Einige Gedanken zur industriellen „Partnerschaft“
Aus dem Heidenheimer Arbeitskreis

01.06.1952


Partnerschaft entwickelt sich im Westen im Rahmen der „Teamwork -Praxis, die amerikanischer Herkunft ist. Ihre Vertreter sagen: „Teamwork“ ist keine Idee, sondern eine Methode, die auf vielen Wegen vorschreitet. „Zusammenarbeit und Wettbewerb“ umschreibt J. Gaitanides (Neue Zeitung 1952, Nr. 90) diese Methode. Sie entstand auf dem Boden einer Wirtschaft, die durch außerordentlich weit vorgetriebene Mechanisierung und Rationalisierung des Produktionsprozesses hervorragt. Sie steht also auf den Schultern des Taylorismus.1)

Erinnern wir uns, was Rudolf Steiner vor Jahrzehnten über Taylor sagte, der „den Mechanismus der Darwinschen Theorie auf das Arbeiterleben angewendet hat,-) so erkennen wir im „Teamwork“ einen Fortschritt, indem die Bestrebungen zur Rationalisierung sich mit dem Versuch, die menschlichen Beziehungen im Betriebe zu bessern, verbunden haben.

Es ist verlockend, in solchen Bestrebungen den sozialen Fortschritt überhaupt zu sehen, denn tatsächlich wird dabei nicht ohne Erfolg versucht, das persönliche Interesse mit dem Interesse der Allgemeinheit in neuer Art abzustimmen.

Dennoch gilt auch für Teamwork, was Rudolf Steiner von Taylor sagte, dem Mann, der „mehr auf den Doppelgänger gab als auf dasjenige, was im Sinne der Menschheit für das menschliche Gemüt im 5. nachatlantischen Zeitraum erobert werden muß“. Denn er war es, der zuerst in der Wirtschaft mit den Menschen experimentierte.

Nun vermittelt die Erdgeistigkeit, die im Westen so stark auf den Menschen wirkt (und zwar durch den Doppelgänger wirkt), den Menschen so außerordentlich „selbstverständliche“ Instinkte, daß vieles dort keine Frage ist, was uns in der Mitte höchst zweifelvoll erscheint.

So ist im Westen keine Frage, ob der natürliche Egoismus der Menschen z. B. in der

1) Hierbei seien die erläuternden Worte aus dem angeführten Aufsatz zitiert, die sich auf die Begriffe „Team“ und „Teamwork“ beziehen: Sie sind „vom Sport her ins allgemeine Sprachbewußtsein eingedrungen. Sie bezeichnen dort die Ein- und Unterordnung der Einzelspieler in der Mannschaft, deren Leistung im Wettkampf dennoch die Entfaltung der individuellen Kräfte fördert und fordert.“ Dieses sportliche Prinzip bricht sich in Amerika mehr und mehr Bahn in der Zusammenarbeit der Menschen, und es ist nur folgerichtig, daß dann der Artikelschreiber auch den Ergebnissen des „Spiels“, der Gewinnbeteiligung der Arbeher, einen breiten Raum gewährt.

2) Rudolf Steiner: „Individuelle Geistwesen und einheitlicher Weltengrund“, 3 Vorträge, 18., 19. und 25. 11. 1917, S. 36.

Erwerbswirtschaft mit dem Interesse der Allgemeinheit zu vereinbaren ist. Selbstverständlich ist er das, man muß nur solange probieren, bis es geht. Das Privateigentum – auch an den Produktionsmitteln – gilt als sakrosankt. Schäden müssen eben beseitigt werden. Hier liegt z. B. der Grund für die Hartnäckigkeit, mit der die Amerikaner bei uns das Dekartellisierungsgesetz durchzusetzen bestrebt sind: sie glauben auch an die „freie Konkurrenz“. – Die berufspsychologischen Testmethoden sind legitime Nachkommen des Taylorismus. Man könnte diese Zusammenhänge mit den Worten bezeichnen: Auswahl und Abhängigkeit.

Daß der Taylorismus anderswo zur „Norm“ werden konnte, daß das wirtschaftliche Experimentieren mit den Menschen zu Zwangsdeportationen in größtem Stil führen würde, solche Folgen waren im Westen nicht vorausgesehen. Daß aber die so ganz andere Erdgeistigkeit im Osten, in der die Brüderlichkeit veranlagt ist, diese merkwürdige Verbindung mit westlichen Ideen einging, dafür fühlt sich der Westen nicht verantwortlich.

