffung von Patenten würde der Dritten Welt auch der größte Dienst erwiesen werden, weil die Verzinsung von patentiertem Geist viel höher ist, als die Verzinsung von Auslandsschulden. Europa ist in dieser Hinsicht gefragt und muß als erstes den unumgänglichen Schritt machen und nicht nur Patente verweigern, sondern auch allen ausländischen Patenten jeglichen Rechtsschutz verweigern.