Schulaufsicht und kein Ende

06.06.1994

Interview mit der GLS-Bank in Bochum mit Ingo Krampen (Notar, GLS und vom Europäischen Forum für Freiheit im Bildungswesen) / Thema "Dreigliederung des sozialen Organismus", Freies Schulwesen / am 06.06.1994 in der GLS-Bank / Interviewer (c) Sebastian Schöck Berlin, (c)-Vetorecht bei Publikationen hat der Interviewpartner / Kamera Friedel Hans / Bandformat: BetacamSP

Krampen: Beim letzten Kolloquium des Europäischen Forums für Freiheit im Erziehungswesen in Bern haben wir ja eine Erklärung zur Frage der Schulaufsicht verabschiedet in diesem Europäischen Kolloquium und das betrifft natürlich genau die Abgrenzung zwischen Schule und Staat. Also wie weit soll sich eine Staatgwalt einmischen in was Inhalt der Pädagogik ist. Das tut ja die Schulaufsicht traditionell. In Deutschland übrigens viel mehr als in anderen Ländern. Deutschland ist da eigentlich die Spitze der Schulaufsichtsbehörde. In Dänemark ist das völlig anders. Da bestimmen die Eltern einen (Ombutsmann richtig?) Obhuts-Mann, und dieser Obhuts-Mann guckt da ab und zu in die Schule rein, das ist ein Privatmann, wie die Eltern auch und wenn der irgendetwas nicht in Ordnung findet, dann kann der entweder den Eltern oder Lehrern sagen, sie können da etwas verbessern oder auch nicht verbessern. Und wenn die das nicht verbessern, dann kann er das der Schulaufsichtsbehörde, der staatlichen Schulaufsichtsbehörde melden und dann sagen die vielleicht bei der Schule bescheid und sagen, wir erwarten, daß er das innerhalb von einem halben Jahr erstellt oder so. Also, das ist die Schulaufsicht, wie sie in Dänemark funktioniert. In Deutschland ist das in staatlichen Schulen traditionell immer noch so, daß der Schulrat von der Aufsichtsbehörde kommt und sich das alles anguckt und dann der Direktor ist die zusätzliche Hierarchie in der Schule und jeder Lehrer steht unter dem Diktat, daß er all das erfüllen muß, was in den staatlichen Lehrplänen steht und jederzeit rechenschaftspflichtig ist. Wenn er das falsche Schulbuch benutzt kann die Schulbehörde ihn verklagen oder anweisen darauf, daß oder anweisen darauf, daß er das richtige Schulbuch benutzen muß und da gab es neulich noch ein Urteil, daß ein Lehrer dagegen geklagt hat, daß er ein bestimmtes Schulbuch nicht benutzten wollte. Der hat diesen Prozeß verloren. Vor Gericht ist auch festgestellt worden, daß die Gesetzte bestimmen, der Staat darf bestimmen, welches Schulbuch benutzt werden sollte. Soweit geht das.

Aber auch in dem Bereich der Schulen der freien Trägerschaft, also die Waldorfschulen , Alternativschulen ist es so, daß die Schulbehörde z.B. bestimmt welche Lehrer eingesetzt werden dürfen und welche nicht. Wenn da jemand mit einer Waldorflehrerausbildung kommt, dann sagt der Staat, wir wollen aber erst noch überprüfen, ob der wirklich gut ist, obwohl die Leute mit staatlicher Ausbildung die akzeptieren. Gut, also das nur so zur Charakterisierung der Situation.

Und wir haben jetzt also in Bern eine Erklärung verabschiedet, die deutlich macht, (Erklärung weich einblenden) man muß unterscheiden bei Schulaufsicht zwischen einem schmalen Bereich der Rechtsaufsicht, den muß der Staat übernehmen. Denn irgendwo muß das Eingriffsrecht ... beim Staat bleiben, also, wenn Gewalt herrscht oder angewandt wird, oder wenn Kinder indoktriniert werden, oder sonst irgendetwas, dann muß der Staat eingreifen können. Aber der ganze Inhalt ist Sache der Selbstverwaltung und da müssen die Schulen aus sich heraus , beispielsweise über örtliche Kulturparlamente oder über Fachverbände für genugnd Schulberatung und interne Schulberatung und Dialog sorgen. Daß da eine interne Aufsicht praktisch stattfindet und die andere Aufsicht kann über Eltern vollzogen werden. Die Eltern nehmen wahr was passiert, ihnen muß das Konzept offen gelegt werden Und auf die Weise wird die frührere Aufsichtsfunktion ebern ersetzt durch eine Beratungs und Dialogfunktion.

So, das war jetzt sozusagen -

S.: Kann da nicht das Elternrisiko entstehen, daß die Kulturaufsichtsbehörde unabhängig vom Staat jetzt dieselbe Rolle übernimmt wie das, was der Staat heute macht, nämlich , daß er vorschreibt, ...

Krampen: Ja, das wäre natürlich eine Gefahr, wenn ich mir vorstelle, daß wir die ganzen Waldorfschulen, den Bund der Waldorfschulen in die Schulaufsichtsbehörde nehmen, dann wäre das eine sehr grausige Vorstellung muß ich wirklich sagen, weil dann natürlich ein Verband, der an sich zur Selbsthilfe angelegt ist, zu einer Behörde werden könnte. Also, das kann es nicht sein. Man muß das genau trennen, man muß wirklich das so trennen, daß die Schulen miteinander beraten, dafür können sie vernünftige Organe schaffen. Das wäre im Rahmen des Bundes der Waldorfschulen möglich. Aber Eingriffsrechte, darf es in dem Bereich überhaupt nicht geben. Das ist ja eine Trennung, also da macht sich auch deutlich, ob man Funktionen der Dreigliederung verstanden hat.

Man muß einerseits das Geistesleben wirklich freilassen und da kann es dann auch keine Eingriffsrechte geben.

S.: Nur Beratung?

Krampen: Nur Beratung. Nur Dialog. Und andererseits, wenn irgendetwas passiert, was wirklich gegen Gesetze, gegen Grundrechte verstößt, dafür sollen wir den Staat belasten. Dafür ist der Staat verantwortlich.

( Ja, wenn Sie davon nicht überzeugt sind...?!

S.: Doch,doch

Krampen: Aber es ist immerhin von den 300 Teilnehmern des Forums , nicht einstimmig, aber mit sehr wenigen Gegenstimmen angenommen worden. Diese Erklärung, so daß wir diese als offizielle Erklärung des Forums jetzt auch überall in der Welt verkünden können und Sie wissen ja , daß das Forum aus sehr unterschiedlichen Menschen besteht, es hat also keineswegs nur Anthroposophen oder nur Waldorfleute, sondern da sind alle möglichen Schattierungen, da sind Frenet-Leute, freie Alternativschulleute, da sind Staatsschullehrer, da sind Schulaufsichtsbeamte des Staates bei, da sind Politiker bei,

Insofern ist das ganz schön, daß da so eine Erklärung mit so einer großen absoluten Mehrheit verabschiedet wurde.