In Mitteleuropa, wo der Gedanke der Partnerschaft schon vor der letzten Jahrhundertwende aus eigenem sozialen Wollen aufgetaucht war, ist es erst in den letzten Jahren wieder zu Verwirklichungen gekommen, die aber den Charakter von vereinzelten Versuchen haben. Meist handelt es sich um Ertragsbeteiligung verschiedener Systeme, und dabei soll die Einkommenserhöhung den Anreiz bilden, die Arbeiter am Betriebe zu interessieren; oder Mitunternehmerschaft soll den Arbeiter wieder zum Besitzer machen.

Der Einfluß des Westens ist bei diesen jüngsten Versuchen nicht zu verkennen. Bezeichnend ist auch, daß das Battelle-Institut, das sich die Ausbildung der TeamworkMethode angelegen sein läßt, in der Form einer kleinen Hochschule für sich soeben ein Zweiginstitut in Deutschland eröffnet hat.

Für den deutschen Unternehmer, der sich aktiv in dieser Richtung betätigt, kann es eine Versuchung sein, nicht nur sozial, sondern auch „klug“ zu handeln:

Durch die Partnerschaft wird dem Betrieb auf legalem Wege Steuer gespart; Kapital bleibt dem Betrieb erhalten; und ein Mitsprechen von Betriebsangehörigen in wirtschaftlichen Dingen ist leichter zu ertragen und sachdienlicher als ein Hineinregieren von außen durch die Gewerkschaft.

Aber befinden wir uns damit auf dem rechten Wege? Hat nicht der Unternehmer ein richtiges Gefühl, wenn er den Besitz von Produktionsmitteln mehr und mehr als Treuhänderschaft ansieht, die ihm gerade erst das Recht vermittelt, unternehmerisch tätig zu sein und freie wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen? Hat nicht der Arbeiter ein richtiges Gefühl, wenn er – allerdings ein Erbe marxistischer Gedankengänge – es ablehnt, sich für wirtschaftliche Vorteile, und sei es eine Mitunternehmerschaft, zu „verkaufen“?

Ist Mitbesitzerschaft nicht ein Rückfall in verflossene Zeiten, in denen noch nicht eine solche Arbeitsteilung herrschte, durch die allein schon heute jeder nicht für sich, sondern grundsätzlich und tatsächlich für die andern arbeitet? Ist dieser gesellschaftliche Sachverhalt, der sich so klar herausgebildet hat, nicht ein Zeichen, daß es viel mehr gilt, die Unternehmer von der egoistischen Bindung an das Kapital frei zu machen, als die Arbeiter zu ihr zurückzuführen?

Wird die Kraft der Unternehmer durch die Verfügung über ein Kapital, das nicht dem eigenen privaten Interesse dienen kann, nicht erst die rechte unternehmerische Initiative auslösen können – unter rechtlichen Voraussetzungen, die genau abzuwägen sind –, und wird der Arbeiter nicht mit dem Betrieb erst dann recht verbunden, wenn er weiß, seine Arbeit kommt nicht einzelnen Menschen zugute, sondern dem Ganzen, dem Betrieb, der Gesamt-Wirtschaft, dem ganzen sozialen Organismus?

Ist nicht schon in der Tatsache der Arbeitsteilung der Keim eines Wirtschaftsorganis-

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mus, eines echten Betriebsorganismus vorgebildet, der auf anderer Grundlage beruht als der des persönlichen Vorteils?

Wir bejahen diese Fragen. Gewiß ist das Streben nach wirtschaftlichem Vorteil der Motor des Wirtschaftslebens und wird es bleiben –, aber ebenso gewiß ist, daß eine wachsende Anzahl von Menschen das Ziel dieses Strebens nicht in persönlicher Bereicherung sieht. Das ist eine Grundströmung unserer Zeit.

Die Synthese zwischen Einzelinteresse und Allgemeininteresse vermögen wir aber nicht in der Teamwork-Methode zu sehen, die das Selbstinteresse in der Wirtschaft verewigt. Sie verfährt rein opportunistisch und vermeidet jedes Eingehen auf das Wesen des Menschen. Nicht aus Instinktsicherheit, sondern nur aus der Erkenntnis vom Menschenwesen kann soziale Zukunft entstehen. Aus der Tatsache der Dreigliedrigkeit des Menschen entstehen sachgemäße Lösungen der sozialen Probleme.

Wahre Partnerschaft kann nur in einem Betriebsorganismus gefunden werden, in dem Dreigliederung lebendig ist: in den menschlichen Verhältnissen, in dem geistigen Zusammenhang, in der wirtschaftlichen Leistung; denn aus dieser sachlichen Gliederung erfließt der Ausgleich der scheinbaren Gegensätze Einzelinteresse und Allgemeininteresse.

Partnerschaft ist dann nicht der Ausgangspunkt als Institution, sondern die Folge, als Funktion. Das ist ein großer Unterschied.

Auch die funktionelle Fortbildung des Eigentumsbegriffs wird eine Folge wirklicher Dreigliederung sein. Nicht die „Abschaffung des Eigentums“, etwa als Leihkapital, ergibt sich dann. Wohl aber eine Möglichkeit, daß alle Mitarbeitenden beteiligt werden, gleichermaßen vom Unternehmer bis zum Arbeiter.

Rudolf Steiner beantwortet einmal die Frage, welcher Art die Beteiligung des Arbeiters sein könne, wie folgt:3)

„Wenn einer in einen Betrieb eintritt, wird ihm ein Teil des Eigentums zugeschrieben, gleichgültig ob er Arbeiter oder Unternehmer ist. Das Eigentum hat als solches einen moralischen Wert.“ (D. h. es kann nicht „versilbert“, zu Geld gemacht werden, d. V.) „Eine Einnahme können Sie nur von dem haben, was das Produktionsmittel trägt, nur von der Leistung.“ (D. h., es besteht ein Nutzungswert, aber kein Kapitalwert, d. V.) Rudolf Steiner führt dann weiter aus, daß, wie ehemals von der Nomadisierung zur Verwurzelung der Menschen fortgeschritten wurde, so müsse heute, um ein Interessiertsein zu erreichen, ein ähnliches Band zwischen Arbeiter und Produktionsmittel geschaffen werden. Aber nicht durch Kommunismus, sondern nur durch Individualismus könne das erfolgen; also z. B. nicht durch Bekämpfung der Freizügigkeit. „Dadurch, daß er (der Mensch) in die Fabrik eintritt, machen Sie ihn zu einem Menschen, der ebenso beteiligt ist an seinem Betrieb wie ein Bauer an seinem Gut“ (der ebenso nur von der Nutzung lebt, d. V.). „. . . der Arbeiter muß sich sagen können: ohne meinen Willen kann am Besitz nichts geändert werden. Real betrachtet bringen nur Leistungen Erträgnisse.“

. . Beim gewerblichen industriellen Betrieb ist es so, daß, wenn einer den Betrieb verläßt, er sein Eigentum verliert“ (auch der Unternehmer, d. V.), „dieses haftet an der Stelle. Praktisch ist die Folge des Besitzes die, daß der, der heute eine Fabrik einfach verkaufen kann, dann beschränkt sein wird.“

Wir wissen, daß Rudolf Steiner noch andere Aspekte des Eigentums gab.1) Hier ist ersichtlich, wie es mit dem Eigentum bestellt ist, das ein Mensch durch Zusammenarbeit mit andern als moralisches Eigentum erwirbt, d. h. als ein Eigentum, das er nicht für seine privaten Bedürfnisse verwerten kann, das ihn aber zum Mitsprechenden macht. Moralisches Eigentum, – so war es früher mit der Feldflur der alten Markgenossenschaft, dann der Allmend; und heute haben wir z. B. alle moralisches Eigentum an

3) Sozialwissenschaftliche Texte, 1. Heft, S. 25 f., v. 27. 1. 1919.

4) z. B. als Verfügungseigentum; s. „Kernpunkte“, Ausg. 1920, S. 73/77.

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Ein Nachwort zum vorangehenden Aufsatz

In dem von Walter Rau verfaßten Aufsatz werden die eine Überschau anstrebenden Artikel „Teamwork statt Kolchos“ (von Johannes Gaitanides, „Neue Zeitung“) erwähnt. Dort wird im Hinblick auf das aktive Vorantreiben des Teamwork-Prinzips gesagt: „Es ist der amerikanische Beitrag zur Lösung der gesellschaftlichen Fragen, die unserem Zeitalter durch die Technik aufgegeben sind.“ Wie Heilsbotschaften kommen Teamwork, human relations heute nach Europa, und man muß es den Amerikanern lassen: sie machen ernst in allen Fällen, in denen ihr Instinkt Lebensfruchtbares, Zukunftsweisendes wittert. Zwanzig bekannte Universitäten, zahlreiche Spezialinstitute, Vereinigungen und Zeitschriften widmen sich der Erforschung der „human relations“ und deren praktischer Ausgestaltung in den Betrieben, von denen Tausende eigene Sachverständige für das Gebiet des Menschlichen in der Arbeit unterhalten. Gaitanides schreibt den in vieler Hinsicht sehr beachtlichen Satz über die Lösung der Probleme der menschlichen Gesellschaft: „Der Ort, an dem die Entscheidung über unsere Zeit ausgetragen wird, ist die Fabrik.“

Man hat in der Kriegsproduktion, welche die Entwicklung des Teamwork und der human relations vorantrieb, gute Erfahrungen gemacht. Die „Philosophie“ der Sache erschien erst hinterher. Heute sagt man: „Unsere neunmalklugen Realpolitiker' pflegen den west-östlichen Gegensatz auf die Realität zweier Machtimperialismen zu reduzieren. Es geht um anderes. Kein Volk entgeht heute der Alternative ,Team oder Kolchos'. Auch der Sozialismus nicht, der sich gleichfalls für die eine oder die andere Richtung wird entscheiden müssen, entweder für einen echten Ausgleich zwischen den individuellen Ansprüchen und den kollektiven Notwendigkeiten oder für einen totalitären Kollektivismus. – Für Koordination oder Subordination.“

Auch die Auswirkungen des Teamwork-Prinzips werden in der Artikelserie behandelt: auf die Zusammenarbeit im Betrieb, in der Gewinnbeteiligung der Arbeiter, im freien Wettbewerb und auf Konsumentenorganisationen, ja, in Wissenschaft, Schule und Gesellschaft. Oft scheinen die Dinge im Innersten anders zu laufen, als wir, an einer neuen mitteleuropäischen Sozialerkenntnis orientiert, sie wünschen müßten. So heißt es für das Eigentumsgebiet, auf das Walter Rau besonders hingewiesen hat, als positivste Meinung: „Ein System kann erst dann kapitalistisch genannt werden, wenn alle Produktionsteilnehmer Kapitalisten sind.“ (Also Haus-, Auto-, Kühlschrankbesitzer usw.) – Andererseits erscheinen Tatsachen und Meinungen, die scharf an das zu grenzen scheinen, was wir selber erstreben.

Sicher enthalt das Teamworkprinzip einen Kern, der mit dem Geist der Geisteswissenschaft in inneren Kontakt gebracht (so daß man erkennen könnte, ob und wie die Dinge mit der Wirklichkeit des Metischenwesens, wie Rudolf Steiner sie darstellte, zusammenstimmen), entscheidende Fortschritte zu bringen vermöchte. Es handelt sich aber in Amerika um ein allerreichstes Handeln aus Instinkt, ohne tiefere Erkenntnis, im Gegensatz zu unserem Gebiet, wo . . ., nun, das braucht man nicht auszusprechen; wir sehen auf unsere große Schwäche. Eine Gefahr aber besteht in unserem Gebiet: die Übernahme und Nachahmung jener instinktgeborenen Lebenspraxis, die sich so, wie sie ist, mit dem Leben des mitteleuropäischen Menschen nicht vereinen kann, ja ihm schaden wird.

In aller Wachheit aber ist zu verfolgen, was im Westen sich tut, damit wir unsere eigene

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Position, uns auseinandersetzend, klar erkennen. Und dabei auch im Auge behalten, was Rudolf Steiner vor den Bauarbeitern 1923 sagte: „Wir in Europa bilden Anthroposophie auf geistige Weise aus . . . Für den, der nicht ein Fanatiker ist, für den hat das, was amerikanische Kultur ist, etwas Ähnliches mit dem, was anthroposophische Wissenschaft ist in Europa. Nur ist dort alles aus Holz. Es ist noch nicht lebendig. Lebendigmachen können wir es in Europa aus dem Geistigen heraus. Die nehmen es dort aus dem Instinkte heraus ... Es wird einmal die Zeit kommen, wo dieser amerikanische ,Holzmensch“, der eigentlich jeder noch ist, – wo der anfangen wird zu reden. Dann wird er etwas der europäischen Anthroposophie sehr Ähnliches zu sagen haben.“ Sollte das Eintreten dieses Geschehnisses nicht eine Abhängigkeit davon haben, was in der Zwischenzeit in Europa gedacht und . . . gestaltet wird?

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