Zivilgesellschaft statt Kirchenasyl

15.08.2001

Mit ihrer Flucht ins Kirchenasyl und öffentlichem Druck hat eine vietnamesische Familie ihre Ausweisung aus Deutschland verhindert. Nach drei Tagen sagten die Behörden in Guben in Brandenburg der Familie am Mittwoch ein neues Aufenthalts-Visum zu. Am vergangenen Sonntag hatten sich die Eltern mit ihren beiden Kindern in Guben in die Obhut der Evangelischen Kirche begeben. Die Arbeitserlaubnis des Vaters war ausgelaufen. Nach derzeitiger Rechtslage müsste die Familie Deutschland verlassen, nach dem noch in diesem Jahr erwarteten neuen Recht dürfte sie vermutlich bleiben. Am Mittwoch erklärte das Landratsamt Guben in Brandenburg, die Familie werde nicht abgeschoben. Zuvor hatten die Behörden auf einer Ausreise der Vietnamesen mit anschließender Rückkehr bestanden. Die Bevölkerung von Guben hatte Unterschriften für den Verbleib der vierköpfigen Familie gesammelt und diese mit Spenden unterstützt.

Mit dem Zuwanderungspapier von Innenminister Otto Schily soll beim zukünftigen Zuwanderungsgesetz das Kirchenasyl rechtlich verankert sein. Damit wird das tolorierte Kirchenasyl legalisiert.

Mit dem Kirchenasyl wird aber eine mittelalterliche Rechtspraxis wiedereingeführt, die zwischen göttlichem und weltlichem Recht unterscheidet und die Kirche vom weltlichen Gericht und Exekution ausschließt. Die Verstaatlichung der Kirche in der Neuzeit bereitete diesem eine Ende und die später erfolgte Trennung zwischen Kirche und Staat war gemeint als eine geistige Trennung, - nicht eine rechtliche.

Wenn Otto Schily nun das Kirchenasyl legalisieren will, dann hat er sicherlich viele gute Gründe dafür. Seine Überlegungen sind gut, sein Ansatz aber falsch: Er sollte nicht einen vergangenen theokratischen Gesellschaftsimpuls wiedererwecken.

Wenn er dem Rechtswesen ein menschliches Gesicht geben und einen Gegenpol zur blinden Staatsjustiz einbringen will durch engagierte Mitbürger die vom Mitleid oder einem höheren Gerechtigkeitssinn beflügelt sind, dann ist das Kirchenasyl falsch. In Wirklichkeit ist es ja nicht die Kirche als Institution, sondern die Gemeinden als Zivilgesellschaft, die das Asyl gewähren und durchführen. Otto Schily sollte auf die zukünftige Zivilgesellschaft setzen, statt auf das vergangene Kirchenasyl. Folglich sollte allen Rechtsgemeinschaften, wie Vereine, Kirchen- und Stadtgemeinden inhaltlich das gegeben werden, was das Kirchenasyl ausmacht.

Dazu wird Schily aber wohl der Mut fehlen, denn eine emanzipierte Zivilgesellschaft wird den Zuwanderungsgesetzen bald den Gar aus machen.