Hüseyin Kivrikoglu als Feind der Pressefreiheit

08.05.2002

Wegen einer Austellung von Reporter ohne Grenzen droht die Türkei dem NATO-Partner Frankreich mit dem Abbruch der militärischen Kontakte. Die Journalistenhilfsorganisation hatte den türkischen Generalstabschef Hüseyin Kivrikoglu zum Feind der Pressefreiheit erklärt. Wer noch daran zweifelte, ob die Kritik von Reporter ohne Grenzen vielleicht zu barsch gewesen sei, fand sie durch die Reaktion der türkischen Regierung bestätigt. Wer nicht einmal zwischen dem französischen Staat und einer internationalen Nicht-Regierungsorganisation wie Reporter ohne Grenzen unterscheiden kann, gehört in der Tat an den Pranger.

Die Auffassung der türkischen Regierung, oder genauer gesagt, des türkischen Militärs, das hier im Hintergrund die Fäden hält, ist dadurch deutlich geworden: Ein Staat kann doch wohl nur Austellungen genehmigen, welche die Meinung der Regierung - sprich des Militärs - wiedergeben. Kein Wunder, daß 50 Pressevertreter aller Tendenzen allein im Jahre 2001 ihre Artikel vor türkischen Gerichten rechtfertigen mußten.

Eine solche krasse Mißachtung der Meinungsfreiheit kann sich Frankreich kaum noch leisten. Der französische Botschafter in Ankara, Bernard Garcia, wies daher die türkische Regierung darauf hin, daß Reporter ohne Grenzen eine Nichtregierungsorganisation sei. Eigentlich eine vernünftige Antwort. Noch besser wäre es gewesen, wenn er auf einen Botschafter der Nichtregierungsorganisationen hätte verweisen können, der für den Fall verantwortlich sei. Eine so konsequente Verselbständigung der Zivilgesellschaft gegenüber dem Staat gibt es aber sogar in Frankreich nicht. Die Zeit wo Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft sich wie selbständige Staaten gegenüberstehen und eigenständige Außenbeziehungen pflegen, ist auch in Frankreich noch nicht eingetreten.

Daß es noch nicht weit ist, zeigte sich auch vor zwei Jahren, als das französische Parlament eine Resolution verabschiedete, mit der es den Völkermord an Armeniern im damaligen osmanischen Reiche während des Ersten Weltkriegs offiziell anerkannte. An der anschliessenden Eiszeit in den türkisch-französischen Beziehungen war auch der französische Staat mitschuldig. Eine solche Resolution - so berechtigt sie auch ist - darf nämlich nicht vom Parlamente, sondern nur von den Vertretern einer entstaatlichten Wissenschaft ausgehen. Nur sie könnten es schaffen, türkischen Wissenschaftlern zu helfen, über ihren nationalistischen Schatten zu springen und eine solche traurige Wahrheit ebenfalls anzuerkennen. Wirklich unabhängige und national unbefangene Wissenschaftler sind aber auch in Frankreich mit seinen verstaatlichten Hochschulen Mangelware. Vielleicht sind es aber bald genug, um eine Art Reporter ohne Grenzen der Wissenschaft zu gründen.

Was die Meinungsfreiheit in der Türkei anbelangt, so hängt vieles zur Zeit von einer einzigen Person, dem jetztigen Staatspräsidenten Ahmet Necdet Sezer. Er hat gerade mehrere Passagen des neuen verschärften türkischen Rundfunk- und Fernsehgesetzes beanstandet und deshalb das Verfassungsgericht angerufen. Einige der im Gesetz enthaltenen Verbote seien so vage formuliert, dass sie zur Verunsicherung führten und die Sender davon abhielten, "wahr und objektiv" zu berichten, erklärte er. Man kann nur hoffen, daß diese Verschärfungen rückgängig gemacht werden.