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Der Heidenheimer Arbeitskreis
Quelle
Zeitschrift „Mitteilungen aus der anthroposophischen Arbeit in Deutschland“
2. Jahrgang, Mai 1948, Nr. 4, S. 28–29
Bibliographische Notiz
Ende Juni 1947 fand sich zum ersten Male im „Eisenhof“ der Voith’schen Fabrik in Heidenheim ein Kreis von Freunden zusammen, denen im Beruf die Aufgabe gestellt ist, Betriebe zu leiten. Sie hatten die Empfindung, 'daß es notwendig sei, einmal die Erfahrungen zusammenzutragen, die in Erfüllung dieser Aufgabe an verschiedenen Orten und in verschiedenen Wirtschaftszweigen gemacht worden waren. Sie hatten andererseits das Bedürfnis, die Fragen ihrer täglichen Praxis von den Gesichtspunkten aus, die Rudolf Steiner gegeben hat, gemeinsam mit anderen Freunden, die sich in gleicher Verantwortung- befinden, durchzudenken.
Inzwischen haben vier solcher Zusammenkünfte in diesem Kreise stattgefunden, die sich jeweils über mehrere Tage erstreckten. Von morgens bis abends waren die Teilnehmer in ernster Arbeit beieinander, in der bis in die konkreten Einzelheiten hinein Antwort auf die Frage gesucht wurde : wie kann in der Wirtschaft, in der die Seelen der Menschen zerrieben zu werden drohen, der Mensch zur Geltung gebrachtwerden?
Es gehört zur Methode des Heidenheimer Kreises, daß niemand sich in Referaten ergeht. Die Arbeit vollzieht sich im Rundgespräch, das meist mit einem Zitat von Rudolf Steiner, welches sich auf den betreffenden Gegenstand bezieht, eröffnet wird, und das dann von Menschen, die als Wirtschafter wissen, daß Gedanken Folgen haben in der Wirklichkeit, behutsam und diszipliniert geführt wird ; Wenn auch hinzugefügt werden kann, daß es dabei an innerer Dynamik, ja Dramatik, keineswegs mangelt. Vielfach werden dann in den Pausen unter den Bäumen des schönen Voith’schen Anwesens, aber doch auch im Schatten der Fabrikanlagen dieser Weltfirma die aufgeworfenen Probleme im-Zwie- oder Gruppengespräch noch fortgeführt.
Solcherart wurden die Fragen des Betriebrätewesens, des Lohnes, der Kapitalverwaltung durchgearbeitet, und zwar, wo irgend angängig, von den Erfahrungen und Erlebnissen in der Praxis ausgehend. In den Besprechungen arbeitete sich immer deutlicher heraus, daß ein Betrieb innerhalb des dreigliedrigen sozialen Organismus selber ein dreigliedriges Wesen ist, ja, daß es eine wirklichkeitsgemäße Betriebsführung und ein wirklichkeitsgemäßes Darinnenstehen im Betriebe nicht gibt, wenn man nicht beachtet, wo und wie die drei Sphären des Geistigen, des Menschlichrechtlichen und des eigentlich Wirtschaftlichen wirksam sind. Dem mechanisch gedachten und geführten Betriebe kann heute, – dank Rudolf Steiner, der Gedanke des lebendigen Betriebs-Organismus gegenübergestellt und aus den Gegebenheiten des modernen Betriebslebens selber heraus weitgehend verwirklicht werden. [1]
Die Apriltagung dieses Jahres zeigte uns in besonderem Maße, wie tief unsere Wirtschaftsfragen mit dem anthroposophischen Leben selber verknüpft sind. Betriebsberichte aus der Fabrikation Von Bleistiften und optischem Glas, ferner aus der Seifen- und Heilmittelherstellung zeigten, was es mit Wahrer Produktion, die auf der Umwandlung der Natur beruht, auf sich hat, und welche Perspektiven die Anthroposophie Rudolf Steiners eröffnet, wenn man an die Fragen des Konsums, der Bedürfnisse des Menschen herangeht, aus denen die Antriebe zum Wirtschaften ja kommen müssen.
An einem der Tagungsabende nehmen die Mitarbeiter des Kreises jedesmal am Heidenheimer Zweige teil, und es ist schon Übung geworden, daß dann einer der Mitarbeiter den dortigen Freunden aus dem Arbeitsbereich der Wirtschafter etwas vorträgt. So wurde von Emil Leinhas über die Funktion des Geldes gesprochen, von Fritz Götte einmal über die Geschichte des Dreigliederungsgedankens und die inneren Bedingungen für seine Entfaltung heute, und im April über die Wirtschaft in ihrer Geistigkeit. – An einem zweiten Abend fanden sich die Teilnehmer stets zu intimen musikalischen, rezitatorischen und eurythmischen Veranstaltungen zusammen, die immer aufs neue bis ins Inhaltliche der Darbietungen bewiesen, wie sehr unsere Künstler, aufgeschlossen durch die Anthroposophie, ein Herz für uns Wirtschafter haben; aber auch umgekehrt: wie die Wirtschafter nach der Kunst lechzen, die gerade sie nicht entbehren können.
[Mitteilungen, Nr. 4, Mai 1948, S. 28]
Die Bemühungen des Heidenheimer Arbeitskreises haben sich ganz in der Stille vollzogen, und sie bedürfen auch weiterhin der Stille. Aber da dennoch häufig von diesem Kreis gesprochen wird, sollte hier einmal kurz darüber berichtet werden. Diese Arbeit ist unmittelbaren Lebensbedürfnissen entsprungen und nur in Bezug darauf hat sie ihren Sinn. Aber wenn etwas wirklich Fruchtbares in der Richtung des von Rudolf Steiner für die Wirtschaft Gemeinten darin lebt, so wird es zu gegebener Zeit auch den Weg in weitere Zusammenhänge des sozialen Lebens finden.
Anmerkungen
[1] Siehe die ersten Äußerungen zu diesem Thema in dem in Kürze erscheinenden Doppelheft 2/3 der Zeitschrift „Die Drei“.
[Mitteilungen, Nr. 4, Mai 1948, S. 29]