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Staat und Kirche beim Verfassungsrichter
Die Zeugen Jehovas haben vor dem Bundesverfassungsgericht im Kampf um eine Gleichstellung mit den beiden großen christlichen Kirchen einen Teilerfolg errungen.
Die Zeugen Jehovas haben in Karlsruhe geklagt, weil ihnen zunächst der Berliner Senat und dann das Bundesverwaltungsgericht den gewünschten Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts versagt hatte. Als Grund hatten beide unter anderem angeführt, daß sie den Staat als Bestandteil der Welt Satans ablehnen und an staatlichen Wahlen nicht teilnehmen. Für das Bundesverfassungsgericht reicht dagegen das religiöse Verbot einer Teilnahme an staatlichen Wahlen nicht aus für eine Ablehnung als Körperschaft. Die Zeugen Jehovas sind keine reale Gefahr für die Demokratie, ihre Bestrebungen sind a-politisch und richten sich auf ein Leben jenseits des politischen Gemeinwesens. Der Staat darf eine über die Einhaltung der Verfassung hinausgehende Loyalität nicht fordern. Insoweit müssen öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften ihr Wirken auch nicht an den Interessen und Zielen des Staates ausrichten. Wer die Verwirklichung einer theokratischen Herrschaftsordnung anstrebt, verläßt den Boden der Verfassung. Dies bedeutet aber nicht, daß Religionsgemeinschaften intern demokratisch organisiert sein müssen. Durch die Anerkennung als Körperschaft soll die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Gemeinschaften gesichert werden, so daß sie frei von staatlicher Bevormundung agieren können. Sie nehmen keine Staatsaufgaben wahr und unterliegen daher keiner staatlichen Aufsicht. Die Vorinstanz hatte eine wechselseitige Zugewandtheit und Kooperation zwischen Staat und Kirche gefordert.
Die Ablehnung einer theokratischen Ordnung bezieht sich nicht so sehr auf die Zeugen Jehovas, als auf bestimmte islamische Religionsgemeinschaften. Zeugen Jehovas sind eben a-politisch. Für problematisch hält aber das Verfassungsgericht bei den Zeugen Jehovas Fragen wie die Ablehnung von Bluttransfusionen auch für Kinder oder Vorwürfe, austrittswillige Mitglieder würden unter Zwang festgehalten und Kinder unter Anwendung körperlicher Gewalt erzogen. Der Staat ist nämlich verpflichtet, menschliches Leben und körperliche Unversehrtheit zu schützen. Darüber soll nun das Bundesverwaltungsgericht entscheiden.
Von größter Bedeutung ist die Klarstellung, daß Religionsgemeinschaften nicht intern demokratisch organisiert sein müssen. Sie brauchen nur anzuerkennen, daß der Staat es sein soll. Hier haben die Verfassungsrichter die Linie zwischen Staat und Kirche richtig gezogen. Schade nur, daß das Bildungswesen zu den Staatsaufgaben gerechnet wird. Es könnte sich sonst als Körperschaft des öffentlichen Rechts konstituieren und eine eigene Ordnung geben. Stattdessen plagen sich die meisten nicht-kirchlichen Schulen in freier Trägerschaft mit Vereinsstatuten, die dem heutigen demokratischen Staat nachgebildet sind. Dies geht bis zur Gewaltenteilung zwischen Vorstand und Versammlung. Diese Schulen sind zwar die alten kirchlichen Gebote los geworden. Nach dem Prinzip des modernen Geisteslebens, dem persönlichen Ratschlag, können sie sich aber kaum richten. Wo die Schulgesetze sie in Ruhe lassen, sorgt das Vereinsrecht für die Entschärfung des letzten freien Geistes.