Internet und Customer Relationship Management

28.09.2001

In wenigen Jahren hat sich das Internet von einem wissenschaftlichen Kommunikationsmittel hin zu einer billigen Werbefläche entwickelt. Waren die ersten Webseiten noch viel zu trocken, so sind sie heute zum Teil zu klebrig. Man glaubt sie verlassen zu haben, sie bauen sich aber ungefragt wieder auf. Das nennt man dann Interaktivität. Oder man bekommt ungefragt seine tägliche Dosis an digitaler Massenwerbung. Dann wundert man sich nicht, wenn man bei irgendwelcher Messe einen Geschäftsmann fragen hört, wie viel Email-Adressen er kaufen muß, um mit seiner Werbebotschaft Erfolg zu haben.

Einer Umfrage des Verbands der deutschen Internetwirtschaft zufolge verfehlt solche Werbung allerdings ihr Ziel: 77 Prozent der Befragten geben an, sie ungeöffnet in den Papierkorb zu werfen. Drei Viertel der Verbraucher wären sogar bereit zu einer Telefongesellschaft zu wechseln, die ihnen garantieren würde, keine Werbe-SMS in ihr Netz zu lassen. Schließlich wollen über zwei Drittel der Empfänger "auf keinen Fall" etwas von den werbenden Firmen kaufen. Auch dem bisher explodierenden Geschäft mit den elektronischen Werbebannern geht es in letzter Zeit schlecht. Sie können noch so viel blinken, dies ändert nichts daran, daß sie von den Internet-Nutzern zunehmend ignoriert werden. Anzeigekunden reduzieren entsprechend ihre Aufträge und lassen dabei manche Internet-Firmen zusammenbrechen.

Die Zeit der plumpen Anmache ist zwar nicht ganz vorbei. Marketingberater der etwas feineren Art haben aber immer mehr Chancen, gehört zu werden. Und was sie ihren Kunden flüstern, sollten die Kunden ihrer Kunden am besten auch wissen. Die Devise von Unternehmensberatern heißt eben immer: "Der Kunde ist König!" und dann gleich im Nebensatz: "Wie kann man ihn reinlegen?". Wer als König nicht nur den Titel, sondern auch Macht haben will, muß sich schon einige Gedanken machen.

Customer Relationship Management (CRM), das neue Schlagwort, heißt eigentlich so viel wie Kundenbindung. Im Internet wird vor allem auf elektronische Newsletter und Foren gesetzt, welche die Besucher von Firmenwebseiten dort selbst abonnieren können. Kunden werden also um ihre Erlaubnis gebeten. Damit könnte man meinen, daß ein zentrales Anliegen einer assoziativen Wirtschaft - nämlich von den Bedürfnissen der Konsumenten auszugehen - erfüllt ist. Eine solche Werbung zwingt sich nicht mehr auf. Sie wird, wie die entsprechenden Produkte, nicht mehr durch die Firmen in den Markt reingedrückt, sondern erst einmal nachgefragt. Und insbesondere die von den Firmen angebotenen Foren sind für sie ein ausgezeichnetes Mittel, auf die Kundenbedürfnisse zu lauschen.

Ist das Ende der Werbung gekommen? Hat es die Marktwirtschaft - allein durch den technischen Fortschritt der letzten Jahre - geschafft, nicht mehr zu werben, sondern einzig und allein zu informieren? Hört die Wirtschaft nun damit auf, die Geister manipulieren zu wollen. Ist das Internet der moderne Weg zur Assoziation, zur bedürnisorientierten Wirtschaft?

Wer sich einer solchen Illusion hingibt, kann sich durch die Marketingberater eines besseren lehren lassen. Sie betonen immer wieder, daß im Internet die Konkurrenz nur ein Mausklick entfernt ist. Was für ein grausiger Gedanke! Information ist eben nie so billig und einfach zu haben gewesen. Mit dem Customer Relationship Management soll daher - trotz Internetanschluß - vermieden werden, daß sich der Konsument umfassend informiert. Er soll möglichst bei der einen Firma stecken bleiben, in ihrem Netz gefangen bleiben.

Das Internet macht es also nicht. Entscheidend ist, was daraus gemacht wird. Will man die bisherige Wirtschaft vom Kopf wieder auf die Füße stellen, so kann man sich nicht einfach auf den technischen Fortschritt verlassen, sondern muß Überzeugungsarbeit leisten. Zu den ersten Schritten würde gehören, auf Direktmarketing möglichst zu verzichten. Dazu müssen aber Händler her, die nicht nur deswegen Händler werden, weil sie trotz - oder vielleicht gerade wegen - ihrem Mangel an besonderen Fähigkeiten viel Geld machen wollen. Sonst fehlt jede Vertrauensbasis. Kompetente Händler - und nicht die Endkunden - sollten das Internet zur Informationsbeschaffung nutzen. Als Spezialisten könnten sie es sich dann leisten, mehrere Newsletter und Foren zu abonnieren und zu vergleichen. Das wäre kein Customer Relationship Management mehr, sondern Consumer Information Management (CIM